Das Ende der "Tangente": Keine Frage zum Pömpel von St. Pölten
Respekt. Paul Gessl, Chef der Niederösterreich Kulturwirtschaft (NÖKU), lud zum Pressegespräch – und eine Hundertschaft kam am Mittwoch trotz tristen Wetters ins neue KinderKunstLabor am Schulring von St. Pölten. Pressematerialien (in erster Linie Prospekte) wurden verteilt – in grellgrünen Leinensackerln der Tangente. Das „Festival für Gegenwartskultur“ war schließlich am 6. Oktober mit einem riesigen „Pömpel“ (so bezeichneten die Veranstalter die Saugglocke, die hierzulande eher als „Steßl“ oder „Hektor“ bekannt ist) zu Ende gegangen.
Doch bei der Pressekonferenz machte sich so gut wie niemand Notizen. Man lauschte bloß und spendete eifrig Applaus. Denn die Hundertschaft bestand vornehmlich aus lokalen Kunstschaffenden, Kulturmanagern und Beamten; von den überregionalen Tageszeitungen war – abgesehen vom KURIER – kein Vertreter erschienen. Das könnte man als Zeichen für die Bedeutung der Tangente interpretieren.
Man suhlte sich im eigenen Erfolg. Und dieses Wort fiel so oft wie kaum ein anderes. Doch um das Festival ging es nicht wirklich. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner sprach vom erfolgreichen Kulturjahr in Niederösterreich – von der Militärmusik in Grafenegg bis zu den Festspielen in Reichenau. Und Paul Gessl, Moderator der Matinee „Kultur St. Pölten 2024 – Rückblick und Ausblick“, bejubelte die „größte kulturpolitische Initiative seit der Gründung der Landeshauptstadt“: Man hätte das Konzept „Landesausstellung“ heuer über St. Pölten gestülpt und das „größte Regionalentwicklungskonzept ever“ umgesetzt.
Eben weil man die Jugendstil-Synagoge, die als Brandruine bis 1980 ein erschütterndes Mahnmal des NS-Terrors gewesen war, wunderschön renoviert hat: Da funkeln gülden die hebräischen Schriftzeichen aus der blütenweiß getünchten Mauer. Und weil man das innovative KinderKunstLabor, einen markanten Holzbau, eröffnet hat. Weil der Karmeliterhof des Stadtmuseums überdacht und der Alumnatsgarten, neu gestaltet, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Insgesamt seien über 70 Millionen Euro investiert worden, allein 15 Millionen verwendete man für die Neugestaltung des Domplatzes als Betonfläche.
Die Zusammenarbeit des schwarz-blau regierten Landes mit der roten Stadt hätte daher eine bisher nicht vorstellbare Qualität erreicht. Matthias Stadler, der Bürgermeister, konnte sich bei der „geschätzten Landeshauptfrau“ nichts als bedanken: In puncto Zusammenarbeit gebe es „fast keine Steigerungsstufe mehr“. Er schwärmte von den beiden Stadtfesten und dem Open-Air-Konzert der Tonkünstler. Und die gemeinsame „Reise“ werde weitergehen. Weil es, wie Mikl-Leitner meinte, gelungen sei, Bleibendes zu schaffen. Man sei daher geradezu „stolz“, das Kulturjahr derart erfolgreich über die Bühne gebracht zu haben.
Schützende Hand
Und auch sie bedankte sich – bei Gessl und Tarun Kade: Der eine hätte seine schützende Hand über die Tangente gehalten, der andere (als nachnominierter Leiter) stoische Ruhe bewahrt.
So ging es dann doch über das Festival. Gessl präsentierte zunächst einen „Kurzfilm“ mit den Highlights (eine Art Diaschau). Dies ermöglichte den Politikern, die Bühne zu verlassen. Und sie kamen nie wieder, ersparten sich mithin lästige Fragen zum ganzen „Pömpel“.
Dann läutete Gessl eine Talkrunde ein, zu Wort kamen u. a. Marie Rötzer vom Landestheater, Martha Keil von der Synagoge, Thomas Pulle vom Stadtmuseum und Mona Jas vom KinderKunstLabor. Mikl-Leiter hörte nur mit einem Ohr hin: Sie tippte eifrig ins Handy. Irgendwann wurde sie nervös. Denn mehr als eine Stunde war vergangen. 15 Minuten später ließ Gessl „Fakten und Zahlen“ präsentieren. Diese hatten es in sich: Die fünfmonatige Tangente (130 Projekte mit 450 Vorstellungen) hatte bloß 56.000 Besucher, das Budget von 17,6 Millionen Euro sei um eine Million unterschritten worden.
Und Stadler freute sich über ein Plus bei den Nächtigungszahlen von 26,5 Prozent. Die Frage, ob Touristen dafür verantwortlich waren oder die Tangente – es gab knapp 2.000 Mitwirkende, davon mehr als 800 von außerhalb –, blieb offen.
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