Regierung bestellt Stiftungsräte: Neue Gesichter für oberstes ORF-Gremium

Im Sitzungssaal des ORF-Stiftungsrates werden Plätze neu besetzt. Nach der Regierungsbildung kommt es zu Kräfteverschiebungen
Die Koalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS hat neue Stiftungsräte bestellt. Sie werden 2026 die nächste ORF-Führung küren

Die neue Bundesregierung aus ÖVP, SPÖ und Neos hat am Dienstag im Ministerrat die personelle Neuaufstellung der ORF-Gremien entsprechend den neuen gesetzlichen Vorgaben in die Wege geleitet. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hatte 2023 festgestellt, dass die Regierung zu großes Gewicht bei der Bestellung der ORF-Gremien hat. Um die vorgegebenen Fristen nach den diversen gescheiterten Regierungsbildungen einzuhalten, hat die neue Dreier-Koalition mit einer Last-Minute-Gesetzes-Reform reagiert, die die Mindesterfordernisse des Höchstgerichts erfüllt.

Die FPÖ darf aufgrund des Nationalratswahlergebnisses zwei Stiftungsräte entsenden: Wieder bestellt wurde Ex-Politiker Peter Westenthaler, obwohl ihm medial von Unternehmensrechtlern mehrfach „Fehlverhalten“ als ORF-Aufsichtsrat vorgeworfen wurde. Dazu gesellt sich Uni-Professor und ORF-Beitragskritiker Christoph Urtz. Die ÖVP setzt wieder auf Ewald Aschauer, Professor an der Wirtschaftsuni Wien. Für die SPÖ kommt erneut PR-Mann Heinz Lederer, der auch für den Vorsitz des obersten ORF-Gremiums kolportiert wird. Die NEOS haben den Medien-Juristen Markus Boesch vorgeschlagen, die Grünen setzen auf Hildegard Aichberger, Geschäftsführerin im Umweltbundesamt.

Zu den neuen gesetzlichen Vorgaben gehört, dass die Regierung nur mehr sechs (statt zuvor neun) Mitglieder in den 35-köpfigen ORF-Stiftungsrat entsendet. Erstmals griffen hier auch die neu im Gesetz verankerten Qualitätsanforderungen an die von der Regierung entsandten Stiftungsräte. Demnach war von der Regierung darauf zu achten, dass ausreichend Expertise in Bereichen wie Medienwirtschaft, Betriebswirtschaft, Kommunikation, Medienrecht oder auch Controlling gegeben ist. Erstmals mussten die Funktionen öffentlich für mindestens zwei Wochen ausgeschrieben werden. Die nun getroffene Auswahl ist zu begründen.

Die von der Koalition entsandten Stiftungsräte - der Besetzungsschlüssel war bekannt, weil Teil des offiziellen Regierungsprogramms - sind zum größten Teil neu. Das gilt nicht für Gregor Schütze, Gründer und Eigentümer der Agentur Schütze Public Results und ehemaliger ATV-Geschäftsführer. Er könnte neuer Sprecher der ÖVP-nahen Stiftungsräte werden. Als Unabhängige zieht wieder Ruth Strondl, Leiterin des Bereichs Werbung in der Abteilung Kommunikation und Marketing des Kunsthistorischen Museums, ein. Das gilt wohl auch für Christina Wilfinger, bis Ende 2024 Geschäftsführerin bei SAP Österreich, die ebenso neu im Gremium ist, wie Philip Ginthör, der u. a. bei der KPMG, Sony und Bertelsmann tätig war. Er wurde von den Neos vorgeschlagen. Der SPÖ zuzuordnen sind der ebenfalls neu entsandte Wirtschaftswissenschafter, Momentum-Mitbegründer und bisherige ZDF-Verwaltungsrat Leonhard Dobusch. Astrid Salmhofer ist ebenfalls neu. Sie ist seit März des Vorjahres Chief Communications Officer (CCO) für die gesamte Wiener Stadtwerke-Gruppe und war zuvor u. a. Sprecherin von Bundespräsident Heinz Fischer.

Der ORF-Stiftungsrat wird abseits der Bundesregierung und den Parteien-Vertretern auch von den neun Bundesländern sowie vom Zentralbetriebsrat (5 Mitglieder) beschickt. Bei den Bundesländern herrscht weitgehend Kontinuität. Kärnten hat sich hier, neu, für den langjährigen früheren technischen Direktor und Arbeitnehmer-Vertreter Michael Götzhaber entschieden. Der frühere ORF-Manager und Berater Thomas Prantner, erst im Jänner 2025 von der neuen Landesregierung unter Mario Kunasek (FPÖ) von der Steiermark in den Stiftungsrat entsandt, bleibt auch nach der Neubesetzung. 

Schlussendlich entsendet der nun auf 28 Personen verkleinerte ORF-Publikumsrat neun Mitglieder (statt zuvor sechs) aus seiner Mitte in den Stiftungsrat. Wer das sein wird, entscheidet sich in der konstituierenden Sitzung am 5. Juni. Jene des Stiftungsrates folgt am 17. Juni. Die Funktionsperiode beträgt jeweils vier Jahre.

Die Hälfte des Publikumsrats wurde nun ebenfalls von der Regierung beschickt (zuvor 17 Personen). Es sind das: 

  • Beatrix Karl für den Bereich Hochschulen
  • John Evers für den Bereich Bildung
  • Paul Poet für den Bereich Kunst und Kultur
  • Michaela Huber für den Bereich Sport
  • Matthias Hauer für den Bereich Jugend
  • Mira Langhammer für den Bereich Schülerinnen und Schüler
  • Gertrude Aubauer für den Bereich ältere Menschen
  • Martin Ladstätter für den Bereich Menschen mit Behinderungen
  • Helmut Sax für den Bereich Eltern bzw. Familien
  • Josef Buranits für den Bereich Volksgruppen
  • Petra Stolba für den Bereich Touristik
  • Bernhard Wiesinger für den Bereich Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer
  • Andrea Schellner für den Bereich Konsumentinnen und Konsumenten
  • Birgit Mair-Markart für den Bereich Umweltschutz 

Generell gilt aufgrund der neuen Gesetzeslage: Stiftungsräte können, wie vom VfGH gefordert, in der Regel nach Wahlen nicht mehr abberufen werden. Eine Ausnahme bilden jene, die von Parteien, die im Nationalrat vertreten sind, benannt wurden. Die Mitglieder des Stiftungsrates haben dieselbe Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit wie Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft. Stiftungsräte müssen unabhängig von ihrem Entsender agieren und haften mit ihrem Vermögen. Da es sich um ein Ehrenamt handelt, das allerdings einiges an Zeitaufwand mit sich bringt, gibt es kaum mehr als einen warmen Händedruck dafür: 50 Euro im Monat beträgt die Aufwandspauschale; das Sitzungsgeld (je Teilnahme) 100 Euro.

Es gibt auch viele prominente Abgänge aus dem obersten ORF-Gremium. Dazu zählen der Stiftungsrats-Vorsitzende Lothar Lockl, der aber noch die konstituierende Sitzung einberufen wird. Nicht mehr dabei sind der bisherige ÖVP-Freundeskreisleiter und Unternehmensberater Thomas Zach sowie Künstlermanager Herbert Fechter. Auch Medienfachfrau Anita Zielina, von den Neos entsandt, hat aufgehört, ebenso wie Franz Medwenitsch, Geschäftsführer des Verbands der österreichischen Musikwirtschaft.

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