#MeToo: Die Männer sind wieder da
Das hat sich die #MeToo-Bewegung sicher nicht zu Weihnachten gewünscht. Just am 24. Dezember hat sich Kevin Spacey in der Öffentlichkeit zurückgemeldet, mit einem Video, mit dem er sowohl die Missbrauchsvorwürfe im realen Leben als auch seinen unrühmlichen Abschied aus der Serie House Of Cards thematisiert – und sich beider Angelegenheiten ermächtigt. Süffisant prangerte er „vorschnelle Schlüsse“ ohne Beweise an, ebenso die Liebe des Publikums zum Bösewicht und die Lust am Skandal. Da war er wieder, der weiße ältere Mann, der sich seiner Verfehlungen brüstet – und Unangreifbarkeit signalisiert, auch wenn er vor groben juristischen Problemen steht.
Da war es wieder, das Fossil, das wir so lange gesellschaftlich mitgeschleppt haben, dessen sich die aufstehenden Frauen (und Männer) nun endlich entledigen wollten.
Und Spacey ist nicht der einzige Mann, der wieder da ist.
Der Jahresbeginn bringt die Ahnung dessen, wie die Konterrevolution in Übergriffsfragen aussehen könnte. So mancher, den dementsprechende Vorwürfe einen Job gekostet haben, kehrt nämlich nun zurück.
John Lasseter etwa, der frühere Kreativ-Chef von Pixar und der Animationsstudios von Walt Disney, hat nach einer Auszeit wegen Belästigungsvorwürfen einen neuen Job gefunden. Der 61-jährige Oscar-Preisträger wird Leiter der Animationsabteilung der Firma Skydance Media, wurde am Mittwoch bekannt. Was prompt für recht heftige Diskussionen sorgte.
Lasseter hatte sich nach den Vorwürfen entschuldigt. Es ging um aufdringliche Nähe (nicht um Vergewaltigungsvorwürfe oder Übergriffe auf Minderjährige, wie bei Harvey Weinstein oder R. Kelly). Es gab keine Verurteilung – obwohl das Pochen auf gerichtliche Klärung solcher Fälle immer ein missverständliches Argument ist und vor allem von jenen verwendet wird, die keine andere Defensivstrategie mehr haben. Im Arbeits- oder privaten Umfeld sind auch Handlungen zu recht geächtet bzw. ein Kündigungsgrund, die nicht strafbar sind.
So, wie bei Lasseter, der nach Meinung einiger im Business genug gebüßt hat. Was gerade in der Filmbranche doch ein deutliches Signal ist, dass sich etwas in die Gegenrichtung tut. Denn im Film konnten viele mächtige Männer ihre Karriere nicht retten – und waren sich dessen bewusst genug, um nicht auch noch im Abgang ihre Firma oder ihren Ruf endgültig abzufackeln.
Ganz im Gegensatz zur Klassikbranche: Hier wurde großflächig versucht, Vorwürfe auszusitzen oder niederzuklagen. Und die Dirigenten Daniele Gatti oder auch Charles Dutoit – beide mit Vorwürfen konfrontiert, die sie leugneten – hatten nur einen minimalen Karrierenknick erlebt, bevor sie wieder im Geschäft standen. Der Normalbetrieb zählt in der genieverliebten Klassik mehr als die kritische Selbstsicht.
Schwappt diese Renitenz der Mächtigen nun auch auf den Rest der Kultur über? War es das mit dem Abgesang auf die übergriffigen alten Männer? Wollen wir sie wirklich zurück?
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