SPÖ-Streit im ORF: "Willi Wunderwuzzi" saß nicht am Runden Tisch
* Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends*
Sie wollen einander „vorerst“ nichts über die Medien ausrichten, meinten Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil. Diese Botschaft aus der SPÖ richtete Armin Wolf in der „ZiB 2“ aus. Peter Filzmaier bezeichnete das als verpasste Chance, im TV-Studio Geschlossenheit zu zeigen.
Da musste er aber fast selbst lachen. Er sagte wörtlich: „So sehr ich mich freue, Sie heute zu sehen, Herr Wolf, natürlich hätten eigentlich beide geschlossen in der ZiB 2 auftreten sollen, allerdings nur, wenn sie nicht auf offener Medienbühne streiten, und sie hätten genau das getan.“
Es gebe zwar die Variante, dass der Meinungsbildungsprozess der Partei auch mehr Medienpräsenz mit ihren Inhalten verschaffe, aber das sei sehr „zweifelhaft“. Denn bereits nach der entscheidenden SPÖ-Sitzung man die Chance verpasst, etwa um 19:30 zur besten Sendezeit gemeinsam vor die Medien zu treten.
Filzmaier zum Ausgang der SPÖ-Sitzung
Volkssport
Filzmaier redete sich ziemlich in Form. Er sprach vom „bisherigen Volkssport in der SPÖ, sich gegenseitig Hackln ins Kreuz zu werfen“, das habe man auch beim Parteitag 2021 gesehen, als Rendi-Wagner von einem Viertel der Delegierten gestrichen wurde, aber ohne vorherige Ankündigung, sondern nach dem Motto: "Ätsch, Überraschung!“
Bei einem sehr knappen Ergebnis der Mitgliederbefragung, säße die Partei „noch mehr im Scheibenkleister“. Denn dann könnte etwa beim nachfolgenden Parteitag, der dieses Ergebnis nachbilden soll, entscheidend sein, „wer gerade am Klo ist oder erkrankt ist“.
Diese Aussage des Politologen ist aber etwas hypothetisch. Denn fraglich ist, ob der oder die Unterlegene aus der Mitgliederbefragung beim Parteitag überhaupt noch antritt.
Mit einer dritten Persönlichkeit, die jetzt noch aus dem Hut gezaubert wird, rechnet der Politologe nicht. „Glaubt irgendjemand, dass es da Willi Wunderwuzzi oder Wilhelmine Wunderwuzzine gibt, die bisher noch niemand in der SPÖ entdeckt hat aber ausgerechnet in den nächsten Wochen kommt man drauf, der oder die muss es unbedingt werden? Sehr wahrscheinlich ist das nicht.“
Runder Tisch als SPÖ-Nabelschau
Am nachfolgenden Runden Tisch bei Tarek Leitner saßen jedenfalls weder Willi Wunderwuzzi noch Wilhelmine Wunderwuzzine, sondern: Franz Schnabl und Alois Stöger.
Schnabl hat gerade erst die NÖ-Landtagswahl und den SPÖ-Landesparteivorsitz mit Pauken und Trompeten verloren. Ist der Gang auf den Küniglberg daher vielleicht eher als Strafe zu betrachten? Jedenfalls gesteht Leitner ihm und Stöger zu, „die Weichen gestellt zu haben“ für die weitere Entscheidungsfindung in der SPÖ. Außerdem sei Schnabl früher leitender Polizist gewesen - wie Doskozil.
Stöger ist auch ein Ehemaliger, nämlich Gesundheitsminister. Die Entscheidung von gestern sei ein Kompromiss gewesen und „Kompromisse sind nie eine Freude, aber es ist ein Kompromiss“, meinte Stöger. Ein Kompromiss, "der die Chance bietet, eine Diskussion zu führen, wo alle Mitglieder mitgehen.“
Wer das Wort „Diskussion" und SPÖ im selben Satz hört, wird wahrscheinlich jetzt schnell den Kopf einziehen.
Dass sich Doskozil nun endlich aus der Deckung gewagt hat, sieht er als „positiv“. Kritischer sieht er, „dass er jetzt Kriterien vorgibt und alle Regeln bricht“.
Das Besondere an Rendi-Wagner
Dann erklärte Stögerm was "das besondere an einer Frau als Bundesvorsitzende" ist: "Sie sagt: Ich will integrieren, ich will dieses Regel brechen nicht bestrafen. Ich will eine Lösung, nicht für mich oder für Doskozil, sondern für die Gesamtpartei und ganz Österreich, damit wir wieder stark sind.“
Leitner verortete Parteikollege Schnabl dann im Doskozil-Lager, weil dieser Rendi-Wagner schon 2019 attestiert habe, sie könne es nicht. Schnabl dementiert das nicht. Es folgte das übliche Betonen der Inhalte („gegen die Teuerung“) und die Aussage, dass „Mitgliederentscheide niemals falsch“ sind.
"Team SPÖ"
Er sei „Team SPÖ“, sagte Schnabl, „ich werde sicher nicht sagen: Für den oder für die.“
Leitner blickte fragend in die Runde und sagte: „Geht das jetzt wochenlang so weiter, das jeder SPÖ-Funktionär, den man fragt, dann sagt: ,I sag’s ned?`“
Das ist eine schöne Vorstellung: Alle rund 140.000 Mitglieder der SPÖ werden vor der Befragung befragt, für wen sie sind.
„Sie sagen’s ja, oder?“ sagte Leitner zu Stöger. Dieser attestierte Rendi-Wagner Hartnäckigkeit und internationales Auftreten, er sehe es als „Riesenchance für die Sozialdemokratie, nach 110 Jahren eine Frau an die Spitze zu bringen.“
An die Spitze der Republik meint der Oberösterreicher wohl, an der Spitze der Partei soll sie ja derzeit durchaus sein, wie man hört.
„Die Zukunft der Sozialdemokratie wird feminin sein oder sie wird nicht sein. Hat einmal einer gesagt“, sagte Stöger.
Spannende Frage für Politologen
Wenn es in einer Partei, in er mehr als hundert Jahre Männer an der Spitze waren, nach ihrer Kür keine Auseinandersetzung gegeben hätte, dann wäre Rendi-Wagner fehl am Platz, meint Stöger sinngemäß. „Das kann nicht so locker über die Bühne gehen, da muss Widerstand entstehen, und der ist auch entstanden, und Hans Peter Doskozil repräsentiert diesen.“
Und er sieht „eine spannende Frage für Politologen“: „Was ist der Unterschied, wenn eine Frau an der Spitze steht?“
Wird jetzt die Führungsfrage der SPÖ zum politikwissenschaftlichen Experiment erklärt?
Josef „Joe“ Kalina ist ehemaliger Bundesgeschäftsführer und als Politikberater nie um eine kritische Stimme zur SPÖ verlegen. Für ihn gehe es nicht um die Frage: Mann oder Frau. Da werde "ein künstliches Thema erzeugt“. Die inhaltlichen und thematischen Differenzen zwischen Rendi-Wagner und Doskozil seien gar nicht so groß. „Es hängt daran: Hab ich einen Mann oder eine Frau an der Spitze, der oder die Emotionen und Kontakt zu den Wählerinnen und Wählern herstellen kann, der oder die die Leute erreicht, die dann sagen: Ha! Der oder die tut was für mich.“
Das Problem der letzten Jahre sieht Kalina darin, dass "die Leute draußen nicht gewusst haben: Stehen die überhaupt für mich, was wollen die genau? Und das muss man beseitigen, wenn wir nicht wollen, dass wir nach der nächsten Nationalratswahl über Kickl als Bundeskanzler reden.“
Er sieht ein riesiges Potenzial bei FPÖ-Wählern, „die nicht alle Rechte sind, sondern Sorgen haben.“ Dieses Potenzial anzusprechen, traut er eher Doskozil zu.
Wahlkampf
Katrin Praprotnik findet es aus der Vogelperspektive interessant zu beobachten, dass „wir schon einiges in Richtung Wahlkampf gehört“ haben, wenngleich Doskozil gemeint habe, es werde keinen Wahlkampf geben.
Man habe in die Diskussion auch gut die Alleinstellungsmerkmale der beiden Kontrahenten gesehen: Rendi-Wagner als Frau, Doskozil mit härterem Kurs in Asylfragen, um Wähler von der FPÖ abzuziehen. Doskozils Brief habe auch ein typisches Merkmal von Wahlkämpfen enthalten: Eine Warnung vor einer schwarz-blauen Koalition im Bund.
Schnabl griff das auf und kam auf Niederösterreich zu sprechen. Dort habe ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner vor Rot-Blau gewarnt, aber: "Machen tun sie es am Ende selber.“ Er erwähnte auch, dass der ÖVP-Klubobmann August Wöginger jüngst Herbert Kickl als Koalitionspartner nicht mehr ausschloss.
Eine Papierfrage
„Österreich hat schon mindestens vier rechte Parteien“, sagte Stöger, „wir brauchen nicht eine fünfte oder sechste.“ Er kommt auf das sogenannte Kaiser-Doskozil-Papier aus dem Jahr 2018 zu sprechen, „das trägt seinen Namen und er steht zu seinem eigenen Papier nicht.“
Jetzt wurde es etwas laut in der Runde. Schnabl: „Tschuldige, du hörst nicht genau zu.“
Kalina bezeichnete den Vorwurf als „kurios!“
Trumpismus
Stöger setzte fort: „Der Transport der Inhalte findet nicht statt.“ Er sei da "ein gebranntes Kind. Ich habe es geschafft, in neun Jahren Spitzenpolitik keinem anderen Sozialdemokraten etwas auszurichten. Da wird man in den Medien etwas fad, da wird man weniger eingeladen.“ Wer aber - gemeint ist Doskozil - „die gemeinsam erstellten Regeln ständig bricht, kommt in den Medien besser vor“, meinte Stöger, „das ist Trumpismus.“
Schnabl erwiderte Stögers Vorwürfe gegen Doskozil. Man sei in der SPÖ übereingekommen, dass alle Fehler gemacht haben - und nicht nur eine Seite. Doskozil habe lediglich gemeint, „dass man die eine oder andere Position weiterentwickeln kann. Das heißt nicht, man hält sich nicht an das eigene Papier. Bitte das in die Kategorie ‚Fehler machen‘ einordnen und bei sich selbst beginnen.“
Stöger nahm stoisch zur Kenntnis, dass er vom zuletzt wenig erfolgreichen Parteikollegen zurechtgewiesen wurde.
Kalina fragte: „Wer von den Wählern, die da zuschauen, kennt dieses Papier? Wer versteht diese Position der SPÖ?“ Die SPÖ werde in dieser Frage als „unsicherer Kantonist“ wahrgenommen.
Leitner stellte fest, dass die Fronten nun doch "deutlich geklärt" seien.
Großes Risiko
Politologin Praprotnik wies darauf hin, dass die Partei jetzt viel Aufmerksamkeit bekommt - was man bei der Bundespräsidentenwahl verabsäumt habe, weil man - im Gegensatz zur FPÖ - keinen Kandidaten aufgestellt habe. Sie sieht aus der Erfahrung der letzten Jahre aber ein „großes Risiko“ für die SPÖ im nun kommenden Mehrheitsfindungsprozess.
Darauf lassen nicht nur die vergangenen Jahre, sondern auch diese Diskussion am Runden Tisch schließen.
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