Alexandra Wachter ist eines der Aushängeschilder der Fernsehinformation. Für Puls24 steht sie als Politik-Moderatorin und -Redakteurin im Einsatz und führt souverän durch die Ent- und Verwicklungen der heimischen Innenpolitik. Dafür ist sie heuer für eine ROMY nominiert. Daneben ist die Journalistin eine Kämpferin für die Gleichstellung von Frauen – mit Erfolg: Wegen ihr wurde das Branchenmagazin Der Österreichische Journalist umbenannt.
KURIER: Täuscht der Eindruck, dass die Politik hektischer geworden ist?
Alexandra Wachter: Durch Corona hat sich die Berichterstattung grundlegend verändert. Es hat begonnen mit den Pressekonferenzen, die wir alle live übertragen haben. Da wurden Maßnahmen verkündet und das war dann einfach so. Das konnten wir dann als Journalistinnen und Journalisten auch einordnen, aber im Prinzip waren das Entscheidungen, die einfach gefällt worden sind. Da hat sich vom Tempo viel verändert.
War es im Vorjahr richtig von den Sendern, Pressekonferenzen der Regierung durchzuschalten?
Zu dieser Zeit war es einfach notwendig, würde ich sagen. Es waren Entscheidungen, die alle betroffen haben. Das wichtigste ist aber, dass das Gesagte eingeordnet wird. Wir haben ja auf Puls24 auch immer die Fragen der Journalistinnen und Journalisten im Anschluss gezeigt (der ORF schaltete davor schon ins Studio, Anm.). Dadurch wird klar, welche offenen Fragen zu der Thematik existieren. Wichtig war auch, dass wir im Anschluss Analysen im Studio durchgeführt haben, um die Dinge einzuordnen.
Zum Beispiel?
Ich erinnere mich vor allem an eine Aussage des Bundeskanzlers, wonach das Virus im Sommer vor allem durch Menschen nach Österreich gekommen ist, die ihre Wurzeln am Balkan haben. Dafür gab es allerdings keine Evidenz, weil laut AGES nie erhoben wurde, wo jemand seine Wurzeln hat. Diese Frage wurde beim Contact Tracing nicht gestellt. Fakt ist also: Ja, es gab Neuinfektionen, die aus dem Ausland nach Österreich gekommen sind. Ob diese Reiserückkehrer einen Migrationshintergrund haben, wurde nicht erhoben. Genau bei solchen Aussagen gilt es also, schnell zu reagieren und die Fakten zu überprüfen.
Ein Interview, das Sie mit dem Bundeskanzler geführt haben, hat Schlagzeilen gemacht, weil er Ihnen darin erklärte, Sie hätten „ja ein eigenes Hirn“. Worum ginge es da?
Mich hat interessiert, warum er in EU-Belangen oftmals eine harte Line fährt, wie damals bei den Budgetverhandlungen. Ich zitierte aus einem Zeit-Artikel, in dem stand, er versuche in Brüssel eigentlich Innenpolitik zu machen, um daheim bei den Wählerinnen und Wählern gut anzukommen. Darauf und auf weitere Kritik ihm gegenüber angesprochen, meinte er, ich hätte ja wohl ein „eigenes Hirn“. Damit wollte er suggerieren, dass ich mich nicht auf Zitate beziehe, sondern dass es sich um meine Meinung ihm gegenüber handelt – was nicht stimmt.
Sie thematisierten im Sommer, dass das Branchenmagazin „Der Österreichische Journalist“ in seinem Titel Frauen nicht inkludiere. Herausgeber Johann Oberauer reagierte auf Social Media zunächst patzig, änderte den Titel heuer auf „Journalist:in“. Wie haben Sie die Debatte empfunden?
Ich wollte eine Diskussionsgrundlage dafür schaffen, wie die Branche über den Titel denkt. Viele haben das auch so gesehen. Der Herausgeber hat dann geschrieben: „Motzen ist zu wenig, kauft hundert Abos, dann ändere ich den Titel.“ Er hat später in einem Interview gesagt, dass er das bewusst angriffig formuliert hat und es eh ändern will. Acht Monate später ist das auch passiert. Ich finde das richtig und wichtig.
Warum spielt es eine Rolle, ob wir -innen dazusagen?
Sprachliche Sorgfalt sollte uns im Journalismus am Herzen liegen, weil es in der Gesellschaft etwas ändert oder eben nicht. Ich bin der Meinung, dass sprachliche Sorgfalt entscheidend ist, weil unsere Worte das Bild dieser Gesellschaft prägen und die Realität davon beeinflusst wird. Man hört da immer den Vorwurf: „Haben wir denn keine anderen Probleme?“ Eh – aber man kann sich ja auch auf mehrere Dinge auf einmal konzentrieren.
Das Binnen-I ist schlecht lesbar und spricht sich schlecht. Im ORF löst man das mit einer Art Kunstpause, wie immer öfter in der „Zeit im Bild“ zu hören ist. Viele stört das. Verstehen Sie das?
In 80 Prozent der Fälle habe ich im Fernsehen die Zeit, beide Formen zu verwenden. Ich finde es aber auch durchaus legitim, das Binnen-I zu sprechen. Man muss sich überhaupt mehr bewusst machen, dass Sprache sich eben verändert und wir jetzt anders sprechen als vor 15 Jahren. Ich habe mit 16 auch anders gesprochen als heute. Es spricht eben beide an, wenn man diese Pause lässt und das Binnen-I spricht. Mit der Pause ist auch das Sternchen der Non-Binären Personen mitgemeint.
Das Bewusstsein für diese Fragen ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Woran liegt das?
Viele machen darauf aufmerksam, und sprechen sich dafür aus. Gesellschaftlich findet eine Bewusstseinsbildung statt, was Sprache betrifft. Etwa: Wie berichten wir über Morde an Frauen, über Femizide. Wenn ein Mann seine Frau und seine Kinder ermordet, ist das kein Familiendrama. Das ist Mord, das gehört benannt. Früher wurden solche Fälle immer individuell betrachtet und nicht als das was es ist: es ist ein patriarchales Problem.
Kommentare