Hier wurde die Weltpolitik auf das Format deutscher und österreichischer Wohnzimmer gebracht, sodass sie zwischen Fernsehapparat und Couch passte. Hier wussten viele Weltstars nicht, wie ihnen geschieht, und die Zuseher zumeist auch nicht.
Und lange bevor jeder in den Sozialen Medien seine eigene Personality-Show aufzuführen begann, versprach "Wetten, dass ..?" den normalen Menschen 15 Minuten Ruhm – vorausgesetzt, sie konnten mit einem Bagger Bierflaschen öffnen oder die eigenen Kühe am Schmatzen erkennen.
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Zusammengehalten hat all dies Thomas Gottschalk. Er hat sich die Sendung 1983 erobert, als er eine phänomenale Performance als Außenreporter bei einer Wette hinlegte. Aus 80 Metern wollte einer dem anderen eine Weintraube in den Mund werfen. Das misslang zwar, aber Gottschalk lieferte währenddessen eine Pointe nach der anderen. Die beste: Maria Schell, Wettpatin, hatte angekündigt, sollte sie verlieren, mit Plácido Domingo ein Duett singen zu wollen. Als nun ein Flugzeug über das Gelände der Außenwette flog, rief Gottschalk, er höre "ein Flugzeug vorbeikommen. Das ist Plácido Domingo auf der Flucht." Vier Jahre später gehörte die von Frank Elstner erfundene Sendung ihm.
Onkel der Nation
Und der große Mann mit dem Boomerschmäh und der angenehmen Stimme sollte dank dieser zum Fernsehonkel der Nation werden, einer, bei dem man sich vor jedem Familienfest fragte, ob er sich denn heute ein bisserl oder ein bisserl viel danebenbenehmen werde. Böse aber war ihm niemand: Gottschalk lieferte genau das Maß an Abenteuer, das das Land am Samstagabend noch aushielt. Selbst seine modischen Experimente waren dermaßen wohlkalkulierte Aufmüpfigkeit, dass auch die Großeltern am Schirm eher schmunzelten als Beschwerdebriefe schrieben.
Gottschalk also rief zum damals noch lodernden "TV-Lagerfeuer", und alle kamen: Bei "Wetten, dass ..?" umarmten einander der Mann, der wenige Jahre zuvor die Sowjetunion geöffnet hatte, und der Terminator.
Die größten Popstars von Paul McCartney bis Tina Turner saßen auf der Couch, und Gottschalk erarbeitete sich seinen Ruf: Er war der Small-Talker, bei dem immer auch der Schalk und die Anarchie ums Eck schauten. Der Mann im Scheinwerferlicht, der seinen Ruhm und die Nähe zu den Stars sichtlich genoss. Und er war der Psychotherapeut des deutschsprachigen Raums, bei dem Menschen auf der Couch plötzlich ganz neue Seiten an sich erkannten.
Gottschalk ist längst auch das bekannteste Relikt aus einer ganz anderen Zeit. Die Fernsehwelt hat sich weitergedreht: 15 Millionen Menschen sahen damals am Samstagabend in Deutschland zu, das ist heute natürlich undenkbar. Sieht man alte Shows, ist man fasziniert von der Entschleunigung, aber auch von all den Dingen, die heute kaum möglich wären.
Das weiß auch der Moderator, der immer schon auf contra gebürstet war: "Bevor ich nur noch Shitstorms erzeuge, weil ich Frauen ans Knie fasse, höre ich lieber auf", sagte er im Interview mit der Zeit. Nun also sollte es wirklich soweit sein. Die Fernsehwelt hat sich weitergedreht. Und darf sich bei Gottschalk bedanken.
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