Hugo Portisch: Erinnerungen an einen Jahrhundert-Journalisten
Egal ob in der Politik, in allen Bereichen der Kultur oder im Journalismus – es wird wohl selten einen Menschen geben, über den man nur Positives hört. Hugo Portisch war so einer. Ich kenne niemanden, wirklich niemanden, der an diesem Jahrhundert-Journalisten ernsthaft etwas auszusetzen gehabt hätte. Und das war nicht nur in Nachrufen und Grabreden so, das war auch zu seinen Lebzeiten nicht anders.
Herausragend
Hugo Portisch war eine herausragende Erscheinung, an die sich hier Freunde und Weggefährten erinnern, denen er ebenso wie den Hunderttausenden Österreichern fehlt, die an seinen Lippen hingen, wenn er ihnen die große und die kleine Welt erklärte. Der Elan und die Leidenschaft, mit denen er fast bis zum Ende seines Lebens am 1. April 2021 die jeweilige Lage und die historischen Zusammenhänge kommentierte, werden allen unvergessen bleiben, die Zeugen seiner immer von Anstand und liberaler Geisteshaltung getragenen Schreib- und Redekunst waren.
Nie ausweglos
Otto Schenk bringt in seiner Einschätzung auf dieser Seite das Phänomen Hugo Portisch auf den Punkt: Dass er nicht langweilig sein konnte, dass er immer authentisch, immer wahrhaftig und trotzdem nie ausweglos war. Die beiden Medien, zu deren wichtigsten Leitfiguren Portisch zählte, waren der ORF und der KURIER. Wir vom KURIER werden immer stolz darauf sein, dass Hugo Portisch, der am 19. Februar 95 Jahre alt geworden wäre, einer von uns gewesen ist.
Alexander Van der Bellen - Bundespräsident
Auch ein Jahr nach seinem Ableben fällt es schwer zu glauben, dass Hugo Portisch nicht mehr unter uns weilt. Seine lebendige Art, seine packenden Geschichten, mit denen er Vergangenes gegenwärtig machte, seine große Energie, mit der er Fernstes nahebringen konnte, all dies ist geblieben.
Die strahlenden wie die dunklen Kapitel österreichischer Zeitgeschichte wurden durch seine große journalistische Kunst in ihren Zusammenhängen erfahrbar. Dieser große Aufklärer hat den Blick auf die österreichische Zeitgeschichte geprägt wie vor und nach ihm niemand. Und ihm war wichtig, unsere Geschichte möglichst allen bestmöglich und verständlich zu vermitteln. Wenn das Wort „Volksbildner“ im ausgehenden 20. Jahrhundert einen Namen trägt, dann jenen des unbestechlichen und so menschlichen Hugo Portisch.
Otto Schenk - Schauspieler
Ich hab an Hugo Portisch die Kompetenz so geliebt. Ich hab geglaubt, was er schreibt und was er sagt. Er konnte nicht langweilig sein, er war immer authentisch, immer wahrhaftig und trotzdem nie ausweglos. In seinen Kommentaren blieb ein Schimmer von Hoffnung, auch wenn das vielleicht eine Illusion und ein ruchloser Optimismus von mir war. Er hat auch die Gefahr nicht gemieden, war sehr mutig in seinen Reisen und Recherchen, hat alle Höllen auch betreten, die er geschildert hat.
Ich hatte so eine Palette von gescheiten Menschen um mich, war süchtig nach Gesprächen. Mit Hugo Portisch wie mit Fritz Kortner, Ernst Lothar, Hans Weigel, Karl Paryla. Ich vermisse sie unendlich, die alle weggestorben sind. Das ist die große Gemeinheit des Schicksals. Man bräuchte Hugo Portisch so in dieser Welt, in dieser Zeit, für die Wahrheit, für die Neugierde. Es ist eine Ungerechtigkeit, dass Leute wie er sich verabschiedet haben.
Chris Lohner - TV-Legende
Was Hugo Portisch für Österreich bedeutet hat, weiß wohl jeder. Ich habe ihn aber auch als profunden Pilzexperten kennengelernt. Gemeinsam mit seiner Frau Traudi hat er darüber ein Buch geschrieben. In meiner Fernsehsendung „Backstage“ über Hugo Portisch mussten natürlich auch Pilze vorkommen. Und so sind wir am Beginn des Drehs auf Schwammerlsuche gegangen, in einen Wald in der Nähe seiner Wohnung. Unter seiner Anleitung wurden wir sofort fündig.
Allerdings hat er mir dann verraten, dass er schon zeitig in der Früh im Wald gewesen ist, um die Fundstellen zu markieren, damit wir nicht zu lange suchen müssten. Am Ende des durchaus anstrengenden Tages hat Portisch bei sich zu Hause auch noch für meine Regisseurin und mich ein köstliches Pilzgericht gezaubert. Er war für mich seit Jahren ein besonders lieber Freund und ich vermisse ihn sehr.
Heinz Nußbaumer - Publizist und enger Freund
Als er im Vorjahr die Augen schloss, war mir klar: Nie wieder würde eine Freundschaft so intensiv sein können! Vor 55 Jahren hatte mich Hugo Portisch zum KURIER geholt, mich als Chef und Vorbild fasziniert, bald auch in die Welt hinausgeschickt – und mir „seine“ Außenpolitik anvertraut.
Seine Prinzipien wollte ich weitertragen: „Aus der Geschichte lernen. Gegen Vorurteile kämpfen. Zur Toleranz erziehen.“ Und für unser Österreich: „Je kleiner ein Land, umso größer muss es denken!“ Die Jahre schweißten uns zusammen, auch privat. Als Freund war er ein Geschenk: wach, herzlich, zuhörend, dankbar. Seinen letzten Geburtstag feierten wir noch im kleinen Kreis, er still und freundlich lächelnd. Dann sah ich ihn nur noch im Spital – und sang dem Sterbenden seine geliebten Heimatlieder.
Georg Markus - Journalist
Er war Generalbevollmächtigter des KURIER, ich ein junger Reporter. Persönlich sah ich ihn zum ersten Mal an dem Tag im Jahr 1971, als die Ausbrecher der Strafanstalt Stein („I bin’s dei Präsident“) mit Geiseln durch Wien zogen. Da setzte er sich zu uns Jungen und lauschte am Polizeifunk. Unglaublich: Der große Hugo Portisch am Polizeifunk! Er war eben Journalist mit Leib und Seele. Viel später, im Jahr 2005, wir waren längst befreundet, befragte ich ihn zu „50 Jahre Staatsvertrag“.
Nach dem Interview wollte er noch diese oder jene Geschichte unterbringen. Also stellte er Fragen, die er selbst beantwortete. Zum Beispiel fragte er sich, wie’s mit Österreich weitergegangen wäre, hätten wir den Staatsvertrag nicht bekommen. Und er reagierte auf seine eigene Frage mit den Worten: „So kann man diese Frage nicht stellen!“ Kurze Pause – und dann kam der berühmte Portisch-Lacher. Neben all seinen Vorzügen verfügte er auch über unglaublich viel Humor.
Johannes Kunz - Ehemaliger ORF-Informationsintendant
Bevor ich meine journalistische Laufbahn im ORF-Radio begann, hatte ich als politisch interessierter Jugendlicher die Leitartikel von Hugo Portisch im KURIER verschlungen. Ob er klar Stellung gegen die antisemitischen Ausfälle von Taras Borodajkewycz oder gegen das Liebäugeln Otto Habsburgs mit der Funktion eines „Justizkanzlers“ bezog, stets zeigte er Haltung: für die liberale Demokratie und gegen jede Form von Autoritarismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit.
In seinen letzten Jahren hat ihn vieles beunruhigt: Die Präsidentschaft von Donald Trump hielt er für eine Katastrophe, ebenso die Zunahme von Populismus sowie nationalistischer, auf eine Schwächung der EU hinauslaufender politischer Tendenzen auch hierzulande. Er zeigte persönliches Engagement, wenn er es im Interesse des Landes für notwendig hielt – zuletzt bei seinem Eintreten für die Wahl von Alexander Van der Bellen zum Bundespräsidenten.
Christine Graf - Geschäftsführerin, engste Mitarbeiterin
Vierzig Jahre Zusammenarbeit mit Hugo Portisch – das waren über 100 TV-Dokus, viele Bücher usw. Als Chef war er fordernd – ein Workaholic, der unter Druck am besten arbeitete; zugleich aber enorm großzügig und liebenswürdig war. Da waren Folgen von „Österreich II“, die erst am Morgen des Sendetags fertig wurden. Als dann ein ORF-Techniker auch noch irrtümlich die ersten vier Sendeminuten löschte, blieb mir fast das Herz stehen. Hugo aber sagte ganz ruhig: „Na, dann machen wir es halt noch einmal.“ Denn, so Hugo: „Wenn muss, geht!“
Mich faszinierte an ihm auch seine Neugier und Begeisterungsfähigkeit, seine Bescheidenheit, ja seine Demut, sein großartiger Humor und seine Seriosität. Das war es wohl, was auch seine Zuseher und Leser so geschätzt haben. Ich werde diesen außergewöhnlichen Menschen nie vergessen!
Paul Lendvai - Publizist
Er war mein ältester Freund, den ich noch in Warschau als stellvertretender Chefredakteur des KURIER im Jänner 1957 kennen gelernt hatte. Durch einen schicksalhaften Zufall hatte meine verstorbene englische Frau, Margaret ihn noch vor mir getroffen.
Sie knüpfte eine enge Freundschaft mit Traudi Portisch, die die Kriegsjahre als Flüchtling in England verbracht hatte. Hugo hatte die Abschiedsrede bei Margarets Begräbnis gehalten. Er vertrat in meinen Augen von Anfang an das humane, weltoffene und tolerante Österreich. Er war mit seiner entschlossenen und kompromisslosen Haltung gegen alle Formen des Rassismus, Antisemitismus und der Fremdenfeindlichkeit das „Gewissen der Zweiten Republik“. Trotz eigener und Traudis gesundheitlicher Probleme hat er buchstäblich bis zu seinem letzten Atemzug als der unersetzliche Geschichtslehrer einer ganzen Nation gewirkt.
Fayette Portisch-Giedke - Enkelin
Immer fröhlich, an allem interessiert und zu Abenteuern bereit, so erlebte ich meinen Großvater und meine Großmutter meistens in ihrem schönen Haus in der Toskana. Sie hatten sich dort ein Paradies mit einem atemberaubenden Garten geschaffen – und Großvater zeigte mir jedes Mal begeistert die Blumen und Pflanzen. Sein Wissen und sein Respekt vor der Natur haben mich sehr geprägt. Wie schön waren auch unsere langen Wanderungen in die Ausläufer des Apennins! Einmal fanden wir da ein ausgesetztes Kätzchen – wir haben es aufgenommen, und es ist sehr alt geworden.
Mein lieber Großvater faszinierte mich durch seine Lebensfreude, sein Wissen, seine Toleranz und seine Großherzigkeit. Unsere gemeinsamen Reisen sind mir unvergesslich. Meine Großeltern und ihre Liebe zueinander sind mir ein bleibendes Vorbild.
Franz Vranitzky - Bundeskanzler a. D.
Er war ein Patriot im Sinne eines liberalen Vertreters proeuropäischer, rechtsstaatlicher und unverrückbar demokratischer Einstellungen. Und das hat sich in seinen Kommentaren niedergeschlagen, sei es im Radio, im Fernsehen oder als Chefredakteur des KURIER. Hugo Portisch war mir über viele Jahre ein wichtiger Gesprächspartner. So habe ich, noch bevor ich 1991 im Parlament die Erklärung über die Mitschuld der Österreicher am Nationalsozialismus abgegeben habe, dieses Thema mit ihm erörtert. Er war ein starker Befürworter einer solchen Erklärung und hat mich auch bei einigen Formulierungen unterstützt.
Hugo Portisch hat immer alles so gesagt, wie er es einschätzte. Er hat für seinen Beruf gelebt, hat viele andere Interessen gehabt und es trotzdem fertiggebracht, mit seiner Frau ein harmonisches Privatleben zu führen.
Erhard Busek - Vizekanzler a. D.
Der damalige Wiener Stadtrat und gemeinsame Freund Jörg Mauthe trat eines Tages mit der Idee an mich heran, Hugo Portisch als Nachfolger von Kurt Waldheim für die Wahl des Bundespräsidenten im Jahr 1992 vorzuschlagen. Ich war sofort dafür und fragte Portisch, ob er Interesse daran hätte. Doch der hat gesagt, dass es ihn zwar sehr ehren würde, gefragt zu werden, dass das für ihn aber nicht infrage käme, weil er auf jeden Fall seine persönliche Freiheit behalten wollte. Damit war die Sache erledigt.
Später habe ich ihn und seine Frau privat in der Toskana besucht, sie waren wunderbare Gastgeber. Er bleibt mir als großer Homo Politicus in Erinnerung. Kritisch könnte man anmerken, warum es heute keine Journalisten mehr gibt, die man fragen könnte, ob sie Bundespräsidenten werden wollen.
Rudolf Buchbinder - Pianist
Es war eine jahrzehntelange Freundschaft, wir waren oft auf seinem Prachtanwesen in der Toskana. Es war rührend, wie er uns voller Stolz seine Olivenbäume gezeigt hat, wir haben heute noch sein Olivenöl zu Hause. Wo immer ich in Italien aufgetreten bin, ist er mir nachgereist, um das jeweilige Konzert zu besuchen. Hugo hat Musik geliebt, und ich habe ihn als Geschichtslehrer der Nation bewundert.
Seine geliebte Traudi hat immer gesagt, ihr Hund sei ein Sprachentalent, weil er auch Italienisch verstanden hat. Hugo hat ein erfülltes Leben gehabt, auch wenn es Schicksalsschläge gab wie den tragischen Tod seines Sohnes. Wir haben uns auch in Wien gesehen, zuletzt in seiner Wohnung am Rochusmarkt. Das Schöne an unserer Beziehung war, dass es keine Hintergründe gab, man wollte nichts von einander, nur Freundschaft.
Jutta Lang - Historikerin, langjährige Vertraute
Ich habe ihn 1968 in Paris kennengelernt, wo er als Chefkommentator des ORF über die Studentenrevolten berichtete und ich für ihn Übersetzungsarbeiten durchführte. Über mehr als 50 Jahre haben wir unsere Freundschaft gepflegt, und so wurde er auch Taufpate meines Sohnes. Als seine Frau 2018 starb, war dies ein schwerer Schlag für ihn. Trotz zunehmender gesundheitlicher Probleme wollte er nicht ins Seniorenheim und sehnte sich nach intellektuellem Austausch.
So fragte er mich eines Tages, ob ich zu ihm ziehen würde. Anfangs war ich nur einmal pro Woche dort, später habe ich meist bei ihm gewohnt. Er hat an seinen Büchern geschrieben, und wir haben viel über Geschichte, Kultur und Politik diskutiert. Nach seinem Schwächeanfall habe ich ihn jeden Tag im Rudolfinerhaus besucht – zuletzt am 1. April 2021. Ich bin sehr froh, dass ich die letzten Jahre an seiner Seite verbringen durfte und ihm eine persönliche Stütze sein konnte.
Heinz Fischer - Bundespräsident a. D.
Es ist keine Übertreibung, wenn ich behaupte, dass seit Gründung unserer Republik kein Journalist das Wissen und die Meinungen der Österreicher auf dem Gebiet der Zeitgeschichte so beeinflusst hat wie Hugo Portisch. Für mich war er schon Ende der 50er-Jahre ein Begriff, persönlich kennen gelernt habe ich ihn erst 1963 durch sein Interesse an der „Causa Borodajkewycz“, also an der Auseinandersetzung, die ich damals mit einem Professor an der Hochschule für Welthandel hatte.
Prof. B. hat den Schöpfer unserer Bundesverfassung Hans Kelsen als „Juden, der eigentlich Kohn hieß“, abgetan und den 15. März 1938 als „einen der beiden schönsten Tage seines Lebens“ bezeichnet, also jenen Tag, an dem Hitler den „Anschluss“ an das nationalsozialistische Deutschland verkündete. Hugo kämpfte im KURIER wie ein Löwe gegen diese Auffassungen und das war der Beginn und ein dauerhafter Baustein unserer Freundschaft.
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