Museumsdirektorin Agnes Husslein: "Ich putze, wenn nötig, auch selbst den Boden"
Die schillernde Museumsdirektorin Agnes Husslein sammelte 30 Jahre lang Kunst für Heidi Horten. Ein Gespräch über (Selbst-)Disziplin, Missgunst, schlechte Stadtplanung und warum man sie in Salzburg anspuckte.
Was Husslein über Horten sagt und warum sie einen offenen Brief zum Michaelerplatz unterzeichnet hat.
KURIER:Vor zwei Jahren wurde das Privatmuseum Horten Collection eröffnet. Die Gründerin Heidi Horten starb kurz danach. Sie haben 30 Jahre lang für die Milliardärswitwe Kunst gesammelt. Wie kamen Sie zu ihr?
Agnes Husslein: Wir sind beide am schönen Wörthersee zu Hause, und meine Tante wurde eine ihrer ersten Gesellschafterinnen nach dem Tod von Helmut Horten, der sie ja isoliert und kontrolliert hat. Sie hat sich komplett neu organisiert. Heidi war eine intelligente, hypersensible Frau und wusste sehr genau, was sie wollte. Eines Tages rief sie mich an, um ein paar Bilder zu kaufen – ich war damals Sothebys Österreich-Chefin und eine der Sothebys-Expertinnen für internationale Kunst. Damit begann unsere Beziehung. Die Bilder sind heute das Zwanzig-, Dreißig-, Fünfzig-, manche das Hundertfache wert.
Half es, dass Sie beide in Ihrer Jugend Eiskunstläuferinnen waren?
Nein, weil ich es erst ganz am Ende herausgefunden habe. Wir haben uns gut verstanden.
War sie denn nie schwierig? Sie galt als einsam und despotisch.
Es gab Phasen, wo sie nicht mit mir gesprochen hat, aber nur kurz. Sie hatte einen guten Humor.
Hortens Mann war Profiteur der NS-Zeit, das wird im Museum auch thematisiert.
Die Heidi hatte es nicht leicht mit ihm. Sie hat eine geschichtliche Aufarbeitung dieses Themas in Auftrag gegeben und finanziert. Horten war ein geschickter Geschäftsmann, aber kein Nazi, er hat dazwischen auch viel Geld verloren.
Ein Wermutstropfen des Museums ist, dass der Hof mit Parkplätzen verstellt ist. Es reden doch gerade alle von klimafitter Stadt?
Ein Stachel in meinem Fleisch! Ich leide jeden Tag. Da zu parken, ist Teil gewisser Privilegien für die Bundestheater-Angestellten. Es tut mir weh, dass unser neu gestalteter kleiner Park rundherum mit schwarzem Asphalt betoniert ist. Die Autos hier zu eliminieren ist mein Ziel, aber es wird nicht leicht.
Sie gelten selbst als nicht unschwierig. Überall, wo Sie gingen, gab es durchaus Turbulenzen. Bereuen Sie manches?
Überhaupt nicht, und ich bin nicht schwierig. Ich verlange Leistung von meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, bin direkt. In Salzburg habe ich zum Beispiel innerhalb der Bauzeit und innerhalb des Budgets ein neues Museum am Mönchsberg gebaut. Es war die schwierigste Zeit meines Lebens. Die Salzburger wollten das Museum nicht, warfen mir vor, eine „Schuhschachtel“ zu bauen. Ich wurde sogar auf der Straße angespuckt.
Sie hatten in Salzburg auch noch Riesenwirbel mit einem „Triumphbogen“ der Künstlergruppe Gelatin erzeugt, der einen Mann mit erigiertem Penis als Brunnen zeigte.
Ich wollte die Salzburger wohl unbewusst ein bisschen ärgern.
Kann man sagen, Sie haben eine gewisse adelige Nonchalance, übersetzt: Sie sind ein „Scheißmirnix“? Nein, ich bin sehr sensibel. Ich arbeite hart und putze wenn nötig, auch selbst den Boden.
Hat der Spitzensport Ihre spätere Karriere beeinflusst?
Eislauf ist beinhart: Trainieren, hinfallen, aufstehen, weitermachen. Gemma. Geht nicht, gibts nicht. Das fehlt mir ein wenig an unserer heutigen Gesellschaft. Man kann ja chillen, aber man muss seine Aufgaben verantwortungsvoll wahrnehmen. Und nicht immer ist alles lustig.
Schaut man sich die jüngsten Museumsdirektorenbestellungen an, dann scheint die Zeit schillernder Persönlichkeiten vorbei zu sein.
Klaus Albrecht Schröder, Wilfried Seipel, Peter Noever, Gerald Matt und ich genossen großartige Freiheit: Man konnte etwas bewegen, davon leben nun alle. Jetzt wird alles enger gezogen. Ich bin denen passiert im Belvedere. Ich gehöre keiner Partei an, habe eine konservativ-liberale Einstellung, bin aber unabhängig.
Das Belvedere haben Sie aus dem Dornröschenschlaf geholt. Aber am Ende gab es Compliance-Vorwürfe.
Das war wahnsinnig ungerecht und ist auch eingestellt worden. Es war sehr kränkend für mich und ist wohl auch einschüchternd für die nächste Generation an Museumsdirektoren. Unter mir ist mehr Kunst ans Haus gekommen, als unter allen Direktoren davor. Ich habe auch das 21er-Haus, das sieben Jahre lang leer stand, wieder eröffnet.
Beim Neubau des Wiener Hauptbahnhofs wurde die Chance vertan, eine Museumsinsel mit Belvedere, Arsenal und 21er Haus zu schaffen.
Großes hätte geschehen können, wofür ich mich damals sehr eingesetzt habe. Das Wien-Museum hätte dort einen einmaligen Bau hinsetzen können. Francesca Habsburg war interessiert, sie ist vergrault worden. Es gab keine Vision seitens der Stadt Wien.
Interview mit Museumsdirektorin Agnes-Husslein-Arco
Herrscht Kleingeistigkeit?
Vor allem Missgunst, Neid und keine Großzügigkeit. Die politischen Akteure wollen keine Leute, die etwas bewegen und in der Öffentlichkeit stehen.
Sie haben einen offenen Brief von Prominenten in Zusammenhang mit der Neugestaltung des Michaelerplatzes unterschrieben. Was spricht gegen Bäume und Springbrunnen?
Das ist einer der bedeutendsten historischen Plätze Wiens, wie kann man auf so eine Idee kommen? So sehr ich Hans Hollein schätze: Aber man sollte auch überlegen, ob diese klaffende Wunde der römischen Ausgrabungen (Sichtschacht, den er gestaltet hat, Anm.) noch richtig ist. Worüber ich mich auch aufrege: Über den mit Autos vollgestellten, herrlichen Platz vor der Nationalbibliothek. Die Autos gehören alle weg aus der Innenstadt. Und wie kann es sein, dass das Belvedere statt Beton nicht Sandböden hat wie Versailles?
In Ihrer Ausstellung kann das Publikum abstimmen, welche Bilder in die ständige Ausstellung aufgenommen werden sollen. „Artfluence“ heißt das Projekt. Mir ist es ein Rieseanliegen, Menschen zu beteiligen und durch Kunst zu bereichern. Die Leute lieben es, es gibt schon über 13.000 Votes. Wir laden auch Schulen zum Kommen mit Gratis-Vermittlungsprogramm ein und hatten bereits 45.000 Teilnehmer bei 3500 Führungen.
Das Museum ist zwei Jahre alt, Sie sind 70 geworden. Wie lange möchten Sie so hochaktiv bleiben?
Schau ma mal. Heidi Horten fand es unmöglich, wie man mich im Belvedere behandelt hatte und wollte plötzlich ihre Bilder zeigen. Wir haben dann die erfolgreiche „WOW“-Ausstellung im Leopold-Museum gemacht. Horten wurde zum ersten Mal in ihrem Leben für eine eigene Leistung geschätzt. Sie zählte plötzlich zu den 200 bedeutendsten Kunstsammlern der Welt. 2019 wollte sie dann ein Museum – mitten in der Stadt und mit toller Architektur. Sie war schon krank, daher musste es schnell gehen. In nur 22 Monaten war es geschafft.
Wie sehr hat Sie Ihr Großvater, der berühmte Maler Herbert Boeckl beeinflusst?
Ich bin quasi ein Zwitter: Die Familie Arco meines Vaters wird heuer 900 Jahre – wir mussten gerade sitzen, ordentlich sprechen, man war bescheiden, aber elegant. Und auf der anderen Seite hatte ich diesen Großvater, der schweres Kärntnerisch sprach und stolz war, einen Grafen als Schwiegersohn zu haben. Als Kind war ich jeden Samstag in seinem Atelier, das war toll. Später haben mir alle Künstler von ihm erzählt: der Rainer, die Lassnig, der Staudacher. Und ich dachte mir: Wahnsinn, für mich als Kind hat er in nicht zusammenhängenden Sätzen geredet und jetzt erzählen mir alle, was er Gescheites gesagt hat!
Eine Frau der Kunst Agnes Husslein ist Kunsthistorikerin und Kunstmanagerin. Sie war Österreich-Geschäftsführerin von Sothebys, leitete das Salzburger Rupertinum, danach das Belvedere und ist nun Direktorin des neuen Horten-Museums
Horten-Collection Sie enthält internationale Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. 190.000 Besucher kamen in den ersten beiden Jahren, 80 Prozent davon Einheimische
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