Körperkontakt im Datenraum: Barbara Kapusta erhält Otto Mauer-Preis
In Barbara Kapustas Atelier werden gerade Sprechblasen produziert. Auf Vinyltafeln affichiert die Künstlerin einzelne Sätze, der Schriftsatz erinnert an frühe Computermagazine, die Tafeln wirken kühl, hart. In den Sätzen geht es dagegen um Berührungen, um Nähe, um Zustände des Fließens und Zerfließens. „Das Hineinzoomen auf körperlichen Austausch, auf Berührungen, auf Lust, Schmerz: das ist etwas, das mich seit Langem beschäftigt“, sagt Kapusta.
Die 1983 in Niederösterreich geborene Künstlerin hat ein reiches künstlerisches Vokabular entwickelt, das den Empfindungen von Körperlichkeit ebenso Rechnung trägt wie der Technisierung allen menschlichen Lebens und Zusammenlebens. Dass Kapusta damit an höchst zeitrelevanten Fragen arbeitet, war zweifellos ein Grund dafür, dass sie heuer den Otto-Mauer-Preis, die renommierteste und mit 11.000 höchstdotierte Auszeichnung für österreichische Kunstschaffende unter 40, zugesprochen bekam.
Sprechblasen sind dabei nur eine der Formen im Repertoire. Mit dem Schreiben und Filmemachen habe sie angefangen, erzählt Kapusta, die bei Constanze Ruhm an der Wiener Akademie Kunst und digitale Medien studierte und heute auch dort unterrichtet. Texte bleiben ein wichtiges Ausgangsmaterial ihrer Arbeit.
Doch die Zeichen entwickeln bei Kapusta ein Eigenleben, verlassen die gedruckte Seite, wandern auf Wände, in Räume oder auf Screens. Manche materialisieren sich in digital animierten „Skulpturen“ – „Terminator 2“ lässt grüßen –, die unablässig ihre Gestalt ändern, sich aneinanderschmiegen oder sich umstülpen. Andere wiederum werden als Keramiken ausgeführt: Fragmente von Gliedmaßen oder Oktopusarme legen dann dreidimensionale Zeugnisse des „Hineinzoomens“ ab. Kapusta versteht ihre Objekte aber auch als Charaktere, die sprechen können und über Möglichkeiten des Zusammenlebens verhandeln.
Utopien, Dystopien
„Das Spielerische ist zweifellos da – ich bin aber kein Cartoon-Nerd“, sagt Kapusta, auf die zeitweilige Nähe ihrer Objekte zur Comic-Welt angesprochen. Zu technologischen Utopien und Dystopien fühlt sich die Künstlerin jedoch hingezogen – wobei feministische Autorinnen wie Ursula K. Le Guin oder Donna Haraway („Ein Manifest für Cyborgs“) ihre Ankerpunkte bilden.
In ihrer künstlerischen Verarbeitung bleibt Kapusta, die ihre jüngsten Werke – so es der Lockdown zulässt – ab 9. Dezember in ihrer Stammgalerie Gianni Manhattan präsentieren wird, aber vielgestaltig. „Ich habe schon gesagt bekommen, dass man sich für ein Medium entscheiden muss“, sagt sie. „Und ich habe entschieden: Das muss man eigentlich nicht.“
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