Eng anliegendes, schwarzes Kleid, die kurzen Haare perfekt gescheitelt, der Blick dieser Frau strahlt eine gewisse Unnahbarkeit, Kühle, Überlegenheit aus. Diese Erscheinung, weiß, was sie will.
Doch plötzlich bricht sie in sich zusammen, aber nur für einen Moment. Klavierspielen soll sie, zwei Herren unterhalten. Sie nimmt am Flügel Platz, drischt in die Tasten, hält jäh inne und erhebt ihre Stimme, sanft, verführerisch umgarnt sie die Umstehenden mit ihrem Gesang von „Kiss me Tiger“.
Diese Frau ist Mira, Angestellte einer Versicherungsgesellschaft. Um einen Business-Deal zu retten, scheint ihr und ihrem Chef jedes Mittel Recht. Das ist eine Szene aus der komplexen Drama-Serie „Die Macht der Kränkung“, einer Koproduktion von ORF und ZDFneo über einen Amok-Lauf in einem Einkaufszentrum. Auch Mira hätte ausreichend Motive für diese Tat. Für ihre Karriere nimmt sie auch so manche Demütigung in Kauf.
Julia Koschitz leiht dieser Mira ihre anmutige Gestalt. Das brachte der feinsinnigen, 1974 in Brüssel geborenen österreichischen Schauspielerin die fünfte Nominierung für die KURIER ROMY ein (Voting noch bis 20. März unter ROMY.at).
Widersprüchlich
Schauspielerisch sei diese Rolle für sie eine „schöne Herausforderung“ gewesen, blickt sie im KURIER-Gespräch auf die Dreharbeiten zurück. „Sie ist eine widersprüchliche Figur, auf den ersten Blick vielleicht nicht besonders sympathisch und zeichnet sich nicht durch Wärme und Gelassenheit aus. Aber Agnes Pluch, die Autorin, hat immer wieder Einblicke hinter die Fassade dieser eigentlich sehr verletzbaren und verletzen Figur geboten, die niemals böswillig agiert“, beschreibt Koschitz ihre Rolle.
Diese Haltung sei auch eine Fassade, die sich Mira auferlegt hat, „um in ihrem von Männern dominierten Beruf zu bestehen“, sagt Koschitz. „Dahinter steckt eine fragile Persönlichkeit. Ein Mensch, der nach Anerkennung ringt und sich dabei selbst verliert. Sie gibt vor, alles kontrollieren zu können, schonungslos, sei es ihre Emotionen oder ihr Gewicht. Sie zeigt keine Schwächen, wirkt unverletzbar, geht diszipliniert ihren Weg und fragt niemals um Hilfe. Ich glaube, dass man sich als Frau mit ihr auf unterschiedliche Weise identifizieren kann, mit ihrem Drang nach Perfektionismus, nach Erfolg und Begehrtsein, nach Zugehörigkeit und Liebe. Aber auch mit dem damit verbundenen Kampf gegen sich selbst, wie gegen Opportunismus und Frauenfeindlichkeit.“
Bewusster
Haben Bewegungen wie #MeToo gar nichts bewirkt? Oder was ist mit dem in immer mehr Bereichen obligaten Gendern? Kann es an der Haltung gegenüber Frauen etwas ändern, wenn man kompromisslos auf weiblichen Endungen beharrt oder schafft dieses „*innen“ eher Konflikte? „Bei allen Diskussionen kann ich nur sagen, dass das Gendern mich jetzt schon bewusster gemacht hat für die Unstimmigkeiten in unserer Sprache und damit unserem Umgang miteinander. Inzwischen fällt mir das Gender-Sternchen nicht mal mehr auf. Außerdem finde ich, dass man sich für Veränderungen stets offen halten sollt“, sagt sie und, schränkt jedoch ein: „Aber klar, ich tu mir auch manchmal schwer und fühle mich blöd dabei.“
Aber das Problem mangelnder Gleichbehandlung sei keineswegs nur auf Frauen zu beschränken, kommt sie auf Mira ihre Figur zurück. Sie könne sich daher vorstellen, dass Mira für jeden Menschen, der sich in unserer Gesellschaft nicht gleichrangig behandelt sieht, eine Art Identifikationsfigur sei.
Mitlachen, mitweinen
Egal, ob Koschitz eine Frau wie Mira zeigt oder eine hochsensible forensische Psychiaterin wie im Thriller „Im Schatten der Angst“, wichtig ist für die Schauspielerin, dass ihre Rolle relevant ist, „dass sie etwas vermittelt, was die Menschen betrifft, was sie berührt, wichtige Fragen aufwirft, wo Menschen mitlachen oder mitweinen können.“
Im Mai dann ist Julia Koschitz in der Mystery-Serie „Souls“ auf Sky zu sehen.
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