"Nathan der Weise": Am Nerv der Zeit ganz brav vorbei

Günter Franzmeier und eine Günter-Franzmeier-Puppe
Lessings Klassiker "Nathan der Weise" als bemühtes Plädoyer für mehr Toleranz am Wiener Volkstheater.

Wie aktuell könnte das sein! Terroristen, die unter dem Deckmantel der Religion unschuldige Menschen in den Tod reißen. Giftgaseinsätze und Bombardements, die ebenfalls oft im Namen des "Glaubens" geführt werden. Kaum ein Stück trifft den Nerv der Zeit wohl besser, als Gotthold Ephraim Lessings Jahrhundert-Klassiker "Nathan der Weise". Ein in Blankversen geführtes Plädoyer für mehr Toleranz zwischen den Menschen und den Glaubensgemeinschaften.

Sehr erbaulich

Ein starker Stoff also, den Regisseur und Puppendesigner Nikolaus Habjan da im Wiener Volkstheater in Händen hatte, der in der szenischen Umsetzung allerdings erstaunlich brav, fast wie ein gutbürgerliches Erbaungstheater herüberkommt.

Auf einer Drehbühne – die Schäden diverser brutaler Kriegshandlungen sind sichtbar – siedelt Habjan die Geschichte rund um den Juden Nathan, den Muslim Saladin sowie den christlichen Tempelherrn an. Denise Heschl und Jakob Brossmann halten ihr Bühnenkonstrukt in ständiger Bewegung; die Kostüme (ebenfalls Heschl) suggerieren einen diskreten Gegenwartsbezug.

Und dennoch spielt man am Volkstheater in dieser Version Lessing meist vom Blatt. Auch wenn der erzreaktionäre Patriarch von Jerusalem als mehrstimmige Puppe daherkommt, und auch wenn Nathan sein puppenhaftes, verzweifeltes Alter Ego findet – die Personenführung bleibt harmlos, die Debatten über Religion und Toleranz wirken seltsam papieren.

Ein Gescheiterter

Günter Franzmeier formt als Nathan einen echten Charakter, der um "sein" Kind Recha kämpft. Ein gescheiteter Gescheiter, eine tragische Figur, dem selbst die schönste Ringparabel menschlich wenig helfen kann.

Als Recha ist Katharina Klar vor allem ein Spielball des Textes.

Gábor Biedermann ist als Sultan Saladin erfolgreich um menschliche und liebenswerte Züge bemüht.

Steffi Krautz gibt dessen ganz der Realität verpflichtete Schwester souverän; Christoph Rothenbuchner bleibt als Tempelherr etwas zu eindimensional. Viel interessanter agiert Stefan Suske in der kleineren Rolle des Klosterbruders, als Rechas Begleiterin Daja rattert Claudia Sabitzer ihren Text herunter.

Die Conclusio? Ja, das ist alles richtig, wichtig und gut. Auch Lessing ist und bleibt zeitlos. Die Gedanken der Aufklärung – sie sind heute wichtiger denn je. Das immense Kraftpotenzial, das in diesem (Lehr-)Stück steckt, wird hier jedoch nicht ausgeschöpft.

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