ProSiebenSat.1: Harte Worte, aber kein Showdown bei der Hauptversammlung

FILE PHOTO: The logo of German media company ProSiebenSat.1 is seen in front of the headquarters in Unterfoehring
Machtkampf zwischen Berlusconi-Familie und tschechischer PPF blieb vorerst aus. Vorstandschef Habets: Voller Fokus auf Entertainment

Zusammenfassung

  • ProSiebenSat.1-Hauptversammlung thematisiert Konflikt der Großaktionäre MFE und PPF um Macht und Einfluss.
  • CEO Bert Habets plant Fokus auf Entertainment und Streaming-Plattform Joyn, um Umsatzrückgang im TV-Bereich auszugleichen.
  • Medienmanagerin Maria Kyriacou in den Aufsichtsrat und als erste Frau zur Vorsitzenden gewählt.

Bei der Hauptversammlung von ProSiebenSat.1 war am Mittwoch alles angerichtet für einen Showdown zwischen den Großaktionären, der italienischen MFE der Familie Berlusconi und der tschechischen PPF von Milliardärin Renata Kellnerova. Beide Gruppen buhlen mit mehr oder weniger attraktiven Angeboten an andere Aktionäre um mehr Macht und Einfluss beim TV-Konzern, zu dem in Österreich die ATV- und Puls-Sender gehören. Passend dazu wurde die Pause vor den entscheidenden Abstimmungen über die Entlastung des Vorstands sowie über die Aufsichtsratsbesetzungen in München mit einem dystopischen 15-Minuten-Beitrag von Joko & Klaas zur Europawahl 2024 überbrückt. 

Und dann ging, entgegen den Erwartungen, (fast) alles glatt über die Bühne: „Angesichts der kommunistischen Abstimmungsergebnisse möchte ich darauf hinweisen, dass wir uns in München befinden und nicht in Moskau", scherzte der scheidende Aufsichtsratschef Andreas WieleOffenkundig waren alle Hauptakteure und -aktionäre bemüht, die Emotionen außen vor zu lassen. 

Trauerspiel

Zu Beginn hatte der ehemalige Axel-Springer-Manager noch der Berlusconi-Holding die Leviten gelesen: „Der Aufsichtsrat ist das adäquate Gremium, in dem mit dem Vorstand über die richtige Strategie und neue Ideen für unser Unternehmen diskutiert und entschieden werden sollte - nicht die Öffentlichkeit.“ Und auch die Vizepräsidentin Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) appellierte an MFE und PPF, an einem Strang zu ziehen. „Der Markt ist nämlich schon schwierig genug - wir brauchen nicht noch Streitigkeiten unter den Aktionären.“ Die Entwicklung der Aktie nannte sie zuvor „ein Trauerspiel“. 

Das wollen CEO Bert Habets und seine Vorstandskollegen, darunter der österreichische COO Markus Breitenecker, mit veränderter Unternehmensstrategie beenden. „Wir konzentrieren uns voll und ganz auf Entertainment“, sagte Habets, dessen Vertrag jüngst für drei Jahre verlängert wurde. Nach der Veräußerung des Vergleichsportals Verivox werde sich das Management weiter von Randaktivitäten trennen. „Wir werden diesen Weg fortsetzen und uns dabei auf den Verkauf von gut performenden, nicht zum Kerngeschäft gehörenden Beteiligungen konzentrieren.“ 

46-215627518

Finanzvorstand Martin Mildner, Aufsichtsratschef Andreas Wiele, ProSiebenSat.1-CEO Bert Habets und der Wiener Markus Breitenecker (COO)

Das ist auch der Streitpunkt zwischen den Großaktionären und dem Vorstand: Die MFE fordert einen beschleunigten Verkauf, um die Schuldenlast zu senken und Geld in die Kasse zu bekommen. PPF unterstützt hingegen die Vorstandslinie. Oder wie es Didier Stoessel, Chief Investment Officer der Tschechen in der Wirtschaftswoche formulierte: „Man muss kein Genie sein, um zu wissen, dass man nicht die besten Preise erzielen kann, wenn jeder weiß, dass man zum Verkauf gedrängt wird.“ 

Vorwärtsstrategie gesucht und in Joyn gefunden

Im Mittelpunkt der Vorwärtsstrategie, der auch 430 Vollzeitstellen im ProSiebenSat.1-Konzern zum Opfer fallen, steht die Gratis-Streaming-Plattform Joyn.   „Wir investieren eine Milliarde Euro in unseren Content. Damit stärken wir sowohl die Marktanteile unserer 15 linearen Sender als auch das Content-Angebot auf unserem Superstreamer Joyn“, erklärte Habets. 100 Live-Sender und Content-Kooperationen sollen die Wachstumshoffnung weiter stärken. Und mit Inkrafttreten des neuen deutschen Rundfunkstaatsvertrags Ende 2025 sollen, wie in Österreich der ORF, auch die deutschen Öffentlich-Rechtlichen ganz regulär auf Joyn zu finden sein. Am Mittwoch befand ein Gericht noch, ProSiebenSat.1 verstoße gegen den Medienstaatsvertrag und gegen die Freiheit von Rundfunkanbietern, über ihr eigenes Programm zu verfügen, weil man die Programme von ARD, ZDF und Arte ohne zu fragen in Joyn integriert hatte.

Habets sieht Strategie und Fokus jedenfalls durch die Zahlen bestätigt: „Da unsere Reichweite im Streaming-Bereich schnell wächst, können wir diesen Erfolg in zusätzliche digitale Werbeeinnahmen umsetzen, die den Rückgang unserer traditionellen TV-Werbeeinnahmen zunehmend ausgleichen. Die um 36 Prozent gestiegenen Werbeeinnahmen von Joyn zeigen, dass wir im Jahr 2024 bereits auf dem richtigen Weg waren.“ 

Schwierige wirtschaftliche Situation

Dass die (wirtschaftliche) Situation weiterhin schwierig ist, räumte der Vorstandschef aber auch ganz deutlich ein: "Die gesamte Medienbranche befindet sich in einem großen Umbruch. Alle Medienunternehmen arbeiten daran, ihr Geschäft für die Zukunft richtig aufzustellen. Es reicht nicht mehr, nur an ein paar Schrauben zu drehen. In der gegenwärtigen makroökonomischen Situation und dem herausfordernden Umfeld des Medienmarktes ist es das oberste Ziel eines jeden Medienunternehmens, eine schlanke, wettbewerbsfähige und zukunftssichere Struktur zu haben." Man hofft auf das zweite Halbjahr und auf eine Erholung der Konjunktur. Schließlich geht es um viel: „Wir leben in einer Welt, in der ein ständiger Kampf um ein neues Gleichgewicht der Macht herrscht. Europa und insbesondere Deutschland müssen ihre unabhängigen und zuverlässigen Nachrichten- und Informationsquellen sichern. Umso wichtiger sind unabhängige Medien“, betonte Habets.   

46-215631669

Medienmanagerin Maria Kyriacou (mit CEO Bert Habets) ist die erste Frau an der Spitze des Aufsichtsrates von ProSiebenSat.1

Erste Frau an der Spitze des ProSieben-Aufsichtsrats

Dass dazu ProSiebenSat.1 weiterhin gehört und nicht Aktionärsinteressen geopfert wird, dafür muss auch die Nachfolge von Aufsichtsratschef Wiele sorgen: Medienmanagerin Maria Kyriacou  wurde am Mittwoch mit 98 Prozent der Stimmen in das Kontrollgremium des Fernsehkonzerns gewählt und - obwohl MFE zuvor massive Vorbehalte geäußert hatte - im Anschluss bei der konstituierenden Sitzung zur Vorsitzenden. Kyriacou, als Neutrale von PPF und Vorstand unterstützt, hatte Führungspositionen etwa bei Paramount Global, ITV Studios und Walt Disney inne. Wichtigste Aufgabe wird sein, die unterschiedlichen Aktionärsinteressen einzufangen. „Ich bedauere, dass es mir nicht dauerhaft gelungen ist, den Aktionärskreis zu befrieden“, sagte Wiele in seiner Bilanz seiner nur dreijährigen turbulenten Amtszeit. 

Ein Bedauern gibt es wohl auch seitens der Aktionäre mit Blick auf die Dividende: Wie im Vorjahr auch liegt sie bei 0,05 Euro je Aktie. 

Kommentare