Ernst Gelegs: „Die letzte Sendung will man nicht versemmeln“
Hatte im November seinen letzten TV-Auftritt als ORF-Berichterstatter: Ernst Gelegs. Nach einem Vierteljahrzehnt in Budapest geht er in Pension.
Nach 44 Dienstjahren hat sich Ernst Gelegs vor wenigen Wochen mit einer letzten Live-Schaltung aus Ungarn vom ORF-Publikum verabschiedet. Der gebürtige Wiener geht in Pension, Paul Krisai übernimmt das Büro in Budapest. „Ich war erstaunlicherweise nach langer Zeit wieder einmal echt nervös“, erzählt Gelegs im KURIER-Gespräch. „Die letzte Sendung will man natürlich nicht versemmeln.“
Seit 1999 hat er aus Budapest berichtet. Als er damals in die ungarische Hauptstadt gekommen ist, hätte er „nie geglaubt, dass ich bis zu meiner Pensionierung dort bleibe.“ Mehrmals habe er sich für andere Korrespondentenposten beworben. Einmal sei sogar der Umzugswagen schon da gewesen – „dann hat die Kollegin, die in Budapest übernehmen sollte, plötzlich ihre Bewerbung zurückgezogen. Also hat man mich gefragt, ob ich nicht vielleicht doch noch bleiben möchte. Ich wurde immer wieder für zwei, drei Jahre verlängert und so ist es dahingegangen.“
1998 berichtete Gelegs vom Grubenunglück in Lassing.
Nächste Frage, bitte!
Die Arbeit als Journalist in Ungarn ist nicht einfach: Ministerpräsident Viktor Orbán fährt eine harte Linie gegen kritische Medien, erst am Donnerstag hat die EU ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der Einschränkung der Pressefreiheit eingeleitet.
Kritische Medien werden nicht zu Veranstaltungen der regierenden Fidesz-Partei eingeladen und bekommen keine Interviews mit Orbán – so auch der ORF: „Es gibt einmal im Jahr eine Pressekonferenz für die Auslandspresse, wo Fragen gestellt werden dürfen – aber man kann nicht nachhaken. Wenn man fragt: ,Herr Orbán, wie spät ist es jetzt?‘, sagt er: ,Donnerstag. Nächste Frage, bitte!‘ Ich habe zwar in kommunistischen Zeiten nicht in Osteuropa gelebt, aber nach dem, was ich so gelesen und gehört habe, ist die Mediensituation jetzt nicht viel anders.“
Einmal habe der ungarische Botschafter Gelegs’ sofortige Entlassung gefordert, ein anderes Mal war es der damalige FPÖ-Stiftungsratsvorsitzende Norbert Steger. „Es sind sämtliche Interventionen abgeblockt worden“, sagt Gelegs. „Das ist natürlich angenehm als Korrespondent, wenn die Geschäftsführung so hinter dir steht.“
Berichten aus Osteuropa
Von Budapest aus betreute Gelegs insgesamt sieben Länder: Ungarn, Slowakei, Tschechien, Polen, Rumänien, Republik Moldau und Griechenland. „Ich hatte in jedem Land Mitarbeiter, Producerinnen und Producer, die dann Geld bekommen haben, wenn ich gekommen bin. Dementsprechend haben sie mich mit News gefüttert.“
Warum überhaupt so unterschiedliche Länder in einem Osteuropabüro gebündelt werden, zumal es umgekehrt im ORF ja auch kein Westeuropabüro gibt? „Das ist der Stellenwert, den Osteuropa hat. Ich habe in den 2000ern viele Geschichten aus Rumänien gemacht. Und da gab es jedes Mal eine Diskussion: Brauchen wir das?“, erinnert sich Gelegs. „Österreich hat sein Geld in Osteuropa investiert und deswegen ist es auch wichtig, dass wir über die wirtschaftliche und politische Entwicklung dort berichten. Es ist halt attraktiver oder spannender, aus Westeuropa zu berichten, aber ich glaube, das ändert sich langsam.“
Ab 2008 berichtete Gelegs auch aus Athen.
Auch gesamtgesellschaftlich ortet er eine Veränderung: „Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hat es eine Zeit lang gedauert, bis man sich hingetraut hat. Dann sind die Geschäftsleute gekommen und mittlerweile merke ich, dass es die Menschen schon interessiert, wie es denn in Tirana oder Bukarest ausschaut.“
Dass er ausgerechnet jetzt in Pension geht, kurz vor der nächsten Wahl in Ungarn, bei der Orbán mit Péter Magyar einen ernst zu nehmenden Konkurrenten hat, „tut mir schon leid“. „1998 habe ich darüber berichtet, wie ein gewisser Viktor Orbán, damals 35 Jahre alt, Premierminister geworden ist. Es würde sich ein Kreis schließen, wenn ich jetzt darüber berichten würde, dass er abtreten muss.“
Unzufriedenheit in der ungarischen Bevölkerung
Magyar liegt in Umfragen vorne. „Die Unzufriedenheit im Land ist groß und ich glaube, dass vor allem jungen Leuten die Anti-EU-Rhetorik auf die Nerven geht. Eine große Mehrheit ist nach wie vor für die Europäische Union. Viele haben auch die Nase voll von der fürchterlichen Propaganda, die gerade in Wahlkampfzeiten läuft.“
Anstatt darüber zu berichten, hat Gelegs nun andere Aufgaben. Ein, zwei Buchprojekte würden „herumschwirren“. Und er müsse sich nun „daran gewöhnen, dass ein neuer Lebensabschnitt begonnen hat.“
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