Seine Reden werfen unablässig jene Zornköder und Angstbilder aus – Ausländer, Eliten, Gendern, schärfere Waffengesetze –, anhand derer sich die Menschen in den sozialen Medien emotionalisieren. Diese Bereitschaft zur Aufregung, die auf allen politischen Seiten gleich funktioniert, wenn auch anhand anderer Themen, schien bisher eigentlich ungebrochen. Das sieht man auch hierzulande nach jedem „Sommergespräch“.
So, lernten Politiker zuletzt, gewinnt man Wahlen.
„Eigenartig“
Und doch wird die Last-Minute-Präsidentschaftskandidatin Harris vor allem in den sozialen, aber auch in den klassischen Medien als jene positioniert, die diese allgemeine Wutlust, ja Wutsucht zur Vergangenheit erklärt.
Das Negativgejammere, die Rückabwicklung von Frauenrechten, die Untergangsszenarien und der Streit seien doch – das bisher erfolgreichste Schlagwort des Wahlkampfs – schlicht „eigenartig“, wird kommuniziert. Und das, zumindest laut Umfragen, mit einigem Erfolg. Dass die monothematischen Jahre des Zorns politisch ausgeschöpft sein könnten und hier ein konstruktives, erfolgreiches Gegenkonzept der politischen Kommunikation entstehe, wäre eine tiefgreifende Veränderung.
Und diese Idee ist sogar in Österreich, wo gewöhnlich alles ein bisschen später erkannt wird, bereits vorstellig geworden: Selbst die Kickl-FPÖ, eigentlich bekannt für weniger konstruktive Slogans wie „Daham statt Islam“, wirbt aktuell mit „5 guten Jahren“ und ähnlichem Positiven.
Sollte dies dauerhaft Fuß fassen, dann fände sich ein Vorreiter, eine Vorlage dieser Kehrtwende weg vom Zorn an völlig unerwarteter Stelle: im US-Serienfernsehen nämlich, bei „Ted Lasso“.
Die Serie handelt vorderhand von einem Football-Coach, der – ahnungslos – in England zum Fußballtrainer wird. Aber eigentlich dreht sich „Ted Lasso“ um etwas ganz anderes: darum, wie bemerkenswert, beglückend und, ja, letztlich rührend es ist, wenn Menschen trotz aller Probleme und Widrigkeiten und Traurigkeiten einfach nett und normal miteinander umgehen. Damit ist nicht die politisch instrumentalisierte Normalität – du bist nur normal, wenn du auch Schnitzel isst – gemeint. Sondern die Art, wie Menschen miteinander umgehen, wenn sie nicht bereitwillig jede Gelegenheit zur Empörung, zur Feindbildung aufgreifen.
Mit Gefühl
Ted Lasso, gespielt von Jason Sudeikis, lässt jene anrennen, die ihn wegen seiner anfänglichen Ahnungslosigkeit bezüglich Fußball demütigen wollen. Er bringt seiner Chefin jeden Morgen Kekse mit. Schaut den Spielern freundlich dabei zu, wie sie sich durch ihre großen Fußballeremotionen durcharbeiten und am Schluss erkennen, dass das jetzt alles auch nicht so dramatisch ist. Er durchlebt die Verzweiflung einer Scheidung ebenso wie sportliche Siege und Niederlagen, weil das halt nun mal so ist im Leben. Normal halt.
Fernsehen erzählt im besten Falle Geschichten über uns. Dass „Ted Lasso“, eigentlich auf einer dunklen Note mit der dritten Staffel beendet, nun eine vierte bekommen soll, ist nicht nur gut für die Fans der Serie. Es ist auch ein interessantes Experiment: Ob nämlich diese Idee vom zornfreien Leben von Dauer sein kann. Insofern: Die vierte Staffel möge, bitte, gut sein. Wenn nicht, macht es auch nichts.
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