Die gute Nachricht für die Eltern gleich vorneweg: Auch wer so groß ist wie zwei aufeinandergestapelte Kinder, sitzt im NEST, dem neuen Opernhaus der Wiener Staatsoper im Künstlerhaus, hervorragend und kann die Beine ungestraft ausklappen.
Die kleinen Besucher wiederum sehen durchgängig gut: Der Besucherraum im frisch renovierten Flügel des Künstlerhauses schwingt sich derart steil nach oben, dass man auch dann mühelos über alle Köpfe hinwegblicken kann. Die erste Premiere im NEST am Samstagvormittag, „Sagt der Walfisch zum Thunfisch“ von Thierry Tidrow (Regie: Sara Ostertag, Dirigent: Markus Henn), steckte derweil allerlei dessen ab, was Oper ausmacht - in jeder Hinsicht.
Das Haus, das am Freitagabend mit einem Festakt offiziell und am Samstag dann künstlerisch eröffnet wurde, strahlt seine Neuheit deutlich aus: So frisch und staubbefreit wie das NEST ist die angrenzende Albertina Modern schon nicht mehr, und auch sonst nicht vieles am Karlsplatz.
Hinter dem NEST-Eingang warten ebenerdig die Kassa, die Garderobe und eine Snackbar (es gibt allerlei Süßzeugs, Getränke und auch Sachen, über die sich die Eltern freuen). Stiegen und ein Aufzug führen zu den Klos in den Keller und hinauf in den zweiten Stock, von wo aus man den Zuseherraum betritt.
Hinter einem modern-spartanischen Graben für kleines Orchester die Bühne, die später ihre durchaus erstaunliche Tiefe zeigen durfte: Die Erstpräsentation des neuen Apparates war geschickt gemacht. Die beiden Erzählerwesen namens Du (Florentina Serles) und Ich (Hannah-Theres Weigl) treffen einander auf einem verengten Ausschnitt der Gesamtbühne. Erst später, als Noe (Alex Ilvakhin) mit seinem Raumschiff samt weißperückter Unterhaltungsband landet, öffnet sie sich zur vollen Größe von 85 Quadratmetern.
Staunende Kinderaugen. Das NEST stellt sich ihnen als tolles Ding vor.
Stimmig auch, das neue Haus mit einem Auftragswerk zu eröffnen. Man hätte sich nur von diesem doch mehr Verführungskraft gewünscht: „Sagt der Walfisch zum Thunfisch“ hebt langsam an – Du und Ich hören, „Bumm, bumm, bumm“, ihren Herzschlägen nach – und lässt sich in der ersten halben Stunde wohl mehr Zeit, als Sechsjährige sonst freiwillig ins Herumsitzen investieren.
Komponist Thierry Tidrow, der die Oper nach dem gleichnamigen Kinderstück komponierte, umspielt die Themen Harmonie und Gegeneinander auch musikalisch - wenn ihm etwas nicht passt, stoppt Noe mit dem Wort „Scratch“ die Musik. Da gibt es viel Dialoggesang und vieles, das man eventuell nicht so ganz versteht, wenn man das mit der Sintflut noch nie im Original gehört hat (Noe will zwei Musiker aus jeder Instrumentengruppe mitnehmen und die Sterne zum Singen bringen).
Die Kinder nehmen den Thunfisch/Walfisch-Joke jedenfalls weit dankbarer auf als die Gottesanklage mit geballter Faust von Ich – es regnet nicht einfach so, Noe verkündet den beiden Nichtschwimmerinnen die Sintflut – und die Selbstaufopferung von Du, die mit der Arche nach oben entschwinden könnte, aber lieber bei Ich bleibt.
Am Schluss wurde dann aber doch aus Du und Ich ein Wir; der Witz hat dabei entscheidend geholfen. Viel Applaus für alle Beteiligten (es spielte das Bühnenorchester der Staatsoper). Und vieles folgt: In der ersten Saison 100 Veranstaltungen und 80 Termine für verschiedenste Workshops angesetzt.
Kommentare