Meyerhoff lässt wieder die Toten fliegen

Durch das Lesen vor Publikum „entsteht eine ganz eigene Sicht auf das Geschriebene: es wird konkret“
Joachim Meyerhoff bringt einen Vorgeschmack auf sein neues Buch und liest eine ganze Woche lang.

An ungewöhnliche Titel sind Meyerhoff-Fans ja mittlerweile gewöhnt. "Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke" nennt sich nun der dritte Teil von "Alle Toten fliegen hoch", Joachim Meyerhoffs fantastischen Kindheits- und Jugenderinnerungen. Eine ganze Woche lang wird der Schauspieler und Autor Auszüge aus dem noch unveröffentlichten Manuskript seines neuen Buches, das im Herbst erscheinen soll, vorlesen. Die Lesungen im Burgtheater-Kasino, die ab heute bis Freitag stattfinden, waren in kürzester Zeit ausverkauft.

An sieben aufeinanderfolgenden Abenden erfahren jene Glücklichen, die Karten ergattern konnten, was nach der Kindheit auf dem Gelände einer riesigen Psychiatrie, dem Austauschjahr in Amerika und dem Ende der Schulzeit geschieht: Joachim wird auf der Schauspielschule in München angenommen und zieht zu seinen Großeltern in die großbürgerliche Villa in Nymphenburg.

Abenteuerlich

Seine Großmutter war selbst Schauspielerin und ist eine schillernde Diva, sein Großvater ist emeritierter Philosophieprofessor, eine strenge und ehrwürdige Erscheinung. Ihre Tage sind durch abenteuerliche Rituale strukturiert, bei denen Alkohol eine wesentliche Rolle spielt.

Tagsüber wird Joachim an der Schauspielschule systematisch in seine Einzelteile zerlegt, abends ertränkt er seine Verwirrung auf dem opulenten Sofa in Rotwein und anderen Getränken. Aus dem Kontrast zwischen großelterlichem Irrsinn und ausbildungsbedingtem Ich-Zerfall entstehen die den Erzähler völlig überfordernden Ereignisse. Die Unmittelbarkeit des Vorlesens ist Meyerhoff besonders wichtig, denn "erst durch die Konzentration des Vorlesens, durch die Reaktionen der Zuschauer, durch die Tatsache: Das findet genau hier und jetzt statt! entsteht eine ganz eigene Sicht auf das Geschriebene: es wird konkret".

Als Joachim Meyerhoff zu schreiben begann und erste Leseabende konzipierte, hat er dies für das Theater getan. Es entstand der sechsteilige Zyklus, der das Publikum begeisterte und 2009 zu einer Einladung zum Berliner Theatertreffen führte.

Diese Theaterabende waren die Grundlage für den Debütroman "Alle Toten fliegen hoch", es folgte "Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war". Beide Romane (erschienen bei Kiepenheuer & Witsch) beherrschten monatelang die Bestsellerlisten, wurden von Publikum und Kritik gefeiert. Es sind wahnwitzige, berührende Erzählungen, die die unglaubliche Doppelbegabung ihres Autors unter Beweis stellen: Meyerhoff ist als Erzähler ebenso hinreißend wie als Schauspieler.

Auf die Frage, was tatsächlich "wahr" sei, antwortete Meyerhoff im KURIER-Interview einmal: "Oft denkt man staunend an seine Biografie: Kann das überhaupt wahr sein? Oft sind die unwahrscheinlichsten Dinge wahr."

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