Mayrs Magazin: „Eben kein langweiliger Frontalunterricht“

Mit seinen sachlichen und gleichzeitig mit Wortwitz ausgestatteten Analysen klärte ORF-Wissenschaftschef Günther Mayr das „ZIB“-Publikum in den vergangenen Monaten über die Corona-Pandemie auf. Dafür wurde er heuer von den Zusehern mit einer ROMY in der Kategorie Information geehrt. Nun führt er auch durch eine eigene Wissenschaftssendung: „Mayrs Magazin“ ist immer freitags um 18.30 Uhr in ORF2 zu sehen (aktuelle Themen siehe Infobox unten). Dabei ist der 54-Jährige eigentlich kamerascheu.
KURIER: Herr Mayr, Gratulation noch einmal zur ROMY! Was geht einem denn durch den Kopf, wenn einem Andi Knoll im Smoking gegenüber steht?
Günther Mayr: Dass das mit dem Kaffee nichts wird (lacht). Ich wollte eigentlich mit einem Mitarbeiter auf einen Kaffee gehen. Normalerweise habe ich eine scharfe Nase, aber ich hatte keinen blassen Schimmer – bis Andi Knoll vor mir gestanden ist. Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, man kann ja auch nicht damit rechnen, denn das wäre ja wirklich überheblich bei den super Kolleginnen und Kollegen, die es sicher genauso verdient hätten. Es hat mich getroffen und das ist natürlich ein tolles Gefühl.
Programmdirektorin Kathrin Zechner hat Sie mal beschrieben als einen „großartigen, aber doch öffentlichkeitsscheuen Kollegen, der durch die Pandemie plötzlich sichtbar werden musste“. Wie geht es Ihnen denn mittlerweile mit dieser Aufmerksamkeit?
Günther Mayr: (lacht) Es war wirklich so, dass ich mich nicht darum gerissen habe, um es auf Österreichisch zu sagen. Aber man wächst schon hinein. Es hat damit begonnen, dass diese Pandemie sich ausgebreitet hat. Irgendwann hat dann jemand gesagt: Du, ich brauch dich in zehn Minuten im Studio. Und da hat man im ORF unter der Ägide der Kathi Zechner nicht viele Möglichkeiten, zu sagen: Weiß ich nicht, kann ich nicht, will ich nicht. Sondern man macht’s halt und so ist es immer mehr geworden.
Kathrin Zechner: Günther Mayr ist ein besonders gescheiter, formulierungskünstlerisch fähiger Mensch. Aber wie gesagt ist er, im Unterschied zu vielen, kamerascheu. Mir wurde früher oft erzählt, wie sich der Günther Mayr bei solchen Auftritten „g’schrauft“ hat, dass das doch wer anderes machen könnte. Er macht’s nicht freiwillig, aber sehr gut und sehr erfolgreich.
Wie landet ein kamerascheuer Mensch denn ausgerechnet beim Fernsehen?
Mayr: Das war ein bisschen Zufall. Ich wollte immer Journalist werden und ein Credo von mir war: Aber ich will nicht zum ORF. Das hatte den Hintergrund, dass ich total unterschätzt hatte, was hier geleistet wird. Spiegel, Profil und vielleicht noch einige Tageszeitungen – das war für mich Journalismus. Dann habe ich an der Uni einen Vortrag von einem ORF-Korrespondenten gehört. Da habe ich mir gedacht: Burli, du musst umdenken! Die sind viel durchdachter und journalistisch viel schlauer, als du dir jemals hast vorstellen können. Deswegen habe ich mich für ein Volontariat beworben und bin dann im Landesstudio Kärnten gelandet.
Wie sind Sie zum Wissenschaftsjournalismus gekommen?
Mayr: Ich war zwischenzeitlich beim Profil in der Innenpolitik tätig. Aber es war nicht wirklich meins. Der Wissenschaftsjournalismus bietet schlicht und einfach Fakten, was in der Politik vielleicht nicht immer ganz im Vordergrund steht (schmunzelt). Der Weltumfang ist für alle gleich, das ist bewiesen. Insofern ist es eine sehr faktenorientierte Arbeit, wo der Journalismus an seine Urform kommt.

Und jetzt haben Sie ein eigenes Wissenschaftsformat. Eine Ausgabe von „Mayrs Magazin“ war ja bereits zu sehen. Was sind Ihre generellen Pläne für die Sendung?
Mayr: Was wir uns bei den Beiträgen in der „ZIB“ oft gewünscht haben, war, ein bisschen mehr in die Tiefe zu gehen. Ein Magazin bietet die Möglichkeit, Themen noch breiter anzulegen und z. B. Porträts von Wissenschafterinnen und Forschern zu zeigen. Wir arbeiten auch mit Augmented Reality und haben dadurch Dinge im Studio, die man nicht so leicht zu sehen bekommt (in der Auftaktfolge war es etwa der Mars Rover, Anm.). Mit diesen Möglichkeiten haben wir schon damals bei der Sendung „Modern Times“ experimentiert, wo man heute sagen würde: Eh lieb. Damals haben wir uns ja auch noch gefreut, dass wir Pizza übers Internet bestellen konnten. Das wird auch Teil der Sendung sein: zu zeigen, wie sich Forschung entwickelt hat.
Zechner: In der „Modern Times“-Zeit, hat man mir erzählt, hast du auch nicht davor zurückgeschreckt, am Tag der Sendung noch mal alles umzuschmeißen, um noch mehr in die Tiefe zu gehen. Du bist in ein Messflugzeug gestiegen und hast dich mitten in die Hagel-Wolke bringen lassen, damit du die Wolke von innen herzeigen kannst. Das macht Günther Mayr bis heute aus. Es ist die höchste Kür der Intelligenz, komplexe Zusammenhänge so begreifbar zu machen, dass sie alle verstehen. Ich erinnere an Sprüche wie „Impfen ist wie Schnapsen. Jeder Stich zählt.“
Corona wird man im neuen Magazin nicht aussparen können – welche Themen möchten Sie abseits dessen behandeln?
Mayr: Der Weltraum hat mich schon immer fasziniert. Insofern ist das jetzt passend, dass sich da oben so viel tut, am Mars. Da ist dieser Riesen-Kosmos, der uns auch Grenzen aufzeigt. Da kann auch die Wissenschaft noch nicht alles erklären. Wir wollen aber alle Themengebiete abdecken, von Naturwissenschaft über Technik bis zu gesellschaftlichen Problematiken. An der Pandemie werden wir gerade jetzt am Anfang nicht vorbeikommen, aber es wird nicht die Sendung dominieren. Ich glaube, es haben alle schon relativ genug davon.
Günther Mayr
1966 in Bregenz geboren, aufgewachsen in der Steiermark. Er begann seine ORF-Karriere im Landesstudio Kärnten, war zwischenzeitlich u. a. fürs „Profil“ tätig, ab 1996 wieder beim ORF. Dort war Mayr stellvertretender Sendungsverantwortlicher bei „Modern Times“, später bei „Newton“. 2007 wurde er Leiter der aktuellen Wissenschaft im ORF
ROMY-prämiert
Seit dem Vorjahr erklärt Mayr in regelmäßigen TV-Auftritten ruhig und verständlich die Corona-Pandemie. Das Publikum honorierte das mit einer ROMY in der Kategorie Information
Mayrs Magazin
Das 20-minütige Format „Mayrs Magazin: Wissen für alle“ ist freitags,18.30 Uhr (ORF 2) zu sehen. Die Themen heute: die Kinderkrankheit MIS-C, der Mythos Multitasking und ein Porträt des Virologen Florian Krammer
Seit mehr als einem Jahr erklären Sie die Pandemie. Ist es dann nicht zum Verzweifeln, wenn man sieht, dass Verschwörungserzählungen immer mehr Zuspruch erfahren?
Mayr: Ich weiß nicht, ob es immer mehr ist. Das erscheint uns manchmal vielleicht so, aber wenn wir uns das genauer anschauen, und auch hier gibt’s ja empirische Daten, sieht man, dass die sich nicht so stark vermehren wie das Virus (lacht). Es gibt schon eine Gruppe, die sehr hartnäckig ist. Aber ich glaube, das ist ein bisschen Propaganda von denen selbst, dass sie immer mehr würden. Wir sehen nicht Hunderttausende oder Millionen auf den Straßen. Ich glaube, die schweigende Mehrheit ist riesig, die sagt: Ja, wir haben ein Problem, wir müssen da jetzt durch.
Wie soll man mit Verschwörungsgläubigen umgehen?
Mayr: Sie schreien sehr laut, aber wir geben ihnen nicht zu viel Gewicht und das finde ich auch gut. Man soll schon darüber reden, dass es das gibt. Aber es gibt Mitbewerber, die die ja schon fast hofieren. Das werden wir nicht tun. Wir werden nicht Leuten ein Podium bieten, die schlicht und einfach die Unwahrheit sagen. Das kann nicht mehr unter Diskurs fallen. Und ich persönlich verzweifle nicht. Mir gegenüber haben sich ganz wenige offen deklariert, die kann ich an einer Hand abzählen.
Corona hat uns vor Augen geführt, wie wichtig Wissenschaft und Wissenschaftsjournalismus sind – wurde das in der Vergangenheit genug gewürdigt im ORF?
Zechner: Aus meiner Sicht – seit 40 Jahren: ja. Ich denke da nicht nur an Magazine wie „Modern Times“, sondern auch an die Arktis-Expedition von Elisabeth Guggenberger und Helmut Voitl, an „Universum“, „Universum History“ oder die „Science Busters“. Wissenschaft in Verbindung mit diesem leidenschaftlichen Bildungsauftrag, der eben nicht langweiliger Frontalunterricht ist, hat lange Tradition, und das Schöne ist, dass die Stafette immer weitergegeben wird. Günther arbeitet ja jetzt auch schon mit wenigen, aber doch großartigen jüngeren Kollegen wie Florian Petautschnig oder Ruth Hutsteiner zusammen.
Mayr: Dem kann ich mich nur anschließen. Die Geschäftsführung hat sich schon weit vor der Pandemie deklariert und für Fach-Ressorts starkgemacht. Ich denke, das würden sich einige andere Medien auch wünschen, dass sie das immer so gehandhabt hätten. Dann wären sie vielleicht berichterstattungsmäßig etwas besser durch die Pandemie gekommen.
In der Pandemie hat nicht nur Wissenschaftsjournalismus großen Zuspruch erfahren, auch z. B. „Fit mit Philipp“ wurde mit einer ROMY ausgezeichnet, Fernsehsender hatten beachtliche Quoten, weil die Menschen mehr ferngesehen haben. Wie muss man denn nun Programm machen, wo sich die Pandemie dem Ende zuneigt?
Zechner: Ja, wir haben großen Zuspruch, durch profunden und unabhängigen Journalismus, auch in den Bereichen Dokumentation und Reportage. Wir haben schnell programmlich auf herausfordernde Situationen reagiert: Als die Live-Kultur weggebrochen ist, haben wir gestreamte Kultur-Ereignisse angeboten, genauso hat es im Sport Ausfälle gegeben, die kompensiert werden mussten und wir haben mit Filmen und Serien unterhalten. Dass ein postpandemischer Zustand eine andere Herausforderung ist, ist logisch. Aber ich traue dem ORF sowie den Kulturinstitutionen und auch den Kolleginnen und Kollegen von der Konkurrenz zu, auch wieder spannende Dinge anzubieten, mit denen wir uns auseinandersetzen können.
Die „ZIB“ soll es, wurde kürzlich bekannt gegeben, künftig auch für das soziale Medium TikTok geben. Könnte Günther Mayr auch bald auf TikTok Wissenschaft erklären?
Mayr: Nein, da ist nichts angedacht. Es sei denn, man hat es mir noch nicht gesagt, aber das glaube ich nicht (lacht).
Zechner: Ich würde sagen, getreu dem Bild, das es von mir gibt, strenge Vorgaben zu machen: Günther, wir konzentrieren uns jetzt mal auf das, was du eh täglich machst, plus die neue Sendung und was auch immer du noch schreiben mögest.
Mayr: Also Tock tock tock auf Holz, könnte man da sagen (lacht).
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