Facebook-Kritiker Roger McNamee: „Die Leute haben keine Ahnung“
Als Facebook-Gründer Mark Zuckerberg vor rund zehn Jahren Rat brauchte, war er als Mentor an seiner Seite: Roger McNamee. Der ehemalige Finanzinvestor unterstützte das Unternehmen aber nicht nur mit Worten, sondern auch mit Geld. Mittlerweile ist McNamees Begeisterung über Facebook aber verflogen. Der 63-Jährige tourt aktuell durch Europa, um auf die Gefahren großer Internetplattformen aufmerksam zu machen.
Einer seiner Stopps ist bei den Österreichischen Medientagen, die am heutigen Mittwoch in Wien starten. Bei dem Fachkongress treffen heimische wie internationale Branchenvertreter aufeinander, darunter Max Conze (ProSiebenSat.1), Christoph Schneider (Prime Video) und Reinhard Scolik (BR).
Von 25. bis 26. September finden am Wiener Erste Campus die 26. Österreichischen Medientage statt. Der Fachkongress der Medien- und Werbebranche steht in diesem Jahr unter dem Motto "Stunde Null. Die neue Medienrealität". Es soll unter anderem um die Zukunft des Fernsehens, medienpolitische Fragen und Innovationen im Medienbusiness gehen.
Vor Ort sind neben Roger McNamee unter anderen Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein, Lorenzo di Giovanni (Zeit), Max Conze (ProSiebenSat.1), Alexander Wrabetz (ORF), Katharina Behrends (NBC Universal international Networks), Reinhard Scolik (BR), Markus Breitenecker (ProSiebenSat.1Puls4) und Christoph Schneider (Amazon Prime Video). Mehr Infos: www.medientage.at
"Ich sehe es als meine Pflicht, Menschen aufzuklären"
Roger McNamee wird bei den diesjährigen Medientagen einen Vortrag halten. 34 Jahre lang war er im Silicon Valley tätig, hat in verschiedene Unternehmen investiert und unter anderem gemeinsam mit U2-Sänger Bono eine Investmentfirma gegründet. Er sei überzeugt gewesen, dass Technologie das Leben der Menschen verbessere. Das habe sich aber in den letzten Jahren verändert, wie er im KURIER-Gespräch erzählt.
„Ich sehe es als meine Pflicht, die Menschen darüber aufzuklären“, sagt McNamee. „Ich glaube nicht, dass die Leute im Silicon Valley schlechte Menschen sind. Aber ihre Werte stehen in Konflikt mit den Werten einer liberalen Demokratie – und darüber sollten wir reden.“
"Es geht nicht nur um Facebook"
Zuerst wollte er diese Diskussion mit Zuckerberg und Co-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg persönlich führen, doch die reagierten nicht auf seine Kritik. Also ging McNamee an die Öffentlichkeit. Im Frühjahr ist in den USA sein Buch „Zucked“ erschienen, ab Dezember ist es auch auf Deutsch unter dem Titel „Die Facebook-Gefahr“ erhältlich. „Es geht mir dabei aber nicht nur um Facebook“, betont McNamee. Denn die Probleme, auf die er aufmerksam machen wolle, betreffen alle Tech-Giganten – Google genauso wie Amazon oder Microsoft.
"Die Leute glauben, sie geben nur ein paar Informationen preis"
Demokratie, Gesundheitswesen, Datenschutz und Wettbewerb sieht McNamee in Gefahr. „Die Leute glauben, sie geben im Internet lediglich ein paar persönliche Informationen preis und das war’s. Sie haben keine Ahnung, dass Technologieunternehmen ihre Aufmerksamkeit manipulieren, ihre Auswahlmöglichkeiten einschränken und ihr Verhalten lenken.“
Der Kern des Problems liege im Businessmodel von Facebook & Co, das auf dem Sammeln von Nutzerdaten basiere. „Die Regierung könnte soziale Netzwerke subventionieren, man könnte Werbung ohne Mikrotargeting (das gezielte Richten von Botschaften an bestimmte Zielgruppen, Anm.) schalten, man könnte Abos anbieten – es gibt viele andere Möglichkeiten.“ Und es brauche gesetzliche Bestimmungen. Der erste Schritt könne von jedem Land ausgehen, auch von Österreich, davon ist McNamee überzeugt.
"Es ist nicht realistisch, auszusteigen"
Und was kann der Einzelne tun? Komplett auf Internet und Social Media zu verzichten, schlägt McNamee jedenfalls nicht vor: Er selbst ist nach wie vor auf Facebook und Instagram – unter anderem, um sein Buch zu bewerben, wie er sagt. „Das sind Monopolisten und für die meisten ist es nicht realistisch, komplett auszusteigen. Aber man kann ändern, wie man diese Plattformen nutzt und seine Privatsphäreeinstellungen anpassen.“ Außerdem verwende er nur Produkte von Apple, nicht von Google. Für Browser und Suchmaschine nutze er DuckDuckGo.
"Ich wollte dieselben Risiken tragen"
Neben seinem Facebook-Profil besitzt McNamee übrigens auch noch kleine Anteile an dem Unternehmen. „Als ich beschloss, meine Kritik öffentlich zu machen, wollte ich dieselben Risiken tragen wie die Angestellten“, sagt McNamee. „Das kann man kritisieren, aber in meinen Augen war es moralisch besser.“ Vor ein paar Monaten habe er dann fast alle Facebook-Aktien verkauft. Warum noch immer ein kleiner Rest übrig sei, wisse er selbst nicht.
"Das sind die Chemiekonzerne des 21. Jahrhunderts"
In Europa, so McNamees Eindruck, seien die Probleme durch Internetplattformen in der öffentlichen Wahrnehmung präsenter als in den USA. Jedoch würden viele Menschen hier glauben, nichts ändern zu können. „Technologieunternehmen sind das Äquivalent des 21. Jahrhunderts zu Chemiekonzernen. In den 60ern konnten sie noch ungehindert Müll in die Gewässer leiten, aber irgendwann hat die Gesellschaft beschlossen, dass sie das nicht länger akzeptiert.“ Auch Facebook und anderen müsse man Grenzen setzen.
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