ORF2-Chef Hofer: "Diese Krise eröffnet Raum für Innovationen"
Nach den Info-Überstunden der vergangenen Monate kommt in ORF2 nun auch wieder Unterhaltung zum Zug. Kommende Woche gibt es gleich zwei Highlights: Ski-Ikone Marcel Hirscher geht am Donnerstag in „Ein Sommer in Österreich“ erstmals als TV-Gastgeber an den Start, am Samstag, 25. Mai, werden dann die Publikumslieblinge aus TV und Film in einer Überraschungsversion der KURIER ROMY gekürt (20.15). Alexander Hofer, seit zwei Jahren ORF2-Channel-Chef und frisch als interimistischer Unterhaltungschef bestätigt, über den programmlichen Ausnahmefall als Dauerzustand und Programm-Innovation in der Krise.
KURIER: Eine Woche mit zwei Unterhaltungshighlights gab es schon lange nicht mehr. Schwenkt ORF2 nun wieder auf Normal-Programm?
Alexander Hofer: Wir versuchen Tag für Tag den Schritt zurück in die programmliche Normalität. Allerdings sind beide TV-Events beeinflusst durch die aktuelle Corona-Situation: Die ROMY war ja als Gala abgesagt. Deshalb freut es mich umso mehr, dass wir eine Idee entwickeln konnten, die die Publikumslieblinge und die Preisträger der ROMY-Akademie in einer Hauptabend-Sendung vor den Vorhang bittet. Das wird nicht nur würdig, sondern zum Teil auch sehr überraschend für die Gewinner und das Publikum zuhause. Und bei Marcel Hirscher galt es, in diesem speziellen Jahr ein Format für einen sehr speziellen Sommer zu finden.
Wie kam es zur Zusammenarbeit? Hirscher muss ja nichts - nur das mögen, was er tut.
Aufgrund der Reisebeschränkungen haben wir uns entschieden, den Fokus auf Österreich als Urlaubsland zu legen, das ja mit einer unglaublichen Vielfalt an Möglichkeiten gesegnet ist. In Anlehnung an eine Sendungsidee, die schon im Vorjahr gewälzt wurde, haben wir den vielfachen Weltcup-Sieger angefragt. Er sagt ja selbst, dass er sehr viel unterwegs war, aber trotzdem nicht so viel gesehen hat, weil er sich auf den Sport konzentriert hat. In „Ein Sommer in Österreich“ zeigt er die schönsten Ecken Österreichs und vollen Körper-Einsatz vom Klettern bis zum Kajak-Fahren.
Wie sehr war der Salzburger bei dieser Sendung involviert?
Ich bin begeistert von seiner Begeisterung, aber auch von seiner Akribie bei der Vorbereitung und der Umsetzung der Sendung. Marcel Hirscher ist keiner, der es sich auf einen Sessel gemütlich macht, in die Kamera lächelt und einer Sendung nur sein Gesicht leiht. Er liebt Sport, er liebt Action und das sieht man, er lieferte aber auch Ideen für die Sendung bis hin zu Locations. Die Zuseher erleben den Publikumsliebling in einer neuen Rolle und das in den schönsten Regionen des Landes. Hirscher ist es dabei wichtig, authentisch zu bleiben und wird, was er zu sagen hat, auch in eigenen Worten sagen.
Ist „Ein Sommer in Österreich“ der Auftakt zu mehr?
Wir freuen uns jetzt einmal auf diese Sendung, werden danach analysieren und dann wird man sehen, was sein wird.
Corona hat auch an anderer Stelle im Programm starken Einfluss. Erstes sichtbares „Opfer“ ist die „Millionenshow“, von der keine neuen Aufzeichnungen vorerst gemacht werden können. Ab Montag wird auf dem Sendeplatz vorerst „Jahrzehnte in Rot Weiß Rot“ gespielt. Wie reagiert man programmplanerisch auf das Ausdünnen des Nachschubs?
Konkret zur „Millionenshow“: Wenn es die Auflagen zulassen können wir Ende Mai Aufzeichnungen ohne Publikum aufnehmen – und planen für diesen Fall die Ausstrahlung an zwei Samstagen Ende Juni. Was ORF2 ausmacht, das haben die vergangenen Monate bewiesen, ist zum einen eine enorme Flexibilität beim Informationsangebot – da wurden Hauptabende gekippt, Sonderprogramme gefahren, Sendungen verlängert, nahezu ganze Tage mit Information bestritten. Was ORF2 programmplanerisch auch kennzeichnet ist, dass wir uns grosso modo sehr schnell auf neue Gegebenheit einstellen.
Woran denken Sie da konkret?
Ein Beispiel war das Osterwunsch-Konzert mit der erweiterten ORF2-Familie an einem Wochenende, an dem viele ihre Angehörigen nicht wie sonst treffen konnten. Stattdessen waren unser Publikum Gast in den Wohnzimmern von Assinger, Karlich und Co. Auch Karl Plobergers „Das Paradies daheim“ ist ein solches Beispiel, bei der seine Moderationen im eigenen Garten aufgenommen wurden – und 800.000 Menschen sahen zu. Wir haben also neben den großen Infostrecken dem Publikum auch Wohlfühloasen bieten können und das, bedingt durch Corona, unter neuen Produktionsvorgaben.
Jetzt steht sozusagen schon der Sommer vor der Tür. Wird Ihnen unter diesen äußeren Umständen bang?
Dann wären wir am falschen Platz. Es heißt nun, sich auf die Situation einstellen und kreativ damit umgehen. Diese Krise eröffnet ja auch Raum für Innovationen und die Freiheit, manches anders zu denken und umzusetzen als gewohnt.
Was kann man denn für einen Sommer planen, in dem Veranstaltungen und Konzerte abgesagt sind?
Was jetzt gerade passiert, ist die Aufzeichnung eines neuen Formats, der „Gartenshow“, bei der Musik und, wie der Name schon sagt, das Thema Garten zentral sind. Das muss ohne Publikum stattfinden und wird im Juni und im späteren Sommers zu sehen sein. Die „Starnächte“ und „Wenn die Musi spielt“ sind aufgrund der behördlichen Vorgaben aufs nächste Jahr verschoben. Bei der „Musi“ begehen wir aber trotzdem das Jubiläum, und zwar mit einem Best of aus 25 Jahren und natürlich mit frischen Moderationen. An einem Konzept für die „Starnacht“ arbeiten wir noch, aber auch da wollen wir dem Publikum eine „Musikshow“ anbieten können. Das ist unser Ziel: Ersatzprogramme schaffen, die ein wenig über die Absagen hinwegtrösten.
Wie steht es um die Spira-Nachfolge-Sendung? Fällt die Corona zum Opfer?
Das ist die gute Nachricht: Es wird die neuen „Liebesgschichten“ im Sommer geben. Auch diese Sendung war und ist von den gravierenden Produktionsbeschränkungen betroffen, was eine Nachfolge der Toni Spira nicht einfacher macht. Eine neue Gestalterin, Nina Horowitz, ein neuer Look der Sendung und natürlich ein etwas anderer Zugang beim Zusammentreffen mit interessanten Menschen auf Partnersuche – ich freue mich darauf.
Eine Idee, die Sie schon länger verfolgen, ist eine neue eigene ORF2-Serie. Unter Corona-Umständen wohl unmöglich umsetzbar, weil ja keine Dreharbeiten möglich sind.
Das ist ein Grund, es geht aber auch um unsere finanziellen Möglichkeiten. Dass der ORF jetzt sicher nicht mit Mehreinnahmen rechnen kann, ist ohnehin bekannt. Ganz im Gegenteil. Trotzdem hoffen wir als gesamter ORF natürlich, dass die heimischen fiktionalen Produktionen möglichst bald wieder aufgenommen werden können. Sie sind ein ganz wichtiger Teil des ORF-Programms. Wir kommen den Produzenten da auch entgegen, wo es uns nur irgend möglich ist – wir sind Partner und sitzen da gewissermaßen im gleichen Boot. Was sie nicht drehen können, können wir nicht spielen. Die Fortsetzung der ‚Romy“-gekrönten ‚Vienna Blood‘-Reihe wird noch heuer stattfinden.
Ich nehme an, von dieser Zurückhaltung ist auch „ Aktenzeichen XY ungelöst Österreich“ betroffen?
Wir verfolgen den Plan einer Österreich-Version weiterhin. Es ist das aber etwas, das heuer nicht mehr zu schaffen sein wird.
Die Österreicher sind in den vergangenen Wochen zu Info-Junkies geworden und haben sich dazu meist bei ORF2 bedient.
Die ORF-Information als Ganzes und speziell auch die Kollegen, die den Isolationsbereich besiedelt haben, haben Großartiges geleistet. Sie haben die Bevölkerung in einer Ausnahmesituation mit dem Wesentlichsten versorgt, nämlich geprüfter Information und hier nicht nur mit aktuellen Meldungen, sondern auch mit Hintergründen. Dazu gehörte wiederkehrend die kritische Auseinandersetzung mit Erlässen und Verordnungen sowie die breite Diskussion. Es freut mich natürlich, dass das Publikum das Angebot, wie die Zahlen zeigen, so intensiv genutzt hat. ORF 2 hier aber nur auf die aktuelle Information zu reduzieren, greift zu kurz. Der Sender war und ist mehr – auch in dieser Situation – Doku, Magazine bis hin zur Unterhaltung wurden ebenfalls überragend genutzt.
Trotzdem muss sich der ORF den Vorwurf gefallen lassen, er sei zum „Regierungsfunk“ mutiert, weil jede Pressekonferenz der Koalition übertragen wurde.
Dem halte ich entgegen, dass die authentische Information in diesen ersten Wochen der Pandemie ein Grundbedürfnis der Bevölkerung war. Alle Zahlen und sonstigen Informationen über das Fortschreiten von Corona und die Maßnahmen dagegen kamen zu diesem Zeitpunkt von Regierungsmitgliedern, die dafür ja auch die Verantwortung zu tragen haben. Naturgemäß bringt es eine Regierung da zu mehr Bildschirm-Präsenz. Ich verweise aber ebenso auf die vielen Sondersendungen, die Runden Tische, „Im Zentrum“ oder die Live-Übertragungen der Parlamentsdebatten, was auch den Oppositionsparteien sehr viel Sendefläche geboten hat, ihre Standpunkte und Sichtweisen der Bevölkerung nahe zu bringen. Und davon abgesehen, die ORF-Journalisten beherrschen das kritische Nachfragen und haben schlicht eine sehr gute Performance abgeliefert.
Die vergangenen Wochen haben auch Programm-Änderungen mit sich gebracht, über die ORF-Generaldirektor Wrabetz schon zuvor öffentlich nachgedacht hatte wie die Verlängerung und Durchschaltung der „ZiB1“. Hat dieser unfreiwillige Probelauf die Erkenntnisse gebracht, ob es dabei bleiben soll?
Da gibt es noch keine Entscheidung und zwar auch deshalb, weil diese Änderungen immer im Zusammenhang mit der aktuellen Corona-Situation gestanden sind und stehen. Feststellbar ist, dass die „ZiB1“ auf allen ORF-Kanälen gut genutzt wird. Das ist nach der Verkürzung und der Rückkehr des Sports weiterhin so.
Wann werden eigentlich die „Seitenblicke“ zurückkommen?
Ein Gesellschaftsmagazin ohne funktionierendes Gesellschaftsleben im Land hat es am angestammten Sendeplatz sehr schwer. Aber wir wollen auf die Marke „Seitenblicke“ nicht länger verzichten. Wir werden sie über die Sommermonate in einer modifizierten Form in den Vorabend heben und zwischen „Studio 2“ und „konkret“ als Spin-off „Seitenblicke Sommerfrische“ spielen. In diesem Format wird man sich auf feuilletonistische Art und Weise sowie auf der Ebene von Anekdoten von heute und gestern den verschiedenen Urlaubsgegenden widmen. Wenn das Gesellschaftsleben wieder so ist, wie wir es gernhaben, werden die „Seitenblicke“ wieder auf ihrem Stammplatz und in gewohnter Form zu sehen sein.
Am Platz, dem auf dem Küniglberg, hängt Corona-bedingt auch "Guten Morgen Österreich" fest.
Das wird nicht mehr lange so sein. Noch vor Sommerbeginn wird der Standort am Küniglberg verlassen, ab Juli geht’s wieder durchs Land.
Danke für das Gespräch.
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