Heftige Aktionärskritik: „ProSiebenSat.1 wie schlecht produzierte Reality-Show"
Der deutsche Fernsehkonzern ProSiebenSat.1, wozu in Österreich die Puls4- und ATV-Sender gehören, musste sich auf der Hauptversammlung am Freitag heftiger Kritik seiner Aktionäre stellen. „ProSiebenSat.1 macht den Eindruck einer schlecht produzierten Reality-Show - eine nicht enden wollende Serie aus Komik und Horror“, sagte Andreas Thomae von der Fondsgesellschaft Deka Investment auf der virtuellen Aktionärsversammlung. „Wir Aktionäre sind gezwungen, uns alles in voller Länge anzuschauen und am Ende müssen wir auch noch die Zeche bezahlen.“ Ferner gehe es zu wie im Taubenschlag, monierte Thomae: „Fünf Vorstandschefs und vier Finanzchefs in fünf Jahren.“ Zudem sei die „Aktienkurs-Performance von ProSiebenSat.1 in den vergangenen eineinhalb Jahren miserabel."
Der Fernsehkonzern hatte angekündigt, 2023 nur rund 11 Mio. Euro an die Aktionäre auszuschütten, nach 181 Mio. Euro im Jahr davor. Auch künftig soll die Dividende deutlich geringer ausfallen. „Die Dividendenausschüttung ist sehr, sehr mickrig“, sagte Otto Laßkorn von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Der Börsenkurs von ProSiebenSat.1 dümple vor sich hin, ergänzte Daniela Bergdolt, Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). „Die Aktionäre wurden mitgebeutelt.“
Schwieriges Geschäft
Der neue ProSiebenSat.1-Chef Bert Habets räumte ein, die Dividendenkürzung sei für die Aktionäre „keine erfreuliche Nachricht“. Der Schritt sei aber wichtig, um die Verschuldung zu begrenzen und mehr investieren zu können. Habets bekräftigte die Prognosen für das laufende Jahr, stellte den Anteilseignern wegen der Werbeflaute aber ein schwieriges Geschäft in Aussicht.
„2023 ist ein weiteres hartes Jahr“, sagte der seit November amtierende Niederländer. Deshalb müsse man „harte Entscheidungen“ treffen - etwa die Dividende kürzen, sparen und Stellen streichen. „Erste Effekte aus unserem Kostenprogramm werden im vierten Quartal dieses Jahres sichtbar und sich voraussichtlich auf einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag belaufen“, sagte der ehemalige RTL-Chef. Die volle Wirkung werde dann 2024 erreicht.
Der Konzern um ProSieben, Sat.1 und Kabel 1 streicht wohl mehrere hundert seiner rund 7.300 Jobs. Der Stellenabbau werde „signifikant umfangreicher als die früheren Umstrukturierungen“, hatte Habets jüngst gesagt. Zuletzt waren 2019 etwa 120 Vollzeitstellen weggefallen.
Streaming-Hoffnung
Mit Blick auf die Großaktionäre, die MediaForEurope (MFE) des jüngst verstorbenen Silvio Berlusconi, und die PPF-Gruppe aus Tschechien, sagte Habets, man sei im konstruktiven Dialog über die strategischen Ziele und prüfe Optionen für mehr Zusammenarbeit.
Auf Kritik stieß bei Aktionären, dass die Hauptversammlung zum vierten Mal in Folge nur digital stattfand und nicht in Präsenz. „Virtuell ist einfach Käse“, sagte Matthias Gaebler, ein professioneller Hauptversammlungsredner. Das Management bekomme so zwar keine Buhrufe, aber auch keinen Applaus.
Der Fokus von ProSiebenSat.1 liegt künftig noch stärker, wie auch von Aktionären gefordert, auf das Kerngeschäft Entertainment. Große Hoffnung setzt Konzernchef Habets auf die hauseigene Streaming-Plattform Joyn. Die schöpft der Entwicklung von Joyn in Österreich, wie er bei der Hauptversammlung deutlich machte. „Ein Blick in unser Nachbarland zeigt, dass das möglich ist: Im Mai haben wir Joyn auch in Österreich auf den Markt gebracht. Joyn Austria ist unsere Blaupause.“ Hier habe man es geschafft, nicht nur eigene Inhalte auf Joyn anzubieten, sondern alle österreichischen Sender – private und öffentlich-rechtliche Anbieter – auf einer Plattform zu vereinen. „Joyn ist damit Österreichs Superstreamer“, verwendete auch Habets die hierzulande eingeführten Slogan. „Mit dieser Ausrichtung soll Joyn Austria bereits bis 2024 zur führenden digitalen Plattform werden. An so einer Koalition für Vielfalt und Qualität arbeiten wir auch in Deutschland.“
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