Hotelsperren in St. Wolfgang? "Das ist eine spannende Frage"

Hotelsperren in St. Wolfgang? "Das ist eine spannende Frage"
Der Mediziner Tilman Königswieser erklärte in der "ZiB 2" die Cluster-Fahndung in St. Wolfgang und ein einfaches oberösterreichisches Rezept gegen Corona.

*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*

Einer der wenigen Vorzüge der Corona-Krise ist, dass in den Nachrichtensendungen viele neue Gesichter auftauchen, die meistens viel auf dem Kasten haben und nicht von unzähligen Mediencoachings verdorben scheinen.

Zuletzt dachte man aber schon, dass man nun alle Gesichter gesehen habe, die für Interviews zum Thema Covid-19 in Frage kommen. Da trat am Montagabend der Mediziner Tilman Königswieser ins Rampenlicht der „ZiB 2“. Armin Wolf zählte eine recht lange Liste an Verantwortlichen aus Bund und Land Oberösterreich auf, die angefragt wurden, aber nicht kommen konnten. Dann stellte er Königswieser als ärztlichen Direktor des Klinikums Salzkammergut vor, das den Großteil der Tests rund um den Cluster St. Wolfgang abwickelt. Und als Mitglied des OÖ-Krisenstabs.

62 positive Fälle zählt man in St. Wolfgang zu diesem Zeitpunkt. Wolf zitiert Königswieser einleitend mit der Aussage: Auch wenn es 70 oder 75 seien - „das ist ja keine Zahl.“

„Ab welcher Zahl würden Sie denn nervös werden?“, fragt Wolf.

Königswieser scheint in gar keiner Situation nervös zu werden, das kann man gleich vorausschicken. Auch wenn nicht jeder Satz sitzt wie bei den Mediengecoachten, die Botschaft ist jedenfalls klar: Aus medizinischer Sicht mache ihm der Cluster mit seiner derzeitigen Altersstruktur keine Angst. Auch aus epidemiologischer Sicht sei er nicht nervös, man habe „alles unternommen, um die Situation möglichst gut und kompetent in den Griff zu bekommen.“

Das klingt um Einiges eleganter als das trotzige "alles richtig gemacht", das im März aus Tirol schallte.

Bei einem Altersheim-Cluster würde er schon nervös werden, sagt Königswieser, und zwar schon ab fünf infizierten Bewohnern. Am Wolfgangsee würden ihn 100 Infizierte auch noch nicht nervös machen, weil der Cluster gut nachverfolgbar sei.

Mediziner Tilman Königswieser über den St.Wolfgang-Cluster

"Kein Patient null"

Wolf: „Weil Sie sagen, dass Sie es so gut nachverfolgen können: Wissen Sie schon, wer Patient null war in St. Wolfgang?“

Königswieser sagt, man wisse es noch nicht, aber es gehe aber gar nicht um einen Patienten oder Patientin null, „sondern eigentlich um einen Infizierten, dem es ja gut geht“. 

Wir sind also bei den Coronafällen ohne Krankheitssymptome, die häufig für Ansteckungen sorgen, weil sie von ihrer Umgebung nicht als ansteckend erkannt werden. Nur, wenn man auf diese Weise viele Leute angesteckt hat, geht es einem wohl doch nicht so gut.

Nicht-Cluster-Kunde

Was nun folgt, ist angewandte Cluster-Kunde. Oder besser: Nicht-Cluster-Kunde.

Königswieser: „Wir haben am Mittwoch einen positiven Test bekommen, da hat sich herausgestellt, das ist eine Praktikantin. Dann fängt das Contact-Tracing an. Da schaut man zuerst ganz am Kern des Clusters, der da ja noch gar kein Cluster ist: Wer ist denn infiziert? Wer könnte denn infiziert sein? Und so testet man sich an einer vernünftigen Strategie weiter.“ 

Wir fassen zusammen: Eine Person ist aller Cluster Anfang. Muss aber nicht der Patientin null sein, auch deswegen, weil das nicht immer ein Patient ist.

„Händehygiene, Maske und Abstand"

Dann wird es spannend. Königswieser erklärt zunächst, warum es bisher keine Hotelschließungen in St. Wolfgang gab. Wolf hatte die Situation mit dem oö. Freikirchencluster Ende Juni verglichen. Da habe man bei weit geringeren Fallzahlen 80.000 Kinder vorzeitig in die Ferien geschickt. 

Königswieser erklärt, dieser Cluster sei schwer eingrenzbar gewesen, betroffene Kinder waren auf mehrere Schuleinrichtungen verteilt.

Beim gegenwärtigen Cluster sei man „sehr gut unterwegs“. Und das mit einem einfachen Rezept: „Abstand, Maske, Händehygiene.“

Wolf: „Ab wann würden Sie denn empfehlen, ein Hotel zu schließen?“

Königswieser: „Das ist eine …….. spannende Frage.“

Die spannende Antwort: „Wenn es in einem Hotel so viele Fälle gibt, dass der Betrieb eigentlich nicht mehr offen ist.“

Wir lernen: Man schließt ein Hotel erst dann, wenn es gar nicht mehr geöffnet ist.

Gemeint ist natürlich: Falls es zu einer unkontrollierbaren Verbreitung käme.

„Wir haben ja alle gelernt aus Ischgl“

Dann kommt endlich der Ischgl-Vergleich. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat ja erst kürzlich vor einer Menge an „Mini-Ischgls“ gewarnt. 

Armin Wolf meint aber das echte Ischgl, in dem es Mitte März zunächst weniger bekannte Fälle als in St. Wolfgang gegeben habe, dennoch seien im ganzen Land Tirol Hotels gesperrt, die Skisaison beendet und vier Gemeinden unter Quarantäne gestellt worden. In St. Wolfgang aber passiere, so Wolf, „de facto gar nichts“ - außer den umfangreichen Tests beim Hotelpersonal.

Der Vergleich mit Ischgl sei „nicht ganz korrekt“, erklärt Königswieser. Damals habe man noch nicht genug über das Coronavirus gewusst. „Wir haben ja alle gelernt aus Ischgl“, sagt er. Und mit diesen Maßnahmen, die wir jetzt haben, ist eine Verbreitung nicht richtig möglich.“

Jetzt wurde es wieder spannend. Welche Maßnahmen könnten das sein? Ist der heimische Tourismus nun gerettet?

Königswieser nennt sie: „Händehygiene, Maske und Abstand.“

Wolf ist das zu einfach: „Das verstehe ich jetzt nicht ganz: Wenn eine Verbreitung nicht möglich ist, wie sind dann aus zwanzig Praktikanten 62 Fälle geworden?“

„Ja, das ist eben die Kunst“, sagt Königswieser. Zum Glück spricht er weiter: „Dass wir nicht alle an uns denken, sondern an das Gegenüber.“

Das neue "alles richtig gemacht"

Die Teststrategie bleibe in OÖ in Abstimmung mit dem Bund gleich: nur bei Symptomen werde im Normfall getestet, außer, es handelt sich um Contact-Tracing. Die vom Ministerium angekündigten - und bisher nicht erreichten - 65.000 wöchentlichen Tests im Tourismus hält er daher für weniger wichtig. Tests seien „immer nur eine Momentaufnahme“, man müsse auch aufpassen, „wie qualitativ hochwertig die sind.“

„Jetzt gehen wir einmal davon aus, dass das Land Oberösterreich nur die besten Tests macht, die es gibt“, wirft Wolf ein.

Königswieser wirft amüsiert ein: „Ganz klar!“

Interviewer Wolf ist noch immer nicht zufrieden. Warum man nur bei Vorliegen von Symptomen teste, wenn die asymptomatischen Personen doch so ansteckend seien. Diese seien dann ja gar nicht aufzufinden.

Königswieser: „Im Rahmen des Contact-Tracings finden wir sie sehr wohl.“

Und noch einmal hören wir die Strategie: „Maske, Abstand und Händehygiene“ - dann sei das Ansteckungsrisiko „praktisch gegen Null“ und das werde in Oberösterreich gelebt.

„Maske, Abstand und Händehygiene“ ist also das neue „alles richtig gemacht“ auf Oberösterreichisch. Wieder etwas gelernt.

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