ORF-Spitzengagen: Medienminister fordert Einschnitte

ORF Mediencampus
Vizekanzler Babler (SPÖ) fordert Maßnahmen, FPÖ kritisiert „Privilegienstadl", verteidigt aber Kratky. ÖVP will vom ORF Beitrag zur Budgetsanierung

Die politischen Reaktionen auf die namentliche Veröffentlichung der ORF-Gehälter über der Grenze von 170.000 sind, erwartbar, negativ - aber auch hochkarätig. 72 von insgesamt gut 3800 ORF-Mitarbeiter fallen in diese Kategorie. Der wirtschaftlich und von der Politik gebeutelte Öffentlich-Rechtliche ist übrigens das einzige vom Rechnungshof geprüfte Unternehmen, das diese gesetzliche Vorgabe seit zwei Jahren hat. 

Nichtnachvollziehbare Spitzengehälter

Vizekanzler und SPÖ-Bundesvorsitzender Andreas Babler, der auch neuer Medienminister ist, erwartet sich jetzt vom ORF Einschnitte. „Der Spargedanke muss sich auch in den Spitzengehältern niederschlagen“, verlangt er in einer Stellungnahme auf X. Bevor Leistungen gekürzt, Programme ausgedünnt und eingeschränkt oder junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gekündigt werden, erwarte ich mir Maßnahmen bei den ORF-Spitzengehältern. Die ORF-Führung ist hier in der Verantwortung.“  

Es sei klar, dass es marktkonforme Gehälter geben müsse, so der Vizekanzler. „Warum es beim ORF Spitzenverdiener:innen gibt, deren Gehalt höher ist als jenes des Bundespräsidenten, während gleichzeitig Leistungskürzungen für das Publikum in den Raum gestellt werden, ist nicht nachvollziehbar.“

Der ORF-Transparenzbericht lege viel Sparpotential offen, meint der Generalsekretär der Volkspartei, Nico Marchetti. „Wenn ein Unternehmen sich leisten kann, dass es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt, die mehr verdienen als der Bundespräsident, kann auch der ORF einen Beitrag zur Budgetsanierung leisten. Immerhin wird der ORF auch von den Bürgerinnen und Bürgern bezahlt, die häufig auch in anderen Bereichen Einsparungen vornehmen müssen.“ 

Es sei wichtig, dass das Verständnis der Menschen für die wichtige Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestehen bleibt. „Damit das erreicht werden kann, muss auch der ORF einen fairen Beitrag leisten“, betont Marchetti. Der in Anspielung auf die Nummer 2 der Einkommensliste Pius Strobl, der den 300-Millionen-Neu- und Umbau des ORF-Zentrums managt, meint: „Dass ausgerechnet der Mitbegründer jener Partei - der Grünen - ein Topverdiener in jenem ORF ist, von dem eben jene Grünen großspurig eine Entpolitisierung einfordern, ist mindestens eine schiefe Optik.“

Auch von der dritten Koalitionspartei gibt es Kritik am ORF. NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter verweist auf X zunächst auf ein Bekenntnis zum „Sparen und Reformen im System". Sie sei „überzeugt, dass Spar- und Reformmaßnahmen im ORF ohne Einschränkungen bei Programm und Qualität absolut möglich sind."

Gehaltsexzesse

Aufhorchen lässt die FPÖ, die zwar den „zwangssteuerfinanzierten Privilegienstadl“ und „Gehaltsexzesse“  kritisiert. Den Spitzenreiter bei den ORF-Gagen, „Ö3 Wecker“-Legende Robert Kratky (472.000 Euro Jahresgage) aber in Schutz nimmt. „Denn Kratky ist gar kein ORF-Angestellter, sondern selbstständiger Unternehmer mit befristeten Verträgen und als solcher muss er einen sehr großen Teil der genannten Summe versteuern“, erklärt FPÖ-Mediensprecher und Generalsekretär Christian Hafenecker

Tatsächlich seien daher der ORF-Sicherheitsbeauftragte und Ex-Grünen-Funktionär Pius Strobl mit fast 452.000 Euro im Jahr sowie der durch die ÖVP installierte ORF-Generaldirektor (Roland) Weißmann mit mehr als 427.000 Euro Jahreseinkommen die öffentlich-rechtlichen Gagenkaiser. Allerdings, die bei ihnen genannten Jahresbruttosummen sind auch nicht das Gehalt, sondern beinhalten Einmalzahlungen etc. Wie bei Kratky sind ihre Verträge bis 2026 befristet.

Prekäre Beschäftigungsverhältnisse

Für die Mediensprecherin der Grünen, Klubobfrau Sigi Maurer, verdeutlicht der Transparenzbericht einmal mehr, „wie wichtig ein solches Instrument nicht nur für den ORF, sondern auch für alle öffentlichen Unternehmen wäre." Eine Debatte über die Höhe der Gehälter zu führen, sei sicher sinnvoll. Sie verweist allerdings auch auf oftmals prekären Beschäftigungsverhältnisse im ORF, vor allem hinsichtlich der nach wie vor bestehenden Kettenarbeitsverträge. „Hier sehen wir ebenso dringenden Handlungsbedarf.“

Der ORF hat soeben von der Dreier-Koalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS ein zusätzliches Sparpaket aufgebrummt bekommen. Das beinhaltet die Nicht-Valorisierung des ORF-Beitrags bis 2029 bei 15,30 Euro monatlich sowie die Sperre des Zugriffs auf ein Sperrkonto, auf dem zunächst nicht genutzte Beitragsmillionen zweckgewidmet für den öffentlich-rechtlichen Auftrag liegen. Das Volumen liegt bei jenseits der 220 Millionen und das zusätzlich zum bereits laufenden 300-Millionen-Paket.

Um das zu stemmen, geht ORF-Chef Weißmann erneut auch an die Personalkosten. Ein „Handshake“-Programm, das ohne das Wort „golden“ auskommen muss, ist angekündigt. KURIER-Informationen zufolge sollen 350 (älteren) Gutverdiener ein Angebot zum vorzeitigen Ausscheiden aus dem Unternehmen bekommen. Darüber hinaus sind Einschnitte bei Programm und Strukturen zu erwarten.

Mehr Männer als Frauen unter Spitzenverdienern

Nach Vorliegen des gesamten Transparenzberichts liegen weitere Detailergebnisse vor: Nach Geschlechtern aufgeschlüsselt zeigt sich, dass ausschließlich Männer über 300.000 Euro verdienen. Auch in den Gehaltskategorien 200.000 bis 300.000 Euro (24 Männer, 9 Frauen) sowie 150.000 bis 200.000 Euro (60 Männer, 19 Frauen) und 100.000 bis 150.000 Euro (502 Männer, 198 Frauen) haben diese die Nase klar vorne. In den beiden niedrigsten Gehaltsklassen (bis 50.000 Euro und 50.000 bis 75.000 Euro) sind dagegen mehr Frauen vertreten.

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