Agnes Husslein über Heidi Horten: "Schmuck wird nicht schlecht"
Kürzlich lud der KURIER zum Talk mit Agnes Husslein-Arco in die Heidi Horten Collection ein. Die Direktorin erklärte, wie die Sammlerin, im Juni 2022 gestorben, den Fortbestand des Museums abgesichert hat.
KURIER: Heidi Horten begann nach dem Tod ihres Mannes, Kunst zu sammeln. Sie arbeiteten damals für Sotheby’s, haben sie beraten und ...
Agnes Husslein-Arco: ... jetzt sind die Bilder wahnsinnig teuer. Aber in den 90ern konnte man sie noch zu erschwinglichen Preisen kaufen – wenn man Heidi Horten war.
Sie bekam aber vom Vermögen, das Helmut Horten hinterlassen hatte, nur einen kleinen Teil?
Ja, quasi ein Startkapital. Abgesehen von Möbeln, den Juwelen und einer Summe Geldes ging alles an die Helmut Horten Stiftung in der Schweiz. Sie unterstützt seit Helmut Hortens Tod 1987 medizinische Forschung in großem Stil. Heidi Horten war eine sehr geschickte Geschäftsfrau. Aber sie brauchte ein paar Jahre, um sich neu zu ordnen.
Sie wollte sich abgrenzen?
Absolut! Er hatte ausschließlich zeitgenössische Möbel im Stil der 60er- und 70er-Jahre – wie die Einrichtung seiner Kaufhäuser. Sehr deutsch. Das wollte sie nicht. Auch das Haus am Wörthersee war ein nüchterner Block gewesen. Sie ließ es abreißen und neu bauen. Und für dieses Haus wollte sie Kunst kaufen. Ich beriet sie – und bekam dann auch noch die Aufgabe, die Bilder zu hängen. Ich dachte mir: Oh mein Gott! So gut habe ich sie ja auch nicht gekannt. Ich fragte sie: „Wie hättest Du es gerne?“ Sie sagte: „Mach es!“ Sie konnte durchaus scharf im Ton sein. Gut, ich habe die Bilder aufgehängt. Es hat ihr gefallen. Und so ist es weiter gegangen.
Und dann haben Sie eine Tour durch alle ihre Domizile von Kitzbühel bis London gemacht?
Ja. Sie hatte Häuser auf der ganzen Welt, darunter ein Penthouse im Olympic Tower von New York.
Sie hat immer weiter gesammelt.
Sie wollte eine internationale Sammlung haben, sie mochte Expressionismus und Pop Art, sie hatte einen Touch hin zum Kitschigen und Opulenten. Ich habe ihr dann nahegelegt, Werkgruppen zu bilden. Also nicht aus jedem Dorf einen Hund …
Sondern gleich ein Rudel?
Genau! Also zum Beispiel mehrere Werke von Lucio Fontana oder von Andy Warhol. Wir können jetzt in der Heidi Horten Collection Werkblöcke präsentieren oder auch Epochen abbilden. Heidi hat sich auch nicht gescheut, wirklich schwierige Bilder zu erwerben, zum Beispiel von Jean Dubuffet. Und sie hat wirklich mit diesen Bildern gelebt! Der Dubuffet hing im Vorzimmer. Solche Werke gab und gibt es nicht in den österreichischen Sammlungen! Als Direktorin des Belvederes fragte ich sie immer wieder, ob sie uns für eine Ausstellung ein Bild borgen könne.
Und Sie legten ihr auch nahe, ihre Sammlung zu präsentieren?
Ich hätte sie gerne im Belvedere gezeigt. Aber dann musste ich gehen – nicht freiwillig, wie Sie wissen.
Man warf Ihnen die Missachtung der Compliance-Regeln vor.
Was auch immer. Später wurde das Leopold Museum spruchreif. 2018 wurde dort die Sammlung unter dem Titel „WOW!“ präsentiert. Zum ersten Mal war Heidi nicht mehr nur die Milliardärswitwe, sondern eine tolle Kunstsammlerin. Sie war beeindruckt, dass sich die Menschen an ihren Bildern erfreuten. In der Folge sagte sie: „Ich möchte ein Museum bauen.“ Das war für mich schon eine Herausforderung, weil ich wusste, dass sie schwer krank war. Es musste daher schnell gehen. Irgendwie war mir das Glück hold: Wir konnten das Stöckl-Gebäude im Hanuschhof kaufen. Auf meinen Vorschlag hin gab es einen geladenen Wettbewerb, den Next Enterprise gewann. Und während der Pandemie haben wir das Museum gebaut – in nur 22 Monaten.
Bei der Eröffnung im Juni 2022 konnte Heidi Horten nicht mehr dabei sein,
Aber sie hat die Feierlichkeit über den Bildschirm miterlebt. Ich bin am nächsten Tag nach Kärnten, habe sie besucht und ihr berichtet. Bei diesem letzten Treffen haben wir sogar noch ein Bild gekauft. Und fünf Tage später ist sie gestorben.
Was für ein Bild?
Heidi liebte Tiere, und daher gibt es in der Sammlung viele Tierdarstellungen. Vor einigen Jahren konnten wir „Rote Rehe I“ von Franz Marc kaufen, etwas später eine Replik darauf von Roy Lichtenstein. Und kurz vor Heidis Tod kam bei einer Auktion in Berlin ein kubistisches Bild von Stanislaw Kubicki zur Versteigerung, ein fantastisches Bild von einem fliegenden Storch. Das hab‘ ich ihr gezeigt. Sie gab ihr Okay, aber ihr Limit war zu niedrig. Heidi Horten war dann ganz enttäuscht, wurde fast böse. Ich fragte daher nach, ob es von dem Künstler noch andere Bilder gäbe. Und es gab tatsächlich noch eines im Nachlass – ebenfalls eine Replik auf die Rehe von Franz Marc. Es war tatsächlich das letzte Bild, das Heidi Horten erworben hat.
Sie hat für das Museum Vorsorge getroffen?
Die Sammlung und der Schmuck wurden in eine eigene Stiftung eingebracht, die Heidi initiiert hat.
Ein Teil der Juwelen wurde versteigert, die zweite Auktion aber abgeblasen – wegen Helmut Hortens „Arisierungen“ in der NS-Zeit.
Es wurde, wie Sie wissen, ein umfangreicher Historikerbericht in Auftrag gegeben. Helmut Horten war ein Profiteur, er war Parteimitglied, aber auch er verlor alles mit Kriegsende – und baute sein Imperium neu auf. Und Heidi bekam, wie gesagt, nach dem Tod von Helmut Horten nur ein Startkapital.
Was passiert mit den Juwelen?
Schmuck wird nicht schlecht. Es wird sich sicher zu einem gegebenen Zeitpunkt ein Käufer finden. Heidi Horten hat schon bei der Gründung der Stiftung darauf geachtet, dass ein Endowment vorhanden ist. Wir können die nächsten 200 Jahre über die Runden kommen.
Das werden Sie, obwohl auf Lebenszeit bestellt, nicht ganz schaffen ...
Der Vertrag ist unbefristet, aber ich will das nicht ewig machen. Ich will das Haus etablieren. Im ersten Jahr hatten wir knapp 100.000 Besucher. Ein beachtliches Ergebnis.
Wie groß ist die Sammlung?
Etwa 700 Werke. Wir dürfen auch weiter kaufen. Das ist toll.
Wie hoch ist Ihr Ankaufsbudget?
Über Geld spricht man nicht.
Dürfen Sie selbst entscheiden? Oder brauchen Sie die Genehmigung des Stiftungsvorstandes?
Ich habe einen Beirat, in dem auch der Stiftungsvorstand vertreten ist. Der sagt dann „ja“ oder „nein“, erfreulicherweise meistens „ja“. Aber wir kaufen keine Objekte um Millionen an, das ist auch nicht notwendig. Wir kaufen Werke, mit denen wir die Sammlung ergänzen oder bereichern.
Das Museum erfüllt öffentlich-rechtliche Aufgaben. Kann es sein, dass Sie irgendwann wegen Subventionen vorstellig werden?
Ausgeschlossen. Auch wenn wir sehr viel Vermittlungsarbeit leisten. Bereits im ersten Jahr hatten wir 10.000 Kinder hier. Diese Angebote sind kostenlos.
Obwohl die zweite Ausstellung Heidi Horten und ihrer Mode gewidmet war, weiß man wenig über sie.
Sie war extrem scheu und hat sehr zurückgezogen gelebt. Ich habe ihr immer wieder gesagt: „Heidi, die Leute müssen dich kennenlernen können!“ Sie hat mir dann so manches erzählt. Sie ist in einer bürgerlichen Familie aufgewachsen, ihr Vater war Graveur und sehr streng. Sie konnte gut Klavier spielen – und verdiente sich mit Klavierunterricht ein Taschengeld. Sie war Eiskunstläuferin und hatte einen legendären Trainer. Er wollte sie für eine Revue engagieren, was ihr Vater nicht erlaubt hat. Und so weiter.
Haben Sie mit ihr auch über Helmut Horten geredet?
Natürlich. Sie hat ihn ja mit 17 in Velden in einer Bar kennengelernt – und er war fast dreimal so alt. Und sie haben erst neun Jahre später, 1966, geheiratet. Heidi erzählte, dass er sie immer mit dem Flugzeug abholen ließ. Aber er hätte anfangs noch „viele andere Damen“ gehabt. Sie konnte darüber herzlich lachen.
Sie hatte unter ihm zu leiden?
Ich würde das so sehen. Er muss ein sehr zielgerichteter Mensch gewesen sein. Er hatte auch genaue Vorstellungen, wie seine Frau auszusehen hat. Er hat sie dominiert.
Was noch fehlt, ist eine Heidi-Horten-Biografie. Schreiben Sie diese?
Das habe ich ihr versprochen. Aber ich hatte noch keine Zeit.
Die dritte Ausstellung hieß „Rendezvous“ …
In den 70er-Jahren hat Heidi viel Zeit im Haus in Antibes verbracht, dort lag auch die erste Yacht, die Carinthia 4, vor Anker. Antibes und Saint Tropez waren für Heidi wichtig, denn in den Galerien kam sie zum Beispiel mit Pablo Picasso in Berührung. Und das hat sie sicherlich beeinflusst. Die französische Kunst stand daher im Mittelpunkt von „Rendezvous“.
Am 24. November geht es weiter – aber nicht mit einer Ausstellung über das Tier, wie ich vermutet hätte.
Wir waren nahe dran, aber dann, im September 2022, hat das Mumok die Ausstellung „Das Tier in Dir“ gebracht. Daher haben wir von dem Projekt Abstand genommen – und zeigen „We love“, ein Parcours durch die Sammlung mit fast allen Meisterwerken. Er beginnt mit Wien um 1900, mit Gustav Klimts „Unterach am Attersee“, und geht bis heute, wir zeigen auch die Neuankäufe. Danach kommt etwas ganz anderes: „Light, Sound and Senses“ – mit Lichtarbeiten unter anderem von Brigitte Kowanz und Olafur Eliasson. Aber wir werden sicher auch einmal eine Ausstellung über das Tier machen!
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