"Wir waren Wanda hoch zehn"

Prost! Alex Jezdinsky, Stefan Deisenberger, Oliver Welter und Herwig Zamernik (v. l. n. r) von Naked Lunch feiern ihr 25-jähriges Band-Jubiläum mit Kuchen und Perlwein.
Die heimische Band Naked Lunch über die Höhen und Tiefen ihrer durchwachsenen Karriere.

Naked Lunch liefern seit nunmehr 25 Jahren hochklassigen Pop zwischen Euphorie und Depression, Hoffnung und Hoffnungslosigkeit ab. Ein Interview mit Herwig Zamernik und Oliver Welter, dem harten Kern der Kärntner Band, zum Jubiläum und zur Veröffentlichung ihrer "Singles Collection".

KURIER: Haben Sie bei der Zusammenstellung der "Singles Collection" die letzten Jahre Revue passieren lassen?
Oliver Welter: Wir haben uns im Vorfeld keine großen Gedanken über die Bandgeschichte gemacht. Das passiert erst jetzt im Rahmen der Interviews. Die Gespräche mit den Journalisten sind eine Art Psychotherapie. Man erinnert sich an gute wie schlechte Zeiten, eine Achterbahnfahrt der Gefühle.

"Wir waren Wanda hoch zehn"
Naked Lunch
Welches Bild haben Sie vor Augen, wenn Sie an 25 Jahre Naked Lunch denken?
Welter:Man kann das nur schwer auf ein Bild oder zwei Sätze reduzieren. Ich habe für mich aber eine Art Kernaussage über Naked Lunch entwickelt: Wir müssen immer weitermachen. Das ist so eine Art Impuls, Antrieb und Drang.

Sind Sie zufrieden mit dem, was Sie erreicht haben?
Welter: Ja, denn wer kann schon mit knapp 50 Jahren von sich behaupten, aus seinem Leben das gemacht zu haben, was er sich mit 14 Jahren erträumt hat? Ich weiß es noch genau, als ich zum ersten Mal daran gedacht habe, Musiker zu werden. Das war im Schulskikurs, da habe ich einen Typen gesehen, der auf der Gitarre spielte. Ich dachte mir: "Hey cool, das will ich auch können." Jetzt bin ich 48 Jahre und führe kein monströses, illustres oder mondänes Leben, sondern ein ganz normales.

Herwig Zamernik: Eher ein subnormales.
Welter: Nein, mir geht es schon sehr gut.
Zamernik: Jetzt vielleicht, aber zwischendurch gab es auch andere, schlechtere Zeiten, in denen immer wieder dieselbe Frage auftauchte: "Warum tue ich mir das alles noch an?"

Gibt es so etwas wie einen geregelten Alltag?
Welter: Wir sind beide Familienväter. Das Rock-and-Roll-Leben ist weit von uns entfernt – auch wenn wir heute während der Interviews Unmengen an Bier trinken.

Können Sie sich noch an das erste Konzert erinnern?
Welter: Bei der Bandgründung im Jahr 1990 waren wir alle sehr jung. Innerhalb von drei Monaten haben wir ein paar Songs auf Kassette aufgenommen und diese dann an Karin Löffler vom U4 geschickt. Sie hat uns dann in die Szene Wien eingeladen, wo wir als Vorband der Screaming Trees spielen durften.

Mitte der Neunziger sind Naked Lunch ausgezogen, um die Welt zu erobern. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Welter: Ich habe wenige Erinnerungen an die 90er-Jahre. Es war eine durchwachsene und sehr intensive Zeit, ein stetiger wie rasanter Aufstieg: Vom kleinen modrigen Proberaum in Kärnten auf eine riesige verspiegelte Probebühne am Times Square in New York. Diese wurde uns vom damaligen Major-Label (Mercury, Anm. der Red.) zur Verfügung gestellt, damit wir für einen Promotion-Gig üben konnten. Aber wir Landbuben waren dieser Herausforderung nicht gewachsen.
Zamernik: Man muss sich einmal vorstellen: Kurz bevor wir auf dieser Bühne standen, haben dort Prince und Bruce Springsteen geprobt.
Welter: Vor dem Proberaum hat eine Limousine gewartet, mit der wir durch Manhattan gezogen sind. Dann kommt man nach Klagenfurt zurück, wo die Freundin und der Alltag warten. Das war uns damals alles sechzehn Nummern zu groß.
Zamernik: Man kann sagen, dass wir damals Wanda hoch zehn waren. Wanda mit weltweitem Erfolg.

Mussten Sie damals Kompromisse eingehen?
Welter: Hat’s sicher gegeben.
Zamernik: Als uns ein Manager vom Label dazu geraten hat, unsere langen Haare abschneiden zu lassen, habe ich ihm geantwortet, dass ich mir nicht einmal meine Fußhaare wegen ihm schneiden lassen würde.

Sie haben die Filmmusik zu "Jack" gemacht. Wie haben Sie sich der Geschichte genähert?
Zamernik:Wir sind einfach in die Materie Jack Unterweger eingetaucht.
Welter: Ich habe schon einige Filme vertont – es war immer ein bisschen anders. Es kommt auf den Regisseur oder die Regisseurin an. Manche konfrontieren einen bereits mit dem Drehbuch, andere zeigen nur den finalen Schnitt. Bei "Jack" konnten wir mehr oder weniger machen, was wir wollten.

War der Unterweger ein Böser?
Welter: Da möchte ich mich enthalten. Aber für mich war Unterweger ein unfassbar untertalentierter Mensch, ein guter Blender. Unterweger war mehr HC Strache als Thomas Mann.

Info: Naked Lunch gastieren am 8. November im Stadttheater in Klagenfurt, am 12. November im Linzer Posthof, am 13. November in Graz (Generalmusikdirektion) und am 23. November in der Arena Wien.

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