Nicht mehr wegwischen: Soziale Medien gefährden junge Menschen

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Die sozialen Medien schaden Kindern und Jugendlichen, warnt der oberste US-Gesundheitsbeamte. Zeit, etwas zu tun.
Georg Leyrer

Georg Leyrer

Die jüngsten Volksschulabsolventinnen und -absolventen und die frühen Unterstufler sind nicht die letzte, sondern in einer Hinsicht die erste Generation: Sie leben von Geburt an in einer Welt der Social Media.

Sie kennen vom ersten Bewusstsein an ihre Eltern, gebeugt übers Smartphone, verloren im Leben der anderen. Sie werden – oder tun das schon – in dieser komplizierten Welt ihre Pubertät, ihr Erwachsenwerden durchmachen. Als ob das nicht schon früher schwierig genug gewesen wäre.

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Psychisch geht es dieser Generation schlechter als vorhergehenden, gerade den Mädchen. Selbstmordraten bei diesen steigen in der westlichen Welt; noch stärker, berichtete jüngst der Economist, steigt die Zahl jener Mädchen, die sich Selbstverletzungen zufügen: Spitäler verzeichnen seit 2005 um 140 Prozent mehr derartiger schwerer Fälle, zeigen Daten aus elf Ländern, darunter Österreich.

Was die Daten nicht zeigen, ist ein Gedanke, den viele mit sich tragen: Dass die sozialen Medien an dieser Verschlechterung zumindest mit schuld sind.

Das wurde oftmals untersucht, eindeutig belegt ist es nicht. Umso gewichtiger, was der oberste US-Gesundheitsbeamte, der sogenannte Surgeon General, nun tat: Er veröffentlichte eine 19-seitige Warnung, dass die Nutzung sozialer Medien für Kinder und Jugendliche ein „profundes Risiko des Schadens“ mit sich bringt (wenn sie auch für manche nützlich sind).

Dass der oberste Gesundheitsbeamte das tut, ist außerordentlich. Nur überaus selten gibt es diese Warnungen, aber viele davon haben die gesundheitspolitische Debatte geprägt, und zwar weltweit.

Historischer Vergleich

Der Report stellt Social Media zumindest historisch auf eine Stufe mit dem Rauchen, mit Alkohol am Steuer, der Debatte um sicheren Sex angesichts von HIV und der Pandemie der Fettleibigkeit, die eine der größten Herausforderungen überhaupt ist. Denn zu all diesen Themen hat der jeweilige Surgeon General Warnungen veröffentlicht. Und hernach hat es neue Gesetze und, wenn schon nicht grundlegende Änderungen im Verhalten, so doch breite Präsenz im Bewusstsein gegeben.

Nun ist es zwar präsent, dass die sozialen Medien vielen – Jungen und Alten, der Demokratie und der Aufmerksamkeitsspanne – nicht guttun. Nur zeitigt dieses Bewusstsein keine Folgen, von manchen Show-Gesetzen gegen TikTok abgesehen. Die sozialen Medien sind auf Sucht getrimmt, sie belohnen Bösartigkeit und destruktive Diskurse, sie nützen Populisten und Schaden der Sache. Und sie gefährden die geistige Gesundheit Heranwachsender.

Höchste Zeit, dass wir eine gesellschaftliche Immunität gegen sie entwickeln. Dazu zählt, die Jüngsten zu beschützen. Das wiederum erreicht man nur, wenn die Alten dieses Gift nicht mehr für eigene Zwecke missbrauchen.

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