Hoss & Hopf: Wie ein populistischer Podcast junge Menschen erreicht
Haben Sie eine Ahnung, welchen Podcast ihr Kind gerade hört? Oder welche Kanäle derzeit besonders populär auf TikTok sind? Eltern können nicht rund um die Uhr überprüfen, worauf ihr Nachwuchs gerade abfährt - das ist nachvollziehbar. Das kann zu bösen Überraschungen führen.
Das musste kürzlich eine deutsche Journalistin schockiert feststellen, als ihr 14-jähriger Sohn plötzlich rechtsextreme Verschwörungserzählungen verbreitete. Diese stammten aus dem Podcast "Hoss & Hopf". Dessen Stars sind Kiarash Hossainpour und Philip Hopf. Zwei Influencer, die bei jungen Menschen erfolgreich sind.
Beschäftigt man sich genauer mit deren Inhalten, schrillen die Alarmglocken. Hanebüchene Theorien aus dubiosen Quellen und Verschwörungserzählungen mit rechtem Einschlag prägen den Podcast. Mittlerweile hat der Social Media-Riese TikTok einige Inhalte gesperrt - die Begründung: Verbreitung von Fehlinformationen und Verschwörungserzählungen.
Ganz verschwunden sind diese aber nicht, denn sie wurden unzählige Male geteilt. Und ein Podcast, der bedenkliche Inhalte auf Social Media verbreitet - egal in welche Richtung - ist kein Einzelfall.
Bei uns poppten einige Fragen auf: Was bedeuten Kanäle wie "Hoss & Hopf" für eine vermeintlich demokratische Podcastwelt? Darf man sie einfach sperren? Wie können Eltern, Schulen und Pädagogen damit umgehen? Zwei Experten gaben Auskunft.
Wer sind Hoss & Hopf?
Philip Hopf sitzt auf der einen Seite des Mikros, gibt meistens den Ton an, führt langatmige Monologe. Sein optisches Kennzeichen: kahlgeschoren, runde Brille mit gelben Gläsern, meist im Hemd- und Anzuglook. Auf der anderen Seite des Split-Bildschirms der eher ruhigere von beiden: Kiarash Hossainpour, kurz: Kian Hoss. Er stellt die Fragen, Philip antwortet. Er bremst den monologisierenden Philip, wenn es dann doch zu radikal wird. Kian trägt meist T-Shirt, dazu eine auffallende Uhr. Er hat volles Haar. Nach eigenen Angaben lebt er in Dubai. Beide geben an, aus der Finanzbranche zu sein.
Wöchentlich treffen sie sich im virtuellen Raum, um über "brisante Trendthemen" zu plaudern. Von angeblicher "Doppelmoral" in der Politik, Lockdowns, den Frauenhasser Andrew Tate, die von antisemitischen Verschwörungserzählungen verfolgte Familie Rothschild hin zu Bauernprotesten und angeblichen Erfolgsrezepten für finanzielle Unabhängigkeit findet man allerlei, wenn man durch die bisher 151 Folgen scrollt.
Dazu verbreiten die beiden nicht belegte Informationen über angebliche Übergriffe von Migranten, deuten ihre Sympathie für die rechtsextreme AfD an und stellen das "Staatssystem" grundlegend infrage.
Der Staat schaut, dass er gut wirtschaftet. Der Staat hat seine Bürger, die quasi seine kleinen Arbeiter sind und die schickt er, damit er selber Einnahmen hat. Er ist nicht daran interessiert, dass es denen gut geht.
Die jugendliche Hörerschaft macht mit
Wirft man einen Blick auf die Spotify-Charts der beliebtesten Podcasts im deutschsprachigen Raum, stehen Hoss & Hopf in Österreich und Deutschland weit oben. Der Podcast ist jederzeit auf allen gängigen Kanälen abrufbar: Spotify, YouTube, Apple Podcast und auch als Videocontent auf TikTok. Bei YouTube haben sie 237.000 Abonnenten und 149 hochgeladene Videos. Auf TikTok gibt es zudem mehrere inoffizielle Accounts von Fans. Auch dort folgen ihnen 134.200 Personen. 1.8 Millionen haben die Videos geliked.
Trotz negativer Berichterstattung steigt die Popularität von "Hoss und Hopf". Und die jugendliche Hörerschaft macht mit, aber was macht es mit ihnen? Jörg Matthes ist Experte auf dem Gebiet. Der Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien beschäftigt sich mit Konsumentenforschung, Kinder und Medien, Terrorismus und Populismus: "Junge Menschen informieren sich nicht durch Hauptnachrichtensendungen oder die Qualitätspresse über politische Themen. Das ist ein Wunschdenken, das wir oftmals in älteren Generationen haben, aber das natürlich nicht zutreffend ist. Die meisten jungen Menschen beziehen heute ihr Weltbild aus den sozialen Medien, über Kanäle wie Hoss & Hopf. Das ist eine Herausforderung für die Demokratie."
Populismus wird rasch zum Rechtspopulismus
Eine starke Meinung zu einem Thema zu haben, ist erstmal nicht schlimm. Das Problem sei eher, dass solche Kanäle eine einseitige - und erfolgreiche - Strategie verfolgen. "Hoss & Hopf besprechen viele Themen, aber konkret sprechen sie eine Zielgruppe mit konkreten Interessen an."
Die beiden stehen den "Mainstream-Medien" kritisch gegenüber, zitieren dafür gerne Quellen mit einem rechtspopulistischen Einschlag, wie zum Beispiel die extrem rechte Plattform Epoch Times oder Radio Genoa.
Die FAZ schreibt über die Epoch Times folgendes: "Wer sich hin und wieder im Internet umtut, der hat sich womöglich schon einmal gefragt, was es eigentlich mit der Epoch Times auf sich hat. Allgegenwärtig scheint dort die Zeitung, die verspricht, 'ehrlichen und unabhängigen Journalismus' zu liefern, und die doch ganz offenbar ein Anliegen hat: die Verteufelung der Kommunistischen Partei Chinas, die Lobpreisung Donald Trumps und die Bestärkung ultrakonservativer Anliegen."
Die Neue Zürcher Zeitung hat sich mit Radio Genoa beschäftigt: "Mit verstörenden Videos erreicht eine italienische Propaganda-Plattform ein Millionenpublikum. Ihre Botschaft: Europa steht am Abgrund, Parteien wie die AfD sind die Rettung."
Gefährlich wird es dann, wenn Menschen Informationen nur noch von dieser einen Seite konsumieren, und die Algorithmen ähnliche Inhalte nach oben heben. Eine Selektionsschleife, die bei Jugendlichen tiefere Wirkung erzielt, wie Matthes erklärt: "Auch Erwachsene folgen dem Schema, aber als erwachsene Person bin ich reflektierter und kritischer in meiner Wahl, in meiner Differenziertheit. Als Jugendlicher fehlt mir dieser Grundreflex.
Das Problem bei illegaler Einwanderung ist, dass diese Menschen oftmals hierherkommen, basierend auf: In Deutschland gibt’s kostenloses Geld, in Deutschland tut mir niemand was, wenn ich mich kriminell verhalte. Da sind alle so nett zu mir.' (...) In Deutschland wirst du mit offenen Armen empfangen - oder in Europa könnte man jetzt schon sagen, weil sie nehmen sie ja an der Grenze von Europa auf - wenn du einfach nur du bist und da bist. Und wenn du da bist, dann wird auch nicht bewertet, ob du negative Intentionen hast. Ob du hier herkommen möchtest, um zu klauen, um zu stehlen, um zu vergewaltigen oder ob du herkommst, um etwas Positives zu tun.
Ein Grundreflex, der erlernt werden muss
In einer funktionierenden Demokratie sieht man sich verschiedene Seiten einer politischen Debatte an, wägt ab und bildet sich dann eine Meinung. "Dieser Grundreflex kann nicht erlernt werden, wenn ich mich nur noch auf die sozialen Medien stürze und durch den Algorithmus weiter darin befeuert werde, ähnliche Kanäle und Videos anzuklicken", so Matthes.
Statistisch gesehen wird man als junger Mensch stärker durch das Medienangebot beeinflusst. Die Adoleszenz ist die Lebensphase, in der nach Orientierung und Individualität gesucht wird. Die Suche nach Dingen, um sich selbst zu definieren, um Anschluss zu finden.
Ob das nun Piercings, Tattoos, Musik oder eben Podcasts sind, sei egal. Oberstes Ziel ist Autonomie und Abgrenzung. Natürlich möchte man auch bei politischen Themen mitreden können.
Hoss & Hopf wandern auf einem schmalen Grat: "Das Problem sind die faktisch nicht korrekten Informationen. Bei Hoss & Hopf mussten Fakten im Nachhinein korrigiert werden, da diese falsch waren", erläutert Matthes.
"Die jungen Leute kaufen keine Zeitung und sie schauen auch nicht die ZiB."
Wie vermittelt man Jugendlichen ein komplexes Thema? Auf eine unterhaltsame und moderne Art und Weise, sodass junge Menschen die Themen als relevant empfinden. Das unterscheidet die sozialen Medien von den traditionellen. Und nach dem Stand der Forschung löst sich die Generation Z vor allem in Bezug auf politische Themen vom Mediennutzungsverhalten ihrer Eltern, führt Matthes fort. "Die jungen Leute kaufen keine Zeitung und sie schauen auch nicht die ZiB."
Matthes' Kollegin Desirée Schmuck hat einen ähnlichen Befund: "Jugendliche informieren sich über audiovisuelle Kommunikationsformen wie TikTok und Spotify."
Schmuck beforscht den Schwerpunkt Medienwandel und Medieninnovation. "Podcaster und Influencer bauen parasoziale Beziehungen zu ihrem Publikum auf. Sie vermischen gesellschaftliche und politische Inhalte mit persönlichen Meinungen und Informationen aus ihrem eigenen Leben. Dadurch hat das Publikum den Eindruck, die Personen zu kennen - über diese Bindung wird Einfluss ausgeübt", ergänzt sie.
Ein prominentes Beispiel für eine solche parasoziale Beziehung war vor einiger Zeit die Influencerin dariadaria, die auf ihrem Blog teilte, was sie in ihrem Leben bewegt. Sie schrieb authentisch über ihren veganen und nachhaltigen Lebensstil und teilte private Details. Das machte sie greifbar für ihre Fans. Man hatte das Gefühl, sie zu kennen, wie eine gute Freundin - das Phänomen der parasozialen Beziehung, eine nicht-reale Beziehung.
"Influencer gelten also heutzutage als wichtigste Quelle für Informationen und Nachrichten - wichtiger als Journalisten oder Politiker. Sie fungieren als sogenannte Meinungsführer", erklärt Schmuck. "Hoss & Hopf schüren einen politischen Zynismus. Sie stellen sowohl die 'Mainstream-Medien' als auch regierende Parteien als ineffizient oder inkompetent dar."
Eltern müssen mit ihren Kindern ins Gespräch kommen
Wenn man als Elternteil plötzlich mitbekomme, dass das eigene Kind rechtsextreme Verschwörungstheorien nacherzählt, kann man sich schnell machtlos fühlen. Man sei überfordert, wie man in der Diskussion teilnehmen könne. Hier handelt es sich um eine fehlende elterliche Medienkompetenz.
Es sei wichtig, dass Erziehungsberechtigte, Schulen und die Gesellschaft Podcaster und Influencer als politische Stimmen auf dem Schirm haben, empfiehlt Schmuck. Insbesondere Kinder und Jugendliche laufen Gefahr, mit Verschwörungserzählungen, Falschinformationen, Gewaltanstiftungen und antidemokratischen Inhalten konfrontiert zu werden.
Wenn diese Inhalte verbreitet werden, sollten die Kanäle moderiert oder gegebenenfalls gesperrt werden. Das müsse aber gut begründet und nachgeprüft werden, da ansonsten ein Bumerang-Effekt eintreten könne. Junge Menschen würden erst recht in die Hände dieser Kanäle getrieben werden, weil ihre Politik- und Medienskepsis weiter geschürt werde.
Auf den Stundenplänen der Schüler in den österreichischen Mittelschulen steht seit dem Schuljahr 2022/23 das Fach „Digitale Grundbildung“. Zusätzlich sollen die Eltern sich die Kanäle anhören oder anschauen, die ihre Kinder konsumieren, um einen Eindruck zu bekommen, welche Inhalte verbreitet werden.
Die Jugendlichen - und am besten die Eltern auch - müssten Kompetenzen entwickeln, um zwischen den Inhalten auf den Plattformen zu differenzieren, so Matthes. Das werde deshalb immer wichtiger, weil die andere Seite oft ausgeblendet wird. Auf jeden Fall dürfen Podcaster wie Hoss & Hopf nicht als "unbedeutende Spaßmacher" abgetan werden, sondern ihr Einfluss müsse ernst genommen werden.
Wienxtra bietet kostenfreie Fortbildungen für Jugendarbeiter und Pädagogen zum Thema Falschmeldungen und Verschwörungsmythen an.
Der nächste Termin ist am 27.2.
Weitere Unternehmen, die Medienbildung im Programm haben:
- saferinternet.at
- mimikama.org
- klicksafe.de
- zara.or.at
- bildungshub.wien/partner
- medienkindergarten.wien
- lehrerinnenweb.wien
- trollwerkstatt.at
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