Die Serie steuert kommenden Mittwoch auf ihr großes Finale zu: Staffel fünf ist in den 1990ern angekommen (bisher waren die Erzählungen eher historischer Natur). Und hier regt sich Widerstand gegen kolportierte Handlungsstränge.
Als Hauptprotagonistin dient ausgerechnet die hoch britische Grande Dame des Schauspiels, Judi Dench (87). Sie forderte jüngst von Netflix ein, die Serie deutlich als „Fiktion“ zu kennzeichnen. Und überhaupt: Wo bleibe da der Respekt vor dem Wirken einer Frau, die ihr Leben 70 Jahre in den Dienst des Königreichs gestellt hat?
"Grausam und ungerecht"
Dench veröffentlichte dazu einen viel beachteten offenen Brief an Netflix, in dem sie auf zwei kolportierte Handlungsstränge von „The Crown“ Bezug nimmt: Einer davon besagt, dass sich der heutige König, Charles III, in den 90er-Jahren gegen seine Mutter verschworen habe, um sie zum Abdanken zu zwingen.
Auch die angeblich in der Serie platzierte Aussage, Charles habe befunden, seine Mutter hätte für ihren schlechten Erziehungsstil „eine Gefängnisstrafe verdient“, bringt Dench auf die Palme. Die Handlungsstränge seien „grausam ungerecht“, hielt sie fest. Viele Seher würden verleitet, den Darstellungen glauben zu schenken, vor allem „in Übersee“, also den USA.
Auch der ehemalige britische Premierminister John Major distanzierte sich von der Serie. Er wird als Teil der angeblichen Verschwörung gegen die Queen in den 90er-Jahren dargestellt (der konservative Major war von 1990 bis 1997 Premierminister).
Netflix beharrt darauf, dass man ohnehin von einem „Drama“ rede.
Ganz unberührt ist man beim Streamingdienst von den Vorgängen aber offenbar nicht: Eine „Dokuserie“ über Prinz Harry und Meghan Markle wurde verschoben, berichtete das US-Branchenportal Deadline. Posthum kann sich die Queen offenbar auf ihre Untertanen verlassen. Ihr Ruf gilt auch nach dem Tod etwas.
Der Queen noch einmal nahe sein
Sam Blackmore zählt die Tage: Noch drei Mal schlafen, dann kann sie wieder in die Welt der Königsfamilie eintauchen. Am liebsten würde sie die fünfte Staffel „The Crown“ auf einen Sitz schauen – „und alles andere darüber vernachlässigen“. Die 45-jährige Mutter aus Bournemouth lacht. „Aber ich werde mich natürlich zusammenreißen“ – sie blickt auf ihre Teenager – „und es auf eine Woche hinauszögern.“
Bis es so weit ist, ist sie der Königsfamilie auf anderem Weg nahe. Mit ihren Kindern und Freundin Amy King steht sie an diesem Nachmittag in der Schlange vor Schloss Windsor.
Der Herbst mit seinen Schulferien um Allerheiligen ist stets eine starke Besucherzeit in dem royalen Städtchen westlich von London, doch dieses Jahr „ist es nicht normal“, meint ein Souvenirverkäufer, der die Tassen, Geschirrtüchern und Jutebeutel mit Konterfei und Lebensdaten der Königin gut sichtbar im Schaufenster platziert hat.
Am 22. September hat das Schloss nach der offiziellen Trauerzeit seine Tore wieder für Touristen geöffnet. Neben den Staatsräumlichkeiten kann man in der St. George’s Chapel nun auch die letzte Ruhestätte der Königin besichtigen. „Wir mussten arbeiten, als der Sarg in Westminster aufgebahrt war und wollen nun unseren Respekt zollen“, sagt Amy King. Sie ist zwar keine Monarchistin, aber dieser Besuch muss dennoch sein. So geht es vielen.
Die Kanadierin Leslie Hawkins hatte die Reise nach Südengland zwar bereits vor dem Ableben der Königin gebucht, der Ausflug nach Windsor war nun selbstverständlich. „Sie war auch unsere Königin“, sagt sie. „The Crown“ würde sie ebenfalls deshalb verfolgen: Um Einblicke, in diese elitäre Welt zu bekommen, die man von außen so gut kennt.
73 Millionen Haushalte haben seit 2016 die dramatisierten Höhen und Tiefen von Königin Elizabeth in den Bann gezogen. „Obwohl“, räumt Leslie Hawkins ein, „ich mich in letzter Zeit schon frage, was die Motivation der Filmemacher ist.“ Immer lauter wird aus Palastkreisen die Kritik, dass die neue Staffel mit ihrem Fokus auf die brisanten 90er-Jahre so knapp nach dem Tod der Königin ausgestrahlt wird.
Respekt zollen
Die Britin Samantha Robinson weiß nicht, ob sie die Serie weiterschauen kann. Sie steht mit ihrem vierjährigen Sohn Archie am hinteren Schlosstor. „Wieso ist da immer noch ein Soldat, wenn die Königin tot ist?“, fragt er, und seine Mutter erklärt ihm, dass es ja nun König Charles gebe. Sie hätten zum Ableben der Königin das erste Mal über das Thema Tod gesprochen. „Die Queen war ja die bekannteste Person, die er kennt.“ Und da wolle man Respekt zollen, auch wenn das heißt, eine Serie, die man genossen hat, auszulassen. Doch viele wollen genau diesen Teil der Geschichte verfolgen.
Aufregung liegt in der Luft, als sich die Gäste den Weg vorbei an Orgel und Altar bahnen. Und dann sieht Sam Blackmore die schwarze Platte in dem Alkoven; die Namen frisch eingraviert. Ohne es zu wollen, rinnen Tränen. Ein historischer Moment, den sie festhalten möchte. Und genau das habe „The Crown“ ja getan.
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