Martin Thür: "Natürlich bekomme ich auch Kritik"
Eine normale Arbeitswoche? So etwas habe er schon länger nicht mehr gehabt, erzählt Martin Thür. Seit über einem Jahr ist er das Gesicht der neu geschaffenen „ZiB 2 am Sonntag“, aktuell kommt der ROMY-nominierte Moderator aber auch in den zahlreichen Sondersendungen rund um die Corona-Krise zum Einsatz. Im Telefongespräch erklärt der 37-Jährige, warum er jetzt besonders aktiv in den sozialen Medien ist.
KURIER: Anfang 2019 ist die „ZiB 2 am Sonntag“ mit Ihnen als Anchor gestartet. Wie sieht Ihr Resümee nach etwas mehr als einem Jahr aus?
Martin Thür: Wirklich gut. Es ist immer schwierig, ein neues Format zu starten. Jeder kennt die „ZiB 2“ und weiß, was man sich erwarten kann. Einen neuen Tag dazuzunehmen, war aber schon lange davor in Diskussion im ORF. Wenn man sich die Quoten und das Interesse der Zuseher ansieht, merkt man, dass es die richtige Entscheidung war. In Situationen wie bei Ibiza oder der Corona-Krise gibt es jetzt dieses zusätzliche Gefäß, mit dem wir noch mehr Informationen bieten und auch einmal 90 Minuten durchspielen können.
Am 13. Jänner 2019 startete die neu geschaffene "ZiB 2 am Sonntag" in ORF2 – und muss den Quotenvergleich mit der "ZiB 2" unter der Woche nicht scheuen.
Seit Sendungsbeginn waren am Sonntag durchschnittlich 628.000 Zuseher bei einem Marktanteil von 22 % dabei. Bei der Werktags-"ZiB 2" waren es im selben Zeitraum 665.000 (Marktanteil: 26 %).
Die "ZiB 2 am Sonntag" ist heute (22. März) um 21.50 Uhr in ORF2 zu sehen.
Ibiza und Corona sind für den ORF auch Gelegenheiten, sein Dasein zu legitimieren.
Absolut. Ich halte mich ja gern mit martialischen Ausdrücken zurück, aber es gibt diese Bezeichnung der kritischen Infrastruktur. Man merkt gerade in der Krise, dass es wichtig ist, ein Medium zu haben, das Menschen zuverlässige Informationen liefert. Für viele Medien ist das jetzt eine extrem herausfordernde Situation, auch kaufmännisch, weil die Werbeeinnahmen einbrechen. Da werden viele Probleme bekommen und müssen unterstützt werden. Aber gerade deshalb braucht es einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der in dieser Wirtschaftskrise, die auf uns zukommt, ökonomisch weitersenden kann. Die Gebühren sichern uns eine beständige Information und das ist entscheidend in solchen sehr kritischen Situationen.
Man kann aber auch nicht 24 Stunden am Tag Krisenberichterstattung machen.
Nein, das passiert aber auch nicht. Der ORF bemüht sich, nicht nur Information zu bringen, sondern auch Formate, die den Alltag abbilden und praktische Hilfe anbieten. Es gab letztens eine sehr tolle Sendung von Barbara Stöckl zu dem Thema. Und es braucht auch Unterhaltung, damit die Menschen in dieser sehr schwierigen Situation einfach auch einmal durchatmen können. Ich finde, momentan gelingt es ganz gut, die Balance zu halten.
Trotz der vielen Sondersendungen kursieren in sozialen Medien viele Falschinformationen. Was kann man tun?
Soziale Medien sind da eine absolute Herausforderung. Wir alle haben wahrscheinlich diese WhatsApp-Nachrichten bekommen, in denen die Stimmen der Minister nachgemacht wurden und wo es geheißen hat, in der Corona-Krise werde gleich dieses und jenes passieren. Da ist es wichtig, dagegenzuhalten. Deswegen sind ja auch so viele Journalisten in den sozialen Medien und auch ich bemühe mich immer, dort mit Fakten aufzutreten und meine Arbeit zu erklären. Das alles in die sozialen Medien hineinzutragen und dagegenzuhalten, ist auch die Verantwortung von uns Journalisten in so einer Situation.
Sind Fake News das Ergebnis von „Stiller Post“ oder Boshaftigkeit?
Es wird wohl beides sein. Es gibt eine große Verunsicherung in der Bevölkerung und das ist ein Nährboden, auf dem so etwas besonders sprießt. Und natürlich gibt’s auch Leute, die solche Dinge ganz bewusst streuen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Das Erste ist problematisch, aber bis zu einem gewissen Punkt verständlich. Das Zweite ist gefährlich und ganz hart zu kritisieren. Gegen beides aber müssen wir, besonders in solchen Situationen, präsent auf diesen Plattformen sein und verifizierte Informationen teilen. Ich habe letztens zum Beispiel noch weitere Details, die wir nicht im „ZiB“-Beitrag unterbekommen haben, auf Twitter gepostet, um jenen, die es interessiert, noch mehr Hintergrundinformationen zu bieten.
Sie sind bekannt als einer, der gerne in Archiven schmökert. Bleibt Ihnen aktuell noch Zeit dafür?
Im täglichen Betrieb ist es natürlich schwieriger, sich besonders in ein Thema zu vertiefen. In aller Regel weiß ich bei einem „ZiB 2“-Interview gegen Mittag, wer kommt, manchmal aber auch erst wenige Stunden vor der Sendung. Viel Zeit ist da nicht und deswegen ist es wichtig, immer die aktuelle Debatte zu verfolgen, um bei allen Themen halbwegs sattelfest zu sein. Das ist ein Marathon, den wir als Journalisten machen, und kein Sprint.
Gehen Ihnen die langen Recherchen nicht ab?
Bei Addendum (Rechercheplattform, bei der Thür zuvor tätig war, Anm.) habe ich diese ganz großen Recherchen gemacht, wo man sich wirklich monatelang in ein Thema vertiefen kann. Ich habe zum Beispiel vier Monate lang den SPÖ-Wahlkampf mit Tal Silberstein intensiv beobachtet, mit allen Beteiligten gesprochen und das war schon sehr spannend. Aber tagtäglich eine Sendung zu machen, eine Deadline zu haben und zu sagen, wir müssen bis um 22 Uhr der Wahrheit so nah wie möglich kommen, hat schon etwas: Das ist tägliche Geschichtsschreibung.
Durch die „ZiB 2“ sind Sie als Person auch präsenter. Werden Sie oft angesprochen?
Es hält sich in Grenzen, aber natürlich werde ich auch darauf angesprochen. Man merkt, dass die „ZiB 2“ einfach eine Sendung mit großer Aufmerksamkeit ist. Was da Thema ist, darüber spricht in aller Regel das ganze Land am nächsten Tag. Persönlich gab es bisher nur Lob. Natürlich bekomme ich auch Kritik, vor allem per E-Mail, und die bemühe ich mich auch zu beantworten. Sachliche Kritik ist ja auch völlig legitim.
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