Sky-Manager Radelsberger: ORF muss „Luft zum Atmen für andere Anbieter“ lassen
Die Verhandlungen in der Regierung von ÖVP und Grünen über neue ORF-Gesetze sollen Ende April abgeschlossen sein. Fix ist die „ORF-Beitrag“ genannte Haushaltsabgabe, auch mehr digitalen Spielraum soll der ORF erhalten. „Wir bauen jetzt an einem sehr, sehr stark finanzierten Öffentlich-Rechtlichen, aber eine inhaltliche Diskussion für die zukünftige Struktur des Medienmarktes in Österreich findet in dem Zusammenhang leider nicht statt“, kritisiert Michael Radelsberger, der die Geschäfte von Sky Österreich führt, im KURIER-Interview. Mehr Freude bereitet ihm, dass am Donnerstag die dritte und letzte Staffel des Serienhits „Der Pass“ mit Nicholas Ofczarek, Julia Jentsch und Felix Kammerer in Wien Premiere feiert.
KURIER: Der Start in das Jahr 2023 hat ja für Sky Österreich, was die Quoten betrifft, ziemlich gut funktioniert?
Michael Radelsberger: Wir haben das letzte Jahr ziemlich gut abgeschlossen und das neue Jahr ebenso begonnen. Angetrieben war das von Content-Highlights wie der HBO-Serie „The Last Of Us“ Anfang des Jahres, die fantastisch funktioniert hat. Dazu gab es Champions League Paarungen, Stichwort Bayern gegen PSG, die immer für super Zahlen sorgen. Die Reichweiten steigen zudem auch deshalb, weil unsere Kundenbasis in den letzten drei Jahren kontinuierlich weitergewachsen ist – mehr Kunden bedeuten auch mehr Reichweite.
Dafür ist natürlich auch das Konkurrenzumfeld und dessen wirtschaftliche Ausstattung entscheidend. Beim größten Player am Markt, dem ORF, gibt es jetzt eine Absichtserklärung der Regierung hinsichtlich einer Haushaltsabgabe als künftige Finanzierungsform. Wie wertet man das bei Sky?
Zunächst, wir sind grundsätzlich der Meinung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk wichtig ist und v.a. bei der Information einen unerlässlichen, gesellschaftlichen Beitrag leistet. Mein Thema bei der ganzen ORF-Diskussion ist aber ein anderes, nämlich, in welcher Form und Größe soll es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk künftig geben? Das geht über die Verbreitung über TV und Radio hinaus und da spielt dann auch die geplante Digital-Novelle für den ORF hinein.
Anteil vom Kuchen
Was ist da ihr Ansatz?
Medienpolitisch muss man zunächst einmal die Grundaufstellung sehen: Vom ORF wird eine knappe Milliarde an Medien-Budget über Gebühren und Werbung abgezogen. Das ist für alle anderen lokalen Anbieter am Markt weg. Wenn man dann diese Milliarde in Relation zum Umsatz der anderen Medienhäuser in Österreich setzt, dann wird klar, welche Dimension diese Thematik für die übrigen Marktteilnehmer hat. Da wird es für lokale Player am Medienmarkt schwer, mittel- und langfristig ihr Angebot aufrechtzuerhalten. Auf der anderen Seite stehen dann die internationalen Player, die in den lokalen Markt hineindrücken, aber global skalieren. Dabei wissen wir, das verfügbare Haushaltseinkommen wird nicht mehr, der Kuchen wird nicht größer, aber den Anteil daran zu behaupten, wird immer schwieriger. Medienpolitisch wäre deshalb jetzt der Zeitpunkt, um ganz grundsätzlich die Regeln für den Medien-Markt Österreich so zu sortieren, dass dieser wettbewerbs- und zukunftsfähig wird. Wir bauen jetzt in Österreich an einem sehr, sehr stark finanzierten Öffentlich-Rechtlichen, aber eine inhaltliche Diskussion für die zukünftige Struktur des Medienmarktes in Österreich findet in dem Zusammenhang leider nicht statt.
Das zielt darauf, den ORF weniger zukommen zu lassen. An diesem Punkt der Diskussion kommt immer das Argument, dass nichts von dem, was man dem ORF vorenthält oder wegnimmt, bei lokalen Playern ankommen wird. Ist das so?
So simpel ist das nicht. Natürlich muss man fair bleiben bei dieser Diskussion. Ich sehe es tatsächlich als schwierig für den ORF an, mit den aktuellen Restriktionen ein grundsätzliches Service bereitzustellen, das künftigen Anforderungen seiner Kund:innen genügt. Der ORF ist für mich in Österreich ein zentraler Produzent von Information, Nachrichten, fiktionalem Content oder Sport, die er auf verschiedenen Plattformen ausspielt. Das wird auch eine zentrale Frage bei der Digital-Novelle sein. Aber natürlich landet das Geld, das nicht an den ORF geht, nicht automatisch bei den GAFAs, wie Google, Amazon usw. Der Vorteil lokaler Medien ist ja, dass sie den Bedarf nach lokalen Inhalten bedienen können, was die international Großen so nicht machen. Das Problem für privatrechtliche Medien ist „nur“, dass es genau der gleiche Markt ist, den der ORF auch bedient. Also, es geht da tatsächlich um Marktanteils-Verschiebungen zwischen öffentlich-rechtlich und privatrechtlich in Österreich und nicht um internationale Player.
Fairness gefragt
Bei der anstehenden Digital-Novelle, von der man noch gar nichts weiß außer, dass sie dem ORF mehr Möglichkeiten bringen soll - was ist da aus eurer Sicht zulässig, weil etwa der ORF auch technologisch auf dem Stand der Zeit sein muss? Und was geht nicht? Diese Digital-Novelle ist ja auch so ein wenig der Rettungsanker für die ORF Sport+-Inhalte, die dann auf einer Plattform gezeigt werden könnten. Oder muss diese Digitalisierungsdebatte ohnehin in der ORF-Gesamtdiskussion verwoben sein.
Die Digital-Novelle ist nur ein Teil einer Diskussion. Aus meiner Sicht ist diese Trennung in verschiedene Mediengattungen und Empfangswege – terrestrisch, Sat, Kabel, IP, aber auch linear und on demand – überholt. Die Zuseher:innen wollen letztlich einfach ihre Nachrichten, den Sport oder die Serie schauen und das in der Form, wie sie es am angenehmsten empfinden. Da soll sich der ORF auch entsprechend als Service-Dienstleister positionieren können. Dabei muss aber bereits klar abgesteckt sein, wie breit dieses Service des ORF sein soll, damit es daneben noch Luft zum Atmen für andere Anbieter gibt. Mein Gefühl ist, dass wir viel zu sehr über Technikalien reden. Das Thema aber ist, dass ein Haushalt nur über ein gewisses Zeitbudget und kommerzielles Budget verfügt und wie dieses prinzipiell fair zugänglich für die Medienhäuser in Österreich und ihre Angebote bleibt.
Der ORF-Beitrag zielt explizit auf die bisherigen Streaming-Haushalte und minimiert deren Media-Budget. Müssen Streaming-Plattformen und Abo-Fernsehen wie Sky mit Einbußen rechnen?
Ehrlicherweise meine ich, dass für uns dieses Risiko relativ gering ist. Wir sind mit unserem Angebot, auch wenn ich das Wort nicht mag, sehr stark im Premium-Content angesiedelt. Wir sind inhaltlich komplementär aufgestellt etwa zum ORF, auch wenn es Überschneidungen gibt. Ich sehe eher eine andere Frage kommen: Wie stellt sich der ORF jenen Unternehmen gegenüber auf, die seine Inhalte in Österreich transportieren wollen.
Sie meinen eine Ausdehnung der Must-Carry-Regelung, also der bereits bestehenden Verpflichtung etwa von Kablern, ORF-Inhalte zu verbreiten?
Nein, ich meine keine Ausdehnung der Must-Carry-Regelung. Eher das Gegenteil. Bedingt durch die generelle Haushaltsabgabe müsste es eigentlich darauf hinauslaufen, dass der ORF seine Inhalte technologie- und plattformneutral für alle österreichischen Haushalte verfügbar macht. Es muss aus meiner Sicht eine rechtliche Verpflichtung für den ORF geben, alle seine Inhalte jedem einzelnen Abgabenzahler diskriminierungsfrei zur Verfügung zu stellen – unabhängig von Empfangsweg, Empfangsgerät oder ob linear oder on demand. Die technische Infrastruktur, um das zu gewährleisten, muss der ORF aus der Haushaltsabgabe selbstständig und eigenfinanziert herstellen. Wie geht man zum Beispiel mit der ORF Karte bzw. Verschlüsselung in Zukunft um? Kein wahnsinnig großer Kostenpunkt, aber wird man die weiterhin extra bezahlen müssen? Und wenn ja, welche Mehrkosten könnten da noch kommen? In diesem Sinne geht es nicht um Must-Carry von ORF-Inhalten, sondern um ein Must-Provide durch den ORF.
Ändern Haushaltsabgabe und potenzielle Digital-Novelle etwas am Verhältnis zwischen Sky und ORF? Es gibt ja doch einige Kooperationen.
Nein, aus meiner Sicht haben wir mit dem ORF historisch und aktuell ein gutes Verhältnis, das wir dadurch sehr wenig beeinträchtigt sehen. Ich glaube, es tut sich jetzt tatsächlich sogar eine Chance auf. Wenn der ORF den Weg geht, der sich abzeichnet, dann folgt daraus eine stärkere Fokussierung im Programm darauf, dass er tatsächlich seinen Auftrag erfüllt. Das heißt Förderung von Kultur und Information, das heißt auch mehr fiktionale Produktionen im Land. Das ist dann sehr spannend und etwas, wo man sich über Partnerschaften unterhalten kann, um da und dort etwas gemeinsam voranzubringen.
Mehr Bewegtbild-Nutzung
Wie entwickelt sich eigentlich der Markt aktuell. Gibt es augenfällige Trends?
Es gibt keine radikalen Änderungen, aber es gibt Trends, die sich teilweise auch beschleunigen. Die Nutzung von Bewegtbild übers Internet wird immer stärker, was auch noch regulatorische Themen nach sich zieht. Zweitens schwächt sich die lineare Nutzung deutlich ab außerhalb des Live-Sports. Das wird überkompensiert durch die On-demand-Nutzung. Das heißt, die absolute Bewegtbild-Nutzung steigt, aber sie verschiebt sich. Und der dritte Trend ist, dass nur mehr die absoluten Top-Ereignisse – egal ob eine Serie oder ein Sport-Event – wirklich Spitzen-Reichweiten erzielen. Es gibt einfach ein inflationäres Content-Angebot.
Sie sprachen regulatorische Fragen an. Dieses Hin und Her bzw. Nebeneinander von Technologien und Anbietern überfordert inzwischen aber auch den Gesetzgeber?
Ausgehend von der ORF-Diskussion und seiner Verfügbarkeit auf allen Wegen für alle: Ein genereller Wunsch an die Regulierer bzw. Gesetzgeber wäre in dem Zusammenhang, das historisch gewachsene, unglaublich komplex gewordene regulatorische Umfeld entsprechend zu adaptieren. Man ist immer noch in dieser alten Denke, was ist Satellit, was Internet, Kabel usw. und wo sind welche Verwertungsgesellschaften etc. zu berücksichtigen. Das ist mittlerweile eine unglaublich komplexe Matrix. Es braucht hier vom Gesetzgeber eine grundlegende Vereinfachung. Da könnte man medienpolitisch einen richtig großen Beitrag für den Medienstandort Österreich leisten.
Zur Person
Michael Radelsberger (39) führt als stv. Geschäftsführer das Geschäft von Sky Österreich. Dessen Managing Director Neal O’Rourke leitet nun von München aus auch den Consumer-Bereich von Sky Deutschland
Zum Sport
Sky Österreich zeigt z. B. bis inklusive 2026/27 die UEFA Champions League sowie Europa und Conference League großteils exklusiv
Zur Fiktion
neu gestartet sind „Tender Hearts“, „Succession 4“, „Der Pass 3“ folgt ab 4. 5.
Und damit zum Sport: Die Rechtesituation sieht derzeit für Sky relativ kommod aus.
Das kann man so sagen, ja. Beim Fußball sind wir der mit Abstand am breitesten aufgestellte und kompetitivste Anbieter in Österreich. Die österreichische Bundesliga und die UEFA-Klubbewerbe sind die Kronjuwelen. Super laufen aber auch Premier League und die deutsche Bundesliga.
Exklusivität angestrebt
In der österreichischen Bundesliga war eben die Teilung mit Meistergruppe und Abstiegsgruppe. Da gibt es immer wieder Diskussionen bei den Vereinen, ob das fair ist. Wie aber schaut es aus beim Publikumszuspruch? Wie seht Sky als TV-Rechteinhaber den Modus?
Die österreichische Bundesliga hat sich aus meiner Sicht mit dieser Liga-Reform von vor fünf Jahren stark entwickelt. Es ist natürlich extrem abhängig, welche Vereine in der Meister- oder in der Qualifikationsrunde spielen. Aber in Summe kann man sagen, dass die Spannung länger aufrechterhalten bleibt. Wir beobachten, dass sowohl die Subscriptions als auch die Zuschauerzahlen deutlich stärker sind. Deshalb werfen auch ausländische Ligen ein Auge auf die Entwicklung in Österreich.
Gibt es im Sport etwas, was im Sky-Angebot fehlt? Im FreeTV sind ServusTV, aber auch der ORF rechtemäßig ganz gut aufgestellt?
Aus meiner Sicht sind wir beim Sport-Portfolio zu 85 Prozent in der Situation, die ich für perfekt halte. Es gibt zwei Hebel, an denen man noch ansetzen kann: Eines ist die Exklusivität, die würde ich innerhalb des Fußballs gerne stärken. Und das zweite, was man sich realistisch anschauen kann, ist das Thema Motorsport.
Sie sagten einmal im KURIER, Sky Österreich sei nicht der Beiwagen von Sky Deutschland. Auch in Hinblick auf die Sportrechte: Gilt der Satz noch?
Ich meine, dass wir für Österreich die Hausaufgaben, die man lokal machen kann, gemacht haben. Was ich auch sehe ist, dass die deutschen Kollegen dankenswerterweise immer mit einem Auge auch uns im Blickfeld behalten. Wenn wir beim Beispiel Fußball bleiben, dann ist es bei Rechteverhandlungen, die nationale Ligen außerhalb Österreichs betreffen, natürlich schon deutlich einfacher, wenn die deutschen oder die britischen Kollegen mit am Tisch sitzen. Wir sind also nicht der Beiwagen, aber wir sind sehr dankbar für die Unterstützung, die wir aus der Gruppe erhalten, wenn es um Fußball-Rechte, Technologie oder unser Produkt geht.
Fiktion-Wettlauf
Im fiktionalen Bereich gib es ja regelrecht einen internationalen Wettlauf, wer wieviel an Originals produziert. Wie sieht die Strategie bei Sky aus?
Wir haben als internationale Gruppe für 2023 über 60 Sky Originals angekündigt. Ein Highlight ist die dritte Staffel von „Der Pass“ mit Nicholas Ofczarek, Julia Jentsch und Felix Kammerer, die im Mai startet. Alles mit Österreich-Bezug wie die „Ibiza-Affäre“ oder eben „Der Pass“ läuft hervorragend. Insgesamt schaffen wir mit den Sky Originals eine sehr breite Abdeckung wobei aber stets ein sehr hoher Qualitätsanspruch im Vordergrund steht. Die Devise ist also eher, weniger als mehr zu machen, das dafür aber umso besser.
Stichwort: Produzieren in Österreich. Es gibt ein neues Gesetz in Sachen Filmförderung. Wird das bei Sky registriert?
Ja, definitiv. Dieses neue Filmfördergesetz in Österreich findet sehr guten Anklang. Nicht nur bei uns, sondern ganz generell am Markt. Ich glaube, da ist ein großer Wurf gelungen. Es wird für uns auch davon abhängen wie kooperationsbereit die anderen Player am österreichischen Markt sind. Das zielt vor allem auf den ORF, der aus meiner Sicht die tragende Rolle spielen kann und sollte. Ich persönlich glaube, dass es an Stoffen nicht mangelt. Ich glaube, wir haben genug Geschichten und genug Fantasie, um daraus für ganz Europa Interessantes zu kreieren.
Fokus auf Dokus
Sky legt nun auch mehr Augenmerk auf Dokus. Das war ja bisher nicht das, was die Strahlkraft ausgemacht hat.
Wir haben noch nicht die ganz großen Doku-Brands. Wir haben aber bereits einzelne Dokus veröffentlicht, wie „Das Ibiza Video“, die Doku zu Hans Krankls 70er „Ich bin Hans Krankl“ oder ganz aktuell „Die Relotius Affäre“, die sehr viel Aufmerksamkeit erregt haben. Schwieriger ist es im Bereich der Natur-Dokus. Da gibt es mit Terra Mater oder Universum zwei starke Mitbewerber allein in Österreich. Es wird die Aufgabe sein, lokale Dokus, die ja durch Persönlichkeiten, durch Geschichten oder Ereignisse getrieben sind, so weiterzuentwickeln, dass wir am lokalen Markt dieses Segment besetzen können.
Einige Zeit lang hielten sich intensiv kolportierte Gerüchte über eine Aufspaltung von Sky Europe und den Verkauf von Sky DACH. Wie geht man damit um, Ungewissheit sorgt für Unruhe?
Man muss kein Wirtschaftsweiser sein, um zu wissen, dass die Medienbranche grundsätzlich ein schnelllebiges Business ist, das von Neuigkeiten und Stories lebt, und zudem derzeit in einem Umbruch steckt – vom TV, über Print und Digital bis hin zum Radio. Ich würde diese Gerüchte also einreihen in die lange Liste von Gerüchten, die ständiger Begleiter der nationalen und internationalen Medienwelt sind, und sie nicht groß deuten oder kommentieren.
Danke für das Gespräch.
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