„Aber es macht auch richtig Spaß! So tief in eine TV-Show einzutauchen, ist ein ganz anderes Gefühl: Es gibt viel längere Charakterbögen. Insofern ist es für mich eine Überraschung, wie gut mir das gefällt.“ Immerhin bedeute die Serienarbeit, ganz anders zu erzählen: „Jede Folge muss am Ende immer eine Frage stellen“, schildert der Regisseur. „Der Zuseher muss sich immer fragen: Was passiert als Nächstes? Das muss man in den Drehbüchern erstmal hinbekommen! Es ist so, als würde man einen Neun-Stunden-Film drehen. Man muss sich als Regisseur an jedem Zeitpunkt bewusst sein, was die Charaktere wollen – und was sie dafür tun.“
Wie heute – aber ohne Strom
Und die alten Römer wollen viel – und tun viel dafür. Für Macht, für Sex, für das Überleben. Es gibt korrupte Politiker, die ihren Sitz im Senat verwetten; es gibt Gladiatoren, die bei den Rennen mit schmutzigen Tricks arbeiten; es gibt – die Geschichte bildet das multikulturelle römische Reich ab – als Sklaven verschleppte Menschen, die mit allen Mitteln um ihre Freiheit kämpfen.
Sex, Betrug, korrupte Politiker, Machtkämpfe und schnelle Wagen – das römische Reich kling ziemlich wie heute, oder? „Ja, aber wir haben Elektrizität“, sagt Emmerich mit einem Lachen.
Das riesige römische Reich mit seinen immensen Prachtbauten ist, klar, ein dankbares Thema für den Regisseur. Der Circus Maximus „fasste 250.000 Besucher“, zeigt sich der Regisseur beeindruckt. „Ich bin da oft vorbeigefahren – und war immer erstaunt, wie lang dieses Ding ist! Selbst das kleinere Kolosseum fasste 70.000 Menschen – und man konnte noch sehen, was die da unten tun.“ Gedreht wurde die Serie am Ort des Geschehens, in Rom – und zwar in den Cinecittà-Studios, mit heftigem Einsatz von Computereffekten. „Ich interessiere mich sehr für Technologie“, sagt Emmerich (68). „Daher dachte ich, es ist ein guter Moment, das zu probieren. Wir drehten auf einer virtuellen Bühne.“ Diese sogenannte „Volume Stage“ wird von einem 400 Quadratmeter großen LED-Bildschirm abgeschlossen, mit dessen Hilfe die Kulissen oder Spielorte virtuell erschaffen werden können. „108 Tage habe ich auf dieser Bühne gedreht, fast 45 Prozent der Show. Das war eine völlig neue Erfahrung für mich.“
Schon vor dem Dreh wurden die Szenerien erschaffen, die Stadt Rom wurde digital aufgebaut, man sieht in den ersten Folgen u. a. das Innere des Circus Maximus, einen nordafrikanischen Hafen und mehr. Und das wurde dann „auf diesen riesigen Schirm projiziert. Da muss man erstmal herausfinden, wie man es schafft, dass die Schauspieler und die Hintergründe zusammenpassen. Das war wirklich interessant.“
Die Segnungen des digitalen Fortschritts werden in Hollywood derzeit aber skeptisch beäugt: Ein Thema bei den Streiks der Filmschaffenden im Vorjahr war, dass Schauspieler fürchten, durch die Möglichkeiten der Künstliche Intelligenz ersetzt zu werden.
„Ein Mittel wie viele andere“
Wird das ein Problem?„Nein, das ist doch auch nichts Neues. Wir machen schon lange große Menschenmengen digital. Ja, das wird immer besser, man kann mehr damit machen. Wir haben etwa digitale Technologie eingesetzt, weil wir nicht wollten, dass sich echte Pferde beim Dreh verletzen. Künstliche Intelligenz ist ein Hilfsmittel wie viele andere, und wird auch ein Werkzeug beim Filmemachen sein.“
Dass Emmerich nun fürs Streamingfernsehen arbeitet, überraschte insofern ein wenig, weil er sich zuvor immer skeptisch geäußert hatte – nicht zuletzt wegen der finanziellen Umstände. Was hat sich geändert? „Mir gehört die Show“, sagt Emmerich. Natürlich gibt es Miteigentümer (darunter Platin-ROMY-Preisträger Herbert Kloiber), aber „das wir mir wirklich, wirklich wichtig – dass nicht andere Menschen für immer von meinem Werk leben und mir nichts zahlen. Wir sind die Eigentümer und lizenzieren die Show an andere. Das ist die einzige Art und Weise, wie ich für das Fernsehen arbeiten werde.“
„Ein wirklich wichtiger Film“
Und wie geht es dem Kino – wo zuletzt fast nur Superheldenfilme an der Kinokasse erfolgreich waren? „Ich vermisse Filme wie ,Independence Day’ oder ,Zurück in die Zukunft’ oder ,Indiana Jones’“, sagt Emmerich. „Ich liebe solche Filme, und sie sollten zurückkommen. Ich weiß aber nicht, wie man die zurückbringen kann.“ Er selbst will es probieren – mit einer Art Fortsetzung von „The Day After Tomorrow“, die er plant. „Es soll von der Vertreibung von Menschen handeln – aus Gebieten, in denen der Klimawandel alles ruiniert hat.“ Der Film soll die Flucht eines Arztes begleiten, dessen Kinder alles auf den Sozialen Medien dokumentieren. Die Welt in zehn, 15 Jahren hat sich nach rechts bewegt, „jeder ist gegen Pressefreiheit“. Und diese Familie bricht das alles mit ihrem Reisebericht wieder auf – und sollen am Schluss Milliarden Follower haben. Das Projekt sei „ein wirklich wichtiger Film“, sagt Emmerich.
Denn „The Day After Tomorrow“ wurde heuer 20 Jahre alt – und heute fühlt man sich der darin gezeigten Klimakatastrophe noch ein erschreckendes Stück näher, oder? „Ich war immer pessimistisch – und bin es immer noch. Unsere Regierungen sind dumm. Sie wollen die Gefahr nicht sehen. Schauen Sie sich Donald Trump an! Er ist wie ein Idiot, der die Zeichen verleugnet. Es gibt jetzt sogar die Tendenz, sich wieder vom Klimaschutz wegzubewegen und fossile Brennstoffe zu verwenden. Was passiert da? Die verstehen es einfach nicht. Ich habe eine sehr, sehr dunkle Sicht auf die Zukunft. Wenn wir als Menschen nicht klüger werden, dann sind wir verloren.“
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