Wie das Verhältnis zwischen ÖVP und ORF erkaltete
Die Entfremdung zwischen ÖVP und ORF schreitet rasant voran: Am Mittwochabend sah man einen höchst irritierten Kanzler in der „ZiB2“ sitzen: Karl Nehammer war mit den Fragen von Moderator Martin Thür überhaupt nicht einverstanden. Das Interview geriet zum Streit zwischen Politiker und Journalist. Das gipfelte im Vorwurf, Thür würde lachen, was die Regie nicht zeigte. Ein symptomatischer Tiefpunkt in der Beziehung der Kanzlerpartei zum Küniglberg.
Der ORF könnte wohlwollende Stimmung jedenfalls brauchen: Seit einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zur Einhebung der Rundfunkgebühr braucht der öffentlich-rechtliche Riese nämlich wirklich etwas Substanzielles von der Politik.
Kanzler Nehammer zur Regierungsarbeit
Der VfGH hat die GIS-Gebühr für Radio und TV-Empfangsgeräte ab 2024 für rechtswidrig erklärt. Bis dahin muss die Regierung eine Neuregelung finden, die berücksichtigt, dass immer mehr Haushalte den ORF ausschließlich über das Internet konsumieren.
Das Vorhaben kam zur Unzeit: Die steigenden Energiekosten und die allgemeine Inflation drohen das Unternehmen zu erwürgen. Zwar wurden die Gebühren 2022 angehoben, allerdings mit einer viel niedrigeren Inflationsrate: 1,55 Prozent beträgt die durchschnittliche Steigerung. Demgegenüber stand im letzten Quartal eine zweistellige Inflationsrate.
In Zahlen: Dem Vernehmen nach sind gegenwärtig ein Minus von 70 Millionen Euro für 2024, ein Minus von 90 Millionen für 2025 und Verluste in der Höhe von 130 Millionen Euro für 2026 prognostiziert.
Erpressungsvorwurf
Dass diese Zahlen durchsickerten, nimmt die ÖVP Weißmann sehr übel. Man fühlt sich erpresst, wird hinter den Kulissen ventiliert. Der ORF solle doch bitteschön sparen, statt mehr Geld zu verlangen.
Das steht im Gegensatz zur ORF-internen Wahrnehmung: Dort wurden für das Vorjahr und heuer alle Maßnahmen ausgeschöpft, die nicht das Programm betreffen: Darunter sind Sachkostenreduktionen, Energiesparmaßnahmen, eine äußerst moderate Lohnrunde und Aussetzen der Pensionskassenbeiträge. Streicht die Regierung den Topf, der bisher aus der GIS kam (rund 660 Millionen Euro), herunter, wird über Einsparungen bei Kultur, heimischen Produktionen und Sport nachgedacht. Verwiesen wird intern auch darauf, dass weder ORFIII noch ORF sport + gesetzlich verpflichtend sind.
Dazu kommt, dass die Zeit drängt: Um ein Budget für 2024 zu erstellen, braucht Weißmann ab März Klarheit, wie die künftige Regelung aussehen wird und wie viel Geld ihm jährlich zur Verfügung steht. Bei der Regierungsklausur ließ man das Thema demonstrativ unbearbeitet. Dafür kam der Kanzler zum Showdown ins „ZiB2“-Studio. Medienpolitik, beinhart.
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