„Es gibt die Hochrechnung, dass die menschliche Lunge pro Monat 14 kg CO2 an die Atmosphäre abgibt“, sagt Katrin Hornek. „Das verbindet mich mit all den Verbrennungsmotoren dieser Welt, aber auch mit Pflanzen und Muscheln, die dieses CO2 wieder herausziehen. Die Muscheln werden zu Kalkstein, der wieder zu Beton wird. Wenn ich die Hand auf eine Betonwand lege, dann sind diese Stoffe also durch viele Gestalten gegangen.“
Die Künstlerin, die vor Kurzem den Otto-Mauer-Preis, die renommierteste Auszeichnung für österreichische Kunstschaffende unter 40, entgegennahm, fordert ihr Publikum gern auf, in großen Zusammenhängen zu denken.
Wobei es vor allem um die Verbindungen zwischen jenen Weltbestandteilen geht, die man gemeinhin als „belebt“ und „unbelebt“ klassifiziert. Wer Horneks Arbeiten verfolgt, erkennt bald, dass die Grenze oft nicht klar gezogen werden kann.
„Ich wollte mich mit Themen befassen, die den ganzen Planeten betreffen, aber auch jede einzelne Zelle“, sagt die Künstlerin, die 2008 ihr Studium bei Monica Bonvicini an der Wiener Akademie der bildenden Künste abschloss. Denn das „Anthropozän“ ist als Begriff – für ein Erdzeitalter, das durch den Menschen geformt wurde und wird – zwar geläufig. Sich darunter etwas vorzustellen, ist aber schwierig.
Steinbruch, intim
Überwältigende Szenarien sind dabei nicht Horneks Sache: „Mein Zugang ist intimer.“ 2018 stellte die Künstlerin etwa eine Sammlung von Köpersteinen – Nieren-, Harn- und Blasensteinen – in einer Höhle nahe Kufstein aus. „Wenn wir bedenken, dass wir selbst so kleine Planeten hervorbringen, wird es schon schwieriger zu sagen, ,dieser Steinbruch hat nichts mit mir zu tun’“, ist Hornek überzeugt. Derlei Bewusstseinsbildung sei gerade heute, wo die Neuausrichtung menschlicher Beziehungen zur Natur dringend nottut, wichtig. „Faktenbasierte Spekulation“ nennt Hornek ihre Aufforderungen, Zusammenhänge zu denken – etwa, dass frühes Leben in mineralischen Verbindungen entstanden sein und ein Tonklumpen daher als entfernter Verwandter gelten könnte.
Auf ihrer Suche nach neuen Möglichkeiten der Imagination ist die Recherche-Fanatikerin tief mit wissenschaftlichen Metiers vernetzt – etwa als Mitarbeiterin eines auf Projekts zur Erforschung der Spuren des Anthropozäns in Wien. Aufseiten der Wissenschaft ortet sie dabei erhöhte Offenheit, sich auf neue Darstellungsformen einzulassen: „Aus allen Daten ein Bild zu machen, das dann ,pfeift‘, das ist ja auch Konzeptkunst.“
Kommentare