Immerhin bei „Der Bergdoktor“ (20.15, ORF2) gibt es heute „Hoffnung“. Doch zuvor entdeckt Dr. Martin Gruber bei der elfjährigen Tamara nach einem Bergunfall eine schwere Erkrankung. Ihre Mutter bittet, die Diagnose zu verschweigen ...
Dieser neue Fall erwischt nicht nur Dr. Gruber in emotionalen Zeiten. Das gilt auch für viele Fans. Im Schnitt verfolgen 785.000 Seher die 18. Staffel der ZDF/ORF-Koproduktion - eine der meistgesehenen Serien in Österreich.
In diese Welt platzte jüngst ORF-Stiftungsratsvorsitzender Lothar Lockl. In der „ZiB“ sagte er: Kommen zusätzliche Kürzungen beim ORF, über die FPÖ und ÖVP verhandeln, sind „in Frage gestellt österreichische Folgen von ,Tatort‘ oder ,Universum‘, Serien wie ,Der Bergdoktor‘, Sport- und Ski-Übertragungen und die Berichterstattung von regionalen Veranstaltungen wie die ,Starnacht‘ ...“
Diesem Programm-Kahlschlag widersprach tags darauf FPÖ-Verhandler und Stiftungsrat Peter Westenthaler: „Keine Sendung muss eingestellt und niemand rausgeschmissen werden.“
Fakt ist: Heuer muss der ORF 80 Millionen und 2026 über 100 Millionen sparen, um im Finanzplan, der seit Jahren etwa eine Milliarde Umsatz umfasst, zu bleiben. Die FPÖ will nun zusätzlich „in einem ersten Schritt" den abgesenkten ORF-Beitrag um 15 Prozent kürzen – macht ungeplant weitere 100 Millionen.
ORF-Chef Roland Weißmann hat signalisiert, dass das ohne zusätzliche Personalmaßnahmen und Produkteinstellungen nicht umsetzbar. Gibt es auch noch Streichungen bei der Sender-Aufstellung geht es auch um Sendeplätze.
Damit hat das Ringen um den ORF und seine künftige Finanzierung nicht nur die ORF-Mitarbeiter, sondern auch Ellmau, die Koproduktionspartner und vor allem die heimische Filmwirtschaft erreicht. Denn das wird wohl an der Branche nicht spurlos vorüber gehen.
In die investiert der ORF jährlich 100 Millionen. Meist sind Serien und TV-Filme Koproduktionen. So verteilen sich die Kosten auf mehrere, auch deutsche Partner (Sender, Produzenten, Fördergeber) und der ORF kann mehr machen aus seinem Budget.
Trotzdem kommt vieles österreichisch daher – Wertschöpfung inklusive: Einige „Landkrimi“, „Soko Donau“ und „Die Toten vom Bodensee“ oder jene aus Salzburg sind wie „Der Bergdoktor“ ZDF-Koproduktionen, die Steirerkrimis und die neue Reihe „Mord in Wien“ eine mit der ARD-Degeto, bei TV-Filmen wie „Ungeschminkt“ und „Faltenfrei“ mit Adele Neuhauser sowie bei der eben gestarteten „School of Champions“ ist der BR Partner. Dazu kommen Highend-Produktionen: in Kürze etwa die neue zweite Staffel von „Die Totenfrau“, die mit Netflix umgesetzt wurde.
Essenzieller Partner
ARD-Programmdirektorin Christine Strobl erklärt das Verhältnis zum ORF wie folgt: „Starkes Programm braucht starke Partner.“ Gerade jetzt sei es entscheidend, die journalistische und kreative Kompetenz zu bündeln – für verlässliche, unabhängige Informationen, einzigartige Fiktion und Show-Unterhaltung. „Der ORF ist dabei für uns ein essenzieller Koproduktionspartner.“
Der mit 1,2 Millionen Sehern größte fiktionale ORF-Erfolg 2024 war „Kopftuchmafia“. Dafür verantwortlich sieht Gerald Podgornig, Geschäftsführer bei Tivoli Film und Mona Film, Thomas Stipsits, der die Hauptrolle spielte und die Romanvorlage lieferte sowie das Team vor und hinter der Kamera, allen voran Regisseur Daniel Prochaska.
Produzenten droht die Doppelmühle
„Wahr ist aber auch, dass eine solche Produktion ohne verlässliche Partner nicht realisierbar wäre. Der ORF hat damit nicht nur Mut zu identitätsstiftenden Projekten bewiesen, sondern durch die Partnerschaft mit Arte auch wirtschaftlich klug agiert“, betont der Produzent.
Dass österreichische Produktionen Strahlkraft über die Grenzen des Landes hinaus haben, beweise auch die „Landkrimi“-Reihe im ORF, meint Podgornig. Deren jüngster, der Kärntner Landkrimi „Bis in die Seele ist mir kalt“ von und mit Pia Hierzegger wurde 2024 beispielsweise beim Deutschen-Fernseh-Krimi-Preis ausgezeichnet. „Auch hier war das perfekte Zusammenspiel von Kreativen, Produzenten, Sendern und Förderanstalten ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Kooperationen wie diese stärken den Film- und Wirtschaftsstandort Österreich gleichermaßen, indem sie das kreative Potenzial fördern, Wertschöpfung erzeugen und Arbeitsplätze sichern", unterstreicht Podgornig.
Er verweist aber auch darauf, dass ein Format mit starkem Lokalkolorit ohne die entsprechenden Förderinstrumente nicht umsetzbar ist. „Ein tragfähiges Finanzierungskonzept ist mindestens genauso entscheidend" wie die kreativen Rahmenbedingungen. Umso mehr trifft die heimischen Produzenten ein überraschender Förderstopp, der derzeit sowohl für österreichische TV- sowie Streaming-Produktionen wie auch für Hollywood-Projekte gilt (siehe Artikel oben).
Wenn dazu nun auch der ORF wegbricht, stecken die Produktionswirtschaft in der Doppelmühle. Die am Ende dann auch das Publikum betrifft, weil Dreh- und damit Sendepause ist. Da kann auch Dr. Martin Gruber nichts mehr machen.
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