"Wetten, dass..?": Ein Wettkönig namens Lützi
* Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends*
„Männer ab einem gewissen Alter neigen dazu, auf dem Sofa vor dem Fernseher einzuschlafen“, sagt Thomas Gottschalk beim zweiten „Wetten, dass..?“-Revival. Er sei „hoffentlich nicht der erste Mann, der im Fernsehen auf der Couch einschläft“.
Die Wette hätte er gewonnen.
Wir können es spoilern: Gottschalk hat nur 18 Minuten überzogen und ist nicht eingeschlafen.
Das Wort „spoilern“ hat Gottschalk am Samstagabend sogar selbst einmal verwendet - wenngleich er sich sonst eher einer alten Welt vor Internet und Streaming zugehörig zeigte.
Wetten, dass..? erklärt
In der neuen Streaming-Welt gibt es ja Online-Artikel der Sorte „Die neue Staffel erklärt“, oder: „Das Ende erklärt.“
Vielleicht muss man auch „Wetten, dass..? erklärt“ einführen.
Den Jüngeren muss man wahrscheinlich Musik-Kassetten und Herbert Grönemeyer erklären, den Älteren Streamingdienste und Tate McRae. Robbie Williams muss man anscheinend niemandem erklären, bei seinem Auftritt gehen sämtliche Handy-Lampen in der Messehalle 1 in Friedrichshafen an.
Eine gesamte TV-Kritik könnte man allein mit Gottschalks Auftrittsapplaus füllen. Angekündigt wird er als „Mann der ganz großen Show“.
"Man musste länger warten, offenbar hat es sich gelohnt“, sagt er. „Hier ist Wetten, dass..?!“
Als der Applaus nicht abebben will, sagt Gottschalk: „Ich bin’s doch nur.“ Oder: „Heute früh war Olaf Scholz da, heute Abend ich. Ihr wisst, wie man sich steigert.“
Mittlerweile muss man auch Gottschalks Witze erklären.
Alte Männer
Manche Witze sind aber auch gewohnt platt. Beim Auftritt von Co-Moderatorin Michelle Hunziker sagt er: „Neben ihr ist noch keiner eingepennt.“ Dass sei der Grund, warum sie neben ihm auf der Couch sitzt. Alte Männer und beim Fernsehen einschlafen und so.
Die Leute vor den Fernsehgeräten will Gottschalk offenbar in bewährter Manier mit seiner Garderobe wach halten. Ein purpurfarbener Leopardenanzug ist es diesmal. Hunziker erscheint im weit ausladenden pinken Abendkleid.
„Wir haben uns nicht abgesprochen!“ - Ein Klassiker. Fast so klassisch ist wie die Formel: „Top, die Wette gilt!“ Die sagt der große Blonde jedes Mal mit besonderem Vergnügen.
Hunziker regt dann zu philosophischen Fragen an. Sie sagt: „So eine Unterhaltungsshow gibt es nur hier noch in ganz Europa.“
Daher überlegen wir kurz: Gibt es diese Show tatsächlich noch? Nur, weil wir nun offenbar jedes Jahr vor der Weihnachtszeit daran erinnert werden, wie diese Show einmal war? Oder ist auch das nur geträumt? Sind wir gar schon eingeschlafen ..?
Gottschalk zerstreut solche Gedanken in Windeseile - wobei wir die Formulierung „Windeseile“ bei dem Tempo, das er mittlerweile anschlägt, lieber gleich wieder streichen.
Sixpack-Doktor
Jedenfalls witzelt er über seine Partnerin Karina (im Publikum), und dass der ZDF-Intendant (im Publikum) "fast genauso wichtig" sei. Er witzelt über Hunzikers Privatleben, ihren „Sixpack-Doktor“ und dass sie nun "zu Tomaso" zurückgekehrt sei. Nein, nicht Signore Trussardi, sondern zu ihm, dem Thomas, auf die Wettcouch.
Dort sollen auch Bully Herbig und Christoph Maria Herbst Platz nehmen. Sie tratschen aber zunächst im Stehen mit „LOL 3“-Kollegin Hunziker. Gottschalk sitzt schon.
„Sollen wir uns hinsetzen?“, fragt Bully.
„Klar“, meint Gottschalk.
Recht hat er, der Gottschalk. Wozu ist eine Wettcouch denn auch gut? Nicht nur zum Wetten, auch zum Sitzen.
Michelle Hunziker, 45, wird übrigens Oma. Hat sie selbst gesagt.
Baggerwette mit Ei
Es geht weiter mit Eier anstechen. Das macht eine Baggerfahrerin aus Österreich, die den Bagger auf einer der beiden Baggerraupen balanciert. Gottschalk fasziniert das. Nicht wegen Balancieren, nicht wegen Österreich, sondern wegen Baggerfahrerin. Offenbar sitzt zum ersten Mal eine "emanzipierte Frau" (© Hunziker) im obligaten Bagger.
Gottschalk gibt der österreichischen Baggerfahrerin Sandra sogar einen Handkuss, der ist aber nicht von der alten Schule, das wäre gehaucht. Gottschalks Lippen pressen sich stattdessen auf den Handrücken.
Der Auftritt von Robbie Williams - zuerst singt er einen neuen Song, dann „Angel“ - ist natürlich ein emotionaler Höhepunkt. Das empfinden auch die Kinder zuhause vor dem Fernseher so. Ihr TV-Tagebuchschreiber darf anmerken, dass er die Gelegenheit genützt hat, die Kinder wegen „Wetten, dass..?“ länger aufbleiben zu lassen. So wie er es früher erlebt hat. Ein historischer Moment im Wohnzimmer!
Im Fernseher sieht man ein Transparent mit der Aufschrift: „Wir wollen auf ein Konzert von dir!“
Früher hieß es bei Robbie Williams-Auftritten eher: „Wir wollen ein Kind von dir!“
Die Ansprüche haben sich geändert.
Zwillinge
Die nächste Wette handelt von Zwillingsmädchen, die einen riesigen Haufen Teddybären zuhause haben. Die sehen alle gleich aus, also die Teddybären. Die Zwillingsmädchen sind aber der Meinung, dass sie alle auseinander halten können und stellen das auch noch unter Beweis. Die erkannten Bären heißen Marion, Luis, Elisa, Lukas - "oder Björn?“
Gelächter im Publikum.
Begleitet wird das von zwei anderen Zwillingsmädchen, Lisa und Lena Mantler, sie sind Influencerinnen.
Gottschalk ist wieder fasziniert. Davon, dass Influencerinnen nicht nur Selfies mit dicken Lippen machen. Er bietet als eine Art Wetteinsatz an, die beiden könnten „onlinemäßig beliebig über mich verfügen“.
"Für diese Sendung tue ich alles“, sagt er. Das muss man ihm auch wirklich zugute halten.
Gottschalk spricht vom „Friedensschluss von Friedrichshafen“, posiert mit Lisa und Lena. „Fernsehen und Online liegen sich in den Armen“.
Gottschalk vergisst, dass Fernsehen schon längst seinen Frieden mit Online gemacht hat.
Die beiden dürfen noch ein bisschen Werbung machen. Lisa sagt über ihre „Tick Tack“-Sendung auf KikA: „Wir haben tolle Themen: Europa, Migration und Urlaub. Schaut einmal rein.“
Nach dem Auftritt von Jungstar Tate McRae (19) weist Gottschalk darauf hin, dass die Mutter der Sängerin Deutsche ist.
Obligat daher die Bitte um ein paar Takte Deutsch.
McRae meint, sie könne eigentlich nur das sagen: „Haben Sie glutenfreies Essen?“
Sprache geht offenbar auch durch den Magen.
Die Fans werden langsamer
Robbie Williams ist dann wieder da, auf der Wettcouch, bevor der Flieger geht. Das ist auch ein Klassiker.
Er liefert einen sympathischen Auftritt ab und scherzt auch über seine halt älter gewordenen Fans: „Wenn die mir hinterherlaufen, sind sie mittlerweile langsamer.“
„Wetten das…?“ Im Jahr 2022 ist herrlich retro, aber auch ein bisschen traurig. Das ZDF pumpt das Ganze mit großem Show-Brimborium auf, um solche Widersprüche einzuebnen.
In der nächsten Wette geht es darum, dass der Kandidat Brettspiele daran erkennt, wie sie sich beim Ausschütten anhören.
„Warum?“ fragt sich Williams.
„Wenn man sich diese Frage stellt, muss man sich diese Sendung nicht ankucken“, antwortet Gottschalk. Das ist wahrscheinlich Gottschalks bester Witz an diesem Abend.
Der Kandidat beantwortet die Warum-Frage selbstbewusst wie ein früher österreichischer Kanzler: „Weil ich’s kann.“
Trotz "mittlerweile betrugssicherer Brille" erkennt der Kandidat alle Brettspiele am Schüttgeräusch.
Hunziker sagt: „Thomas pass auf, deine Hose!“
Man erfährt nicht, was damit gemeint ist.
Fliegende Handys und Wackelpudding
Die nächste Wette ist die Außenwette. Zwei Männer fahren auf einer monströsen Achterbahn, der vordere wirft Handys in die Luft, der hintere soll sie während der Fahrt fangen. Das klappt leider nur ein Mal, aber das ist schon unglaublich genug
Veronica Ferres, ihre Schauspielende Tochter Lilly Krug und John Malkovich hätten sich mehr erwartet. Zur Strafe müssen alle drei Wackelpudding essen. Einer habe Fischgeschmack, meint Gottschalk. Diese Behauptung zieht das Wackelpudding-Essen unnötig in die Länge. Die Bestraften sitzen da wie bei einer Dschungelprüfung und ziehen Grimassen.
Ferres hatte noch dazu angegeben, vegan zu sein. Diesen Einwand führt Gottschalk eher auf den angeblichen Fischgeschmack zurück. Dass Wackelpudding meistens aus tierischen Produkten hergestellte Gelatine enthält, daran denkt der Showmaster nicht.
Das gilt übrigens auch für Gummibären. Darin sollte Gottschalk nun wirklich Experte sein.
Die Inspiration zur etwas peinlichen Einlage holte man sich übrigens von Malkovich, der vor vielen Jahren eine viermonatige Wackelpudding-Diät eingelegt hatte. Hierfür gilt auch die bei der Achterbahnwette ausgesprochene Warnung: „Bitte bitte nicht zuhause nachmachen!“
Die Wackelpuddinge in der Show sind übrigens alle mit süßem Geschmack.
Killerblick
Beim nächsten Wett-Block sitzen die deutschen Nationalspielerinnen Alexandra Popp und Giulia Gwinn auf der Couch.
Popp sei doch „eine aparte und umgängliche Frau“, meint Gottschalk, wenn sie nicht gerade ihren „Killerblick“ auf dem Fußballfeld aufsetze.
Bei männlichen Fußballern würde man so etwas wohl nie sagen.
Aber dass man vor dem Start einer Männer-Fußball-WM zwei Frauen einlädt, hat wiederum auch wieder was für sich.
Gottschalk zeigt sich aber weiterhin so stilvoll wie sein Leopardenanzug. Hunziker moderiert die nächste Wette an, erklärt die Sache mit dem Fingerabdruck-Scannen kurz und meint, die ist „wirklich spektakulär“, das werde man schon sehen.
Gottschalk: „Vor allem, wenn ich es erklärt habe.“
Schlimme Finger
Ein netter 3-D-Grafiker mit Dutt kommt herein, er kann mit freiem Auge Dutzende nebeneinander liegende Fingerabdrücke innerhalb einer Minute so gut scannen, dass er einen, der ausgetauscht wurde, lokalisieren kann.
Gottschalk wirkt dann so, als habe er zum ersten Mal im Leben ein Tablet in der Hand, darauf ist angeblich sein eigener Fingerabdruck groß abgebildet. Datenschutz wird hier offenbar auch nicht großgeschrieben.
Es folgt noch ein Herrenwitz über Hunzikers Fingerabdruck. Den habe „Eros noch immer auf seinem Bauch“, sagt Gottschalk.
Der Mann mit dem Dutt erkennt mit seinem „Kreuzblick“ nicht nur den Abdruck mit dem „speziellen Hunziker-Haken“, sondern auch alle anderen. Die Maserung des Abdrucks der Fußballerin Gwinn findet er übrigens „wunderschön“.
Lützi bleibt
Dann wird „Wetten, dass..?“ so politisch wie schon lange nicht mehr. Der nette Mann mit dem Dutt sagt, er wolle, falls er Wettkönig werde, das Geld seinem Heimatort Lützerath zukommen lassen, damit der vielleicht gerettet werde.
Aus dem Publikum hört man laute Rufe: „Lützi bleibt! Lützi bleibt!“
Die Lützi-Geschichte, kurz erklärt: Der Weiler in Nordrhein-Westfalen soll abgebaggert werden, um die darunter liegende Kohle zu gewinnen. Also ein Opfer der in der Energiekrise ausgerufenen Rekarbonisierung in Deutschland. Klima-Aktivisten wollen "Lützi" retten.
Das erinnerte ein klein wenig an das Jahr 1984, als Umweltaktivisten aus Österreich vor dem damaligen Bundeskanzler Fred Sinowatz ein Transparent enthüllten. Damals sollte die Hainburger Au gerettet werden.
Der Lützi-Aktivismus des Dutt-Trägers wirkt jedenfalls äußerst sympathisch. Findet auch Thomas Gottschalk.
Grönemeyer und ein Kaiser
Dann kommt Herbert Grönemeyer. Der Star aus dem Ruhrpott greift den Lützi-Aktivismus nicht auf, spricht aber über die nicht so faire Verteilung der Einkünfte der Musikstreamer.
Es folgt noch eine Fahrradwette. Ein junger Mann will so lange auf dem Hinterrad seines Bikes hüpfen, bis seine Familienmitglieder ausreichend Kisten unter ihm platziert haben, damit er eine Plattform in beträchtlicher Höhe erreichen kann. Der Vater des Radlers heißt Roland Kaiser.
Grönemeyer glaubt an den Radler, nicht wegen Roland Kaiser. Falls er sich irrt, werde er eine große Berliner Tafel (Institutionen, die Essen für sozial bedürftige Menschen bereitstellen) für einen Monat finanzieren.
Der Radler fragt, ob er die Wette jetzt verlieren soll. Er kennt offenbar die ungeschriebene „Wetten, dass..?“-Regel nicht, dass solche Wetteinsätze in jedem Fall eingelöst werden.
Aber, was soll’s, der Radler schafft es tatsächlich. Grönemeyer unterstützt die Tafel. Und zum Abschluss darf Gottschalk auch noch verkünden: „Lützerath ist gerettet.“
Der Mann mit dem Dutt wird Wettkönig. Eigentlich ist Lützi Wettkönig.
Eingeschlafen
Bully und Christoph Maria Herbst müssen noch Can-Can tanzen.
„Das war eine fantastische Sendung, Thomas!“ sagt Michelle Hunziker. „Du hast nicht mal ganz lang überzogen.“
23:38 ist es. Schön, dass wieder einmal „Wetten, dass..?“ war. Die Kinder des TV-Tagebuchschreibers sind inzwischen längst eingeschlafen.
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