Im Presseheft zu „Kleo“ steht, die Idee entstand in einem asiatischen Restaurant in München. Wie kommt man denn dort auf eine DDR-Agentin?
Konrad: Wir hatten ja gar nicht die Ur-Idee. Wir haben uns in einem Münchner Restaurant mit jemandem getroffen und diese Person sagte: ,Ich schenke Ihnen eine Idee. Wie wäre es, wenn man den Graf von Monte Christo am Ende der DDR erzählt?‘ Wir fanden das wirklich gut. Aber der Graf von Monte Christo wurde schon mehrfach erzählt. Also haben wir eine Gräfin genommen und so kam eins zum anderen.
Und von wem wurde Ihnen die Idee geschenkt?
Konrad: Dürfen wir das sagen?
Hackfort: Wir dürfen, wir danken ihm ja auch im Abspann. Das war Jan Mojto von der Beta Film.
Kropf: Schöner wäre es natürlich, wenn wir sagen würden, das war der Kellner des Restaurants (lacht).
Und Sie waren alle drei sofort begeistert von der Idee?
Hackfort: Wir hatten Spaß an der Idee. Man schaut ja immer, dass man sich in dem, was man tut, nicht wiederholt. Diese Kombination aus Rache- und Profikillergeschichte ist in Deutschland wahnsinnig schwer zu erzählen. Aber hier bot sich plötzlich ein Zeitfenster, etwas Originäres innerhalb dieses Genres zu machen, ohne dass es unglaubwürdig wirkte. Denn es gab ja diesen Mythos der Stasi-Killer. Und bei der Recherche haben wir mehr und mehr herausgefunden: So unwahrscheinlich ist das alles auch gar nicht. Viele Dinge, die in der Serie auftauchen, gab es wirklich. Zum Beispiel die Arbeitsgruppe des Ministers für Sonderfragen und das Ausbildungscamp, in dem Kleo ist. Viele der Methoden, die sie anwendet, haben wir in Ausbildungsbüchern und -filmen gefunden.
Wieso funktioniert dieses Genre in Deutschland nur schwer?
Konrad: Deutschland hat das Problem, dass es in der Fiktion sehr realitätsnah ist. Jeden Sonntag nach dem Tatort steht im Spiegel der Realitätscheck: „Wie realistisch war der Sonnenenergie-Tatort?“ Wenn das in den USA, in England oder Asien erzählt wird, dann wird es akzeptiert. Aber im eigenen Land nicht: Dann heißt es: „Das ist Quatsch, das gab es nicht, so sieht es bei mir im Hinterhof doch nicht aus“. Mit der Staatssicherheit und in dieser Zeit ist es aber tatsächlich denkbar.
Hackfort: Man muss beim Genre immer einen Anker in die Realität finden, mit der sich die Leute identifizieren können. Das hatten wir auch bei „4 Blocks“. Es ist die Geschichte einer Mafia-Familie, aber der Anker in unsere Realität war die Community der arabischen Clans in Berlin. Hier ist unser Anker die Staatssicherheit und im Speziellen die Arbeitsgruppe des Ministers. Wir hatten das Gefühl, das ist eine Möglichkeit, mit diesem Genre zu spielen. Es ist ja keine klassische Killer-Serie, sondern auch ein Kommentar zu diesem Genre.
Kropf: Wir sind keine Dokumentarfilmer und verfilmen auch keine Wikipedia-Artikel. Der größte Spaß an der Arbeit ist ja, zu recherchieren und auf Dinge zu stoßen, die gewisse Fragen aufwerfen und die eigene Fantasie anregen. Und wenn es um einen Geheimdienst oder in dem Fall um die Stasi geht, dann geht die Fantasie natürlich noch mal schneller los.
Die Regisseurin Viviane Andereggen hat die Serie beschrieben als Mischung aus "Kill Bill" und "Killing Eve". Waren das auch Ihre Vorbilder beim Schreiben?
Konrad: Natürlich kennen wir beides und mögen das auch sehr, aber es war nicht die Absicht, in diese Richtung zu gehen.
Hackfort: Fast schon im Gegenteil. Wir haben immer wieder gemerkt: Wenn wir das jetzt so machen, rutscht es zu sehr in diese Richtung. Auch wenn das schön wäre, aber wir müssen es anders machen. Wenn es um eine weibliche Killerin geht, drängt sich natürlich der Vergleich mit diesen beiden Figuren auf. Ich glaube, Viviane hat sich da aber eher auf die emotionale Herangehensweise bezogen, auf die Sicht durch die Augen einer weiblichen Killerin und weniger um formale Aspekte.
Sie waren nun zum ersten Mal Showrunner bei einer Serie. Was war dadurch anders?
Konrad: Mehr Arbeit. Viel mehr Arbeit (lacht).
Hackfort: Es ist komplett anders, weil man die letzte kreative Instanz ist, die am Ende des Tages die Entscheidung zu treffen hat. Wir haben Netflix eine bestimmte Vision verkauft und waren dann dafür verantwortlich, dass sie das auch so geliefert bekommen. Wir haben die Regie ausgesucht und Casting gemacht, waren am Set beim Drehen und haben bis zum letzten Tag der Mischung und des Color-Gradings das getan, was sonst der Regisseur oder die Regisseurin tut. Das ist viel Arbeit, aber auch ein sehr guter Weg, die Vision, die man im Kopf hatte, umzusetzen. Was nicht bedeutet, dass wir uns diktatorisch hingestellt und gesagt hätten: So und so musst du das inszenieren und das sind die Requisiten, die wir haben wollen. Wir haben uns für die Zusammenarbeit die Leute ausgesucht, die uns inspiriert haben und deren Expertise wir nutzen wollten.
Kropf: Das Prinzip des Showrunners ist in Deutschland noch nicht so etabliert. Hier gibt es andere Strukturen, wenn man eine Serie produziert und daher war es wichtig, dass man das mit einer gewissen Behutsamkeit zusammenführt. Aber in dieser Konstellation hat das sehr gut funktioniert.
Wird sich das Prinzip des Showrunners im deutschsprachigen Raum immer mehr durchsetzen?
Kropf: Netflix arbeitet durchgängig mit diesem Prinzip und das weitet sich auch auf andere Streamer aus. Wir wollen gar nicht unbedingt bei jeder Serie Showrunner sein, weil es eine riesige Arbeit ist, die eigentlich nichts anderes zulässt. Deshalb werden wir immer von Projekt zu Projekt entscheiden, ob wir da bis zum Schluss dabei sein möchten.
Hackfort: Es ist ja auch ein bisschen ein schwammiger Begriff, jeder interpretiert ihn anders. So wie Life Coach. Manche sagen, sie sind Showrunner, weil sie die Bücher geschrieben haben, andere, weil sie einen Blick auf die Casting-Tapes werfen durften oder die Muster gesehen haben. Wir finden, man ist Showrunner, wenn man von vorne bis hinten daran gearbeitet hat. Bei Netflix ist die Richtung klar, aber was das deutsche Fernseh-Fernsehen und Produktionen für Mediatheken angeht, weiß ich nicht, wohin die Reise da geht.
Sie haben u. a. im Zuge von „4 Blocks“ in Interviews angesprochen, dass Drehbuchautoren im deutschsprachigen Raum nicht die Wertschätzung bekommen, die sie verdient hätten. Hat sich das durch den Streaming-Boom geändert?
Konrad: Definitiv, ja. Gerade im Serien-Bereich, wo ja oft mit mehreren Regisseuren gearbeitet wird, haben Autoren eine wichtigere Rolle. Durch die vermehrte serielle Produktion und durch die amerikanische Sichtweise ist das auch stärker ins Bewusstsein gerückt.
Sie haben sich bei „Anna und die Liebe“ kennengelernt. Das wirkt „Kleo“ wie ein weiter Sprung. Oder ist die Arbeit im Kern gar nicht so anders?
Hackfort: Die Arbeit ist relativ ähnlich. Bei „Anna und die Liebe“ wurde halt ganz viel von dem, was wir uns ausgedacht haben, einfach nicht gemacht (lacht). Ich glaube, es geht zu einem großen Prozentsatz wirklich um Handwerk und da macht es keinen Unterschied, ob man für „Anna und die Liebe“ oder „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“, für „Kleo“ oder „4Blocks“ schreibt. Es ist von Vorteil, wenn man dieses Handwerk gelernt hat und diesen Werkzeugkoffer zur Verfügung hat, den wir uns bei der Arbeit an der täglichen Serie aneignen durften. Ob man mit dem Werkzeug dann einen von 174 Küchenstühlen herstellt oder etwas ganz Besonderes, ist dann ja eine sehr persönliche Sache.
Kropf: Wir empfehlen auch Autoren, die in die Fernsehwelt wollen, bei der Soap anzufangen. Da lernt man das Handwerk und vor allem lernt man, unter Druck zu arbeiten. Wenn du dein Skript nicht um 18 Uhr lieferst, steht alles still. Da wird jeden Tag eine neue Folge produziert und da kannst du nicht sagen: „Ich war irgendwie heute Nacht nicht inspiriert“. Diese Erfahrung ist uns auch bei der Zusammenarbeit mit Netflix zugutegekommen. Da wird ein hohes Tempo vorlegt und die Feedbackschleifen sind sehr kurz. Es ist ein großes Glück, dass wir zu dritt sind und von diesem Teamwork, das damals entstanden ist, zehren wir bis heute.
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