MusikTheater an der Wien: Weinbergs Der Idiot im Museumsquartier
Erschöpft, aber zufrieden. Auf diesen Nenner lassen sich wohl die Gefühle der meisten Besucherinnen und Besucher nach der Premiere von Mieczysław Weinbergs „Der Idiot“ bringen. Denn dieses erst 2013 in Mannheim uraufgeführte, letzte Bühnenstück des polnischen Komponisten (1919 – 1996) ist alles andere als leichte Kost.
Kein Wunder. Als Vorlage diente Weinberg und seinem Librettisten Alexander Medwedew der gleichnamige Roman von Fjodor Dostojewski. Ein weit mehr als 900 Seiten starkes, oszillierendes Kaleidoskop über die sprichwörtliche „russische Seele“, das es in der komprimierten Fassung von Weinberg immerhin auf eine Spielzeit von knapp vier Stunden (inklusive Pause) bringt. Ein Kraftakt, den Intendant Stefan Herheim bei der österreichischen Erstaufführung (!) in Auftrag gegeben hat. Opernfreunde aber sollten sich diese Chance nicht entgehen lassen. Denn musikalisch wie szenisch hat man alles richtig gemacht.
Abstellgleis
Worum geht es? Der junge, aber labile Fürst Myschkin kehrt von einer Kur in der Schweiz nach St. Petersburg zurück. Im Zug lernt er den reichen Kaufmannssohn Rogoschin kennen, der seinerseits von der Edelkurtisane Nastassja besessen ist. Auch Myschkin verfällt dieser Frau, will aber die brave Aglaja heiraten. Doch dazu kann er sich auch nicht durchringen. Nach und nach entwickelt sich zwischen diesen Personen – es gibt viele weitere – ein Abhängigkeitsverhältnis. Am Ende ist Nastassja tot, die Überlebenden befinden sich auf dem Abstellgleis des Lebens.
Regisseur Vasily Barkhatov bleibt im Bühnenbild von Christian Schmidt dem Zugmotiv treu. Ein sich auf der Drehbühne befindlicher Waggon ist fast der einzige Schauplatz der Handlung, wie in einer Zeitmaschine wiederholt sich das Geschehen. Das ist großartig umgesetzt. Ein visuelles Leitmotiv, das in der Musik sein Pendant findet.
Denn auf Leitmotive setzt auch Weinberg. Groß auffahrendes Blech, saftige Streicher – ein Wagner oder ein Schostakowitsch lassen aus der süffigen Partitur heraus grüßen. Dirigent Thomas Sanderling, der tolle Arnold Schoenberg Chor und das fabelhafte ORF Radio-Symphonieorchester Wien sind diesen Klängen ideale Anwälte.
Wie auch die Besetzung besser kaum sein könnte. Der Tenor Dmitry Golovnin ist ein vokal idealer Myschkin, Bassbariton Dmitry Cheblykov ein kultivierter Rogoschin, die Sopranistin Ekaterina Sannikova gibt eine Nastassja von Weltformat, die in Ieva Prudnikovaité (Aglaja) eine ebenbürtige Gegenspielerin findet. Auch das übrige Ensemble ist bis in die kleinsten Partie top besetzt. Jubel für alle Beteiligten.
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