Das Bild der Erde als Untertan

Edward Burtynsky, Cerro Pietro Geothermal Power Station, Mexico (Ausschnitt)
Der Kanadier Edward Burtynsky zeigt den Eingriff des Menschen in die Welt - nun auch in Wien.

Edward Burtynskys Fotos haben das Format großer Gemälde, und oft wirken sie wie abstrakte Kreationen: Eine Komposition aus Kreisen und Vierecken entpuppt sich erst nach und nach als Blick auf eine Farm, in der riesige Bewässerungsanlagen Wüstenstreifen in runde Felder verwandeln. Aus Linien und Flächen werden nach und nach verfärbte Flussläufe, halbleere Seen, gigantische Staudämme.

„In dem Moment, in dem man dem natürlichen Lauf des Wassers entgegentritt, wird es von natürlichem zu synthetischem, kontrolliertem Wasser“, sagt Burtynsky, als der KURIER ihn vor der Eröffnung seiner Ausstellung im KunstHausWien trifft. „Sobald das der Fall ist, gibt es Gewinner und Verlierer: Die Verlierer flußabwärts, die Gewinner da, wohin das Wasser umgeleitet wird.“

Das Bild der Erde als Untertan

Edward Burtynsky, Ausstellung Kunst Haus Wien 2017…
Das Bild der Erde als Untertan

Edward Burtynsky, Ausstellung Kunst Haus Wien 2017…
Das Bild der Erde als Untertan

Edward Burtynsky, Ausstellung Kunst Haus Wien 2017…
Das Bild der Erde als Untertan

Edward Burtynsky, Ausstellung Kunst Haus Wien 2017…
Das Bild der Erde als Untertan

Kumbh Mela 2019
Das Bild der Erde als Untertan

Edward Burtynsky, Ausstellung Kunst Haus Wien 2017…

Spuren des Menschen

Die Werkserie „Wasser“, die bis 27.8. in Wien zu sehen ist und auch als Buch erschien, entstand über einen Zeitraum von fünf Jahren, von 2008 bis 2013. In früheren Serien hatte sich der 1955 geborene Kanadier mit Minen, Steinbrüchen, Ölquellen oder dem Bau des Drei-Schluchten-Damms in China befasst. International gilt Burtynsky als einer der zentralen Chronisten des menschlichen Einflusses auf die Erde – dank der enorm präzisen, aufwendigen Herangehensweise, aber auch wegen seiner – teils durchaus umstrittenen – Ästhetik.

„Ich habe stets darauf abgezielt, dass Form und Inhalt gleichermaßen Beachtung finden“, sagt Burtynsky. Von der Schönheit seiner kanadischen Heimat geprägt, suchte er neuartige Bilder abseits klassischer Naturfotografie und fand Inspiration in abstrakt-expressionistischer Malerei. „Wenn der Inhalt dominiert, geht es eher in Richtung Journalismus und Dokumentation; wenn die Form dominiert, wird es oft minimalistisch. Ich möchte, dass man meine Bilder an der Balance erkennt“, sagt der Fotograf.

Das Bild der Erde als Untertan
Edward Burtynsky, Ausstellung Kunst Haus Wien 2017 / (c) Edward Burtynsky, courtesy Admira, Milan / Galerie Springer Berlin / Metivier Gallery, Toronto

Um aus einem Thema wie dem Wasser oder der Ölgewinnung „gültige“ Bilder zu destillieren, reist Burtynsky durch die Welt, mietet Kräne, unternimmt Flüge mit Hubschraubern und Drohnen und wiederholt Aufnahmen zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Das Wasser-Projekt sei insofern ein Durchbruch gewesen, als er seine Motive erstmals aus großen Höhen direkt von oben fotografiert habe, erzählt Burtynsky: „Wenn es um Wasser geht, ist der Maßstab des menschlichen Eingriffes riesig. Es braucht eine gewisse Distanz aus der Luft, um das zu begreifen.“

Ausbeutung & Ästhetik

Bewässerungsanlagen, Glashäuser, Fischfarmen, so weit das Auge reicht: Es sind überwältigende Bilder, die Burtynsky vorlegt. Dass er industriellen Raubbau in seinen Bildern zugleich auch ästhetisiert, wird dem Fotografen jedoch immer wieder zum Vorwurf gemacht.

„Ich positioniere meine Arbeit eher als Aufklärung statt als Anklage“, sagt Burtynsky dazu. „Ich bin selbst manchmal wütend und denke, dass ich vielleicht aktivistischer sein sollte. Aber zugleich formen diese Bilder das Bewusstsein. Die anklagende Methode – etwa in Michael Moores Dokumentationen – hat meiner Ansicht nach auch nicht funktioniert. Die Leute schalten ab.“

Burtynsky steht nicht an zu sagen, dass er sich bei einem seiner Projekte von einem Minen-Betreiber sponsern ließ. „Ich fotografiere deswegen nicht anders. Und ich kann diese Bilder politisch rechts stehenden Amerikanern ebenso zeigen wie linken Umweltschützern, sie werden sich davon nicht attackiert fühlen, sondern sie anschauen und zu verstehen versuchen. Als Ausgangspunkt eines Dialogs finde ich das nützlicher.“

Dass hinter seiner Arbeit die Sorge um die Umwelt stehe, sei den Bildern aber zu entnehmen, sagt Burtynsky, der für sein neues Projekt über das menschengemachte Erdzeitalter, das so genannte „Anthropozän“, mit Forschern und Filmern zusammenarbeitet. „Es gibt keine einfache Lösung“, sagt er. „Aber es ist an uns, zu entscheiden, ob wir Regeln schaffen, die uns erlauben, mit der Natur zu koexistieren – oder ob wir ihr mit dem Stiefel auf den Hals treten und warten, bis sie stirbt.“

INFO

Donnerstag (23.3.,18 Uhr) hält Edward Burtynsky einen Vortrag, der auf der Facebook-Seite des KunsthausWien übertragen wird.

„Abgrenzen“, „Planen“, „Beherrschen“, „Ordnen“ – dass Menschen überblickshafte Bilder von Landstrichen und Städten anfertigen, hat mannigfache Gründe, und nicht selten haben sie mit militärischer oder wirtschaftlicher Machtausübung zu tun. Die oben genannten Stichworte sind zugleich Kapitelüberschriften in der Schau „Wien von oben – die Stadt auf einen Blick“, die am 22.3. eröffnet und bis 17.9.2017 im Wien Museum am Karlsplatz zu sehen ist.

Das Bild der Erde als Untertan
Albertinischer Plan von Wien, 15. Jahrhundert © Wien Museum
Stadtpläne und -darstellungen vom 15. Jahrhundert bis heute werden in der dichten und aufschlussreichen Schau künstlerischen Auseinandersetzungen mit der Stadt und deren Plan gegenüber gestellt. Stadtansichten und später Luftbilder dienten häufig auch als Marketinginstrumente – etwa zur Zeit der Ringstraßenbebauung, als sich das Bild von „Alt-Wien“ nostalgisch zu verklären begann, oder zur Zeit der Weltausstellung 1873, als die Stadt Modernität demonstrieren wollte.
Das Wien Museum zeigt Pläne und Wien-Bilder auch als Erinnerungsstücke sowie als Grundlage für höchst persönliche Stadt-Geschichten, teils mit künstlerischem Anspruch.

Ozean im Kapitalismus

Der US-Fotograf und Konzeptkünstler Allan Sekula (1951 – 2013) blieb bei seiner Arbeit lieber am Boden: Dem erklärten Marxisten ging es um die Erfassung globalisierter Abläufe und um die Schicksale arbeitender Menschen, wobei er gleichzeitig danach trachtete, Darstellungs-Konventionen in Kunst und Fotografie kritisch zu hinterfragen.

Das Bild der Erde als Untertan
Allan Sekula, Middle Passages, chapter 3, Fish Story Copyright: © Allan Sekula, Middle Passage, chapter 3, Fish Story, 1994 Thyssen-Bornemisza Art Contemporary Collection, Photo: The Estate of Allan Sekula, 1994
Die Schau „Allan Sekula – Okeanos“, die bis 14.5. einige zentrale Arbeiten aus der Sammlung von Francesca Habsburgs Stiftung präsentiert, kann in mancher Hinsicht als eine Antithese zu Edward Burtynskys „Wasser“-Serie im KunsthausWien (siehe oben) gelten. Auch Sekula wollte den Ozean als einen zentralen Ort ausbeuterischer Prozesse ins Gedächtnis rufen, verweigerte sich aber der Ästhetisierung. Sekulas Hauptwerk „Fish Story“, das in Auszügen nun beiTBA21 im Augartenzu sehen ist, ist als Arrangement von Fotos, Filmen und kritischen Essays konzipiert, das Entschlüsseln braucht Zeit.

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