Nach Videokritik: Ungarische Medien begeben sich in Wien auf Faktencheck

Nach Videokritik: Ungarische Medien begeben sich in Wien auf Faktencheck
Ungarische Journalisten überprüften den Wahrheitsgehalt der umstrittenen Video-Botschaft von Ungarns Kanzleramtsminister János Lázár.

Sein Facebook-Video über das angeblich "schmutzige und arme Wien" brachte dem ungarischen Kanzleramtsminister János Lázár auch in seiner Heimat Kritik. Mehrere ungarische Medien begaben sich nach Favoriten, wo das Video entstanden war, um die Aussagen Lázárs auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen: Dabei befanden diese, dass die Straßen in Budapest schmutziger seien als in Wien, und erfuhren, dass die meisten in Wien lebenden Ungarn just im 10. Bezirk wohnen.

Kritik nicht nachvollziehbar

Die vom Nachrichtenportal 24.hu befragten Passanten in Favoriten konnten die Kritik an ihrem Bezirk nicht nachvollziehen. Der Journalist Bernhard Odehnal, der in Favoriten lebt, bot dem ungarischen Minister sogar an, ihn persönlich durch den Bezirk zu führen.

Der Beitrag des Nachrichtenportals 24.hu:

Lázár hatte in seinem Video behauptet, in Favoriten hätten vor 20 Jahren noch keine Ausländer gelebt. Diese Aussage wird im Beitrag von 24.hu gerade gerückt, der Bezirk wurde im 19. Jahrhundert von Einwanderern, unter anderem aus Tschechien, der Slowakei und Ungarn, erbaut. Ein Statistiker der Stadt Wien listet zudem die größten Migrantengruppen der Stadt auf: Das seien in absteigender Reihenfolge Serben, Deutsche, Türken und Menschen aus osteuropäischen Ländern – darunter auch Ungarn. 21.000 ungarische Staatsbürger leben derzeit in Wien, der Bezirk mit dem größten Anteil an Ungarn ist übrigens laut den Recherchen des Portals Favoriten.

Müll auch auf Budapester Straßen

Zu den laut Lázár schmutzigen Straßen wird weiters auf eine Eurostat-Statistik verwiesen: Demnach seien 90 % der Wiener zufrieden mit der Sauberkeit in der eigenen Stadt, während es in Budapest nur 61 % seien. Auch der ungarische Privatsender ATV stattete dem Wiener Bezirk eine Visite ab – und zeigte in seinem TV-Beitrag zum Vergleich mit dem angeblich dreckigen Wien die Straßen in einem Budapester Bezirk, wo man Zigarettenstummel, Hundekot und Müll liegen sah (ab Minute 2:30 im Video unten).

Der Beitrag des Fernsehsenders ATV:

Lázár hatte außerdem beklagt, dass er bei seinem Besuch in Favoriten keine Passanten gefunden hätte, mit denen er sich auf Deutsch hätte unterhalten können. Das Nachrichtenportal Index.hu hatte im Gegensatz zu Lázár jedoch keine Schwierigkeiten damit. Die Befragten erklärten, dass es im Bezirk viele Einwanderer gebe (manche sahen das durchaus kritisch), die Kriminalität sei deswegen jedoch nicht gestiegen.

Ungarn wollen Österreich nicht verlassen

Ganz so ernst scheint die Lage also nicht zu sein, wie János Lázár vermuten lässt, und das sehen offenbar auch seine Landsleute so: 95 % der in Österreich arbeitenden Ungarn würden auch dann nicht zurück in ihre Heimat gehen, wenn sie ihren Arbeitsplatz verlieren würden, schreibt die ungarische Tageszeitung Népszava.

Video kurzzeitig von Facebook verschwunden

In einer Video-Botschaft an die ungarische Bevölkerung hatte Lázár am Dienstag vor den möglichen Folgen gewarnt, sollte bei den Parlamentswahlen am 8. April in Ungarn die Opposition gewinnen: Ungarischen Städten würde ein ähnliches Schicksal wie Wien drohen, würde man die Migration nicht eindämmen. Das Video des Ministers, der Mitglied der rechtsnationalen Fidesz-Partei ist, war am Mittwoch wegen eines Verstoßes gegen die Richtlinien des sozialen Netzwerks kurzzeitig von Facebook verschwunden – mittlerweile ist es auf dem offiziellen Profil von Lázár jedoch wieder abrufbar.

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