Electric Indigos Debütalbum: Klanginstallation für den Club

Electric Indigo legt seit den späten Achtzigern auf.
Susanne Kirchmayr ist die bekannteste österreichische Produzentin elektronischer Musik. Trotzdem kommt erst jetzt ihr Album.

Wenn Sie 511593 wählen, misslingt der Anruf: Kein Teilnehmer unter diesem Anschluss. Hinter dieser Nummer stecken auch keine Koordinaten, die zu einem vergrabenen Schatz führen. Es ist auch kein Sicherheitscode, sondern eine per Online-Zufallsgenerator ausgespuckte Zahlenkombination, nach der Susanne Kirchmayr alias Electric Indigo ihr Album benannt hat: „Ich wollte mir keine bestimmte Zahl aussuchen, die etwas Spezielles bedeutet, sondern den Zufall entscheiden lassen“, sagt sie im Gespräch mit dem KURIER.

Aber wie spricht man den Albumtitel nun richtig aus? „Es gibt kein Richtig oder Falsch. Ich persönlich spreche die Zahlen aus, sage ,Fünf-Eins-Eins-Fünf-Neun-Drei‘. Aber im Endeffekt ist es mir egal, wie die Leute die Zahlen aussprechen“, so die österreichische Techno-Pionierin, die sich in den 1990er-Jahren als eine der ersten Frauen im vorwiegend von Männern dominierten DJ-Business einen Namen machen konnte.

Erleichterung

„511593“ ist, man glaubt es kaum, das erste Album der Musikerin, die seit nunmehr 25 Jahren im Business tätig ist. Die 52-Jährige, die das Geschehen der elektronischen Musikszene hierzulande von Anfang an maßgeblich mitgeprägt hat, veröffentlichte zwar zahlreiche EPs, fertigte Remixe für internationale Künstler, Kompositionen für Liveshows, Ausstellungen und Klanginstallationen an, aber eigener Longplayer ist sich bislang keiner ausgegangen.

Die Wienerin zeigt sich erleichtert darüber, dass es endlich geklappt hat. Denn für sie zählt „das Album als Format immer noch zur Königsklasse“. Außerdem sei der Entstehungsprozess eine sehr langwierige Geschichte gewesen. „Es war schwierig, dieses Album zum Abschluss zu bringen.“

Vor allem in der elektronischen Musik stellt sich nämlich oft die Frage: Wann ist ein Track fertig? Die Möglichkeiten sind unbegrenzt, man kann immer noch etwas verändern, Sounds hinzufügen, weglassen und eine andere Version davon erstellen. Es gibt obendrein noch unendlich viele Optionen, einen Song zu mastern, also abzumischen. „Deshalb sind Deadlines von Plattenfirmen auch so wichtig, weil ansonsten hört man ja nie auf, an den Tracks herumzuschrauben“, sagt Electric Indigo.

Auf ihrem auf Imbalance Computer Music, dem Label des deutschen Sounddesigners Robert Henke, veröffentlichten Album finden sich Stücke, die in den vergangenen fünf Jahren entstanden sind. „Für mich ist es einerseits eine Zusammenfassung dessen, was ich zuletzt gemacht habe. Andererseits führt es auch die zwei wesentlichen Stränge meiner bisherigen Arbeiten zusammen – das ist die experimentelle und die vom Club geprägte DJ-Seite.“

Begeisterung

Auf „511593“ kombiniert Electric Indigo ein breites Panorama an dunklen und atmosphärischen Sounds. Die Stimmung auf dem Album ist nicht düster, aber auch nicht unbedingt freundlich. „Mein Freund hatte zur Musik eine schöne Assoziation: Er hat von hochalpinen Geröllhalden gesprochen, von schroffen Felsen und einem wolkenfreien Himmel; von weiten und unberührten Landschaften“, erklärt Indigo, die 1998 die internationale Plattform female:pressure gründete, um die Sichtbarkeit von Frauen in der elektronischen Musik zu erhöhen.

Die Stücke auf ihrem Debüt sind bei aller Klangforschung aber auch clubtauglich. Davon konnte sich Electric Indigo auch bereits selbst überzeugen. Sie habe ein paar Tracks im Mix mit schnelleren, härteren Beats versehen und diese im Berghain gespielt. Dabei handelt es sich immerhin um den Berliner Techno-Bunker, der am Wochenende stets tausende Raver in seinen Bann zieht.

Mit Berlin verbindet Indigo auch einen wesentlichen Teil ihres Lebens, ihrer Karriere: Von einer großen Welle der Begeisterung für elektronische Musik erfasst, zog sie 1993 in die deutsche Metropole. Ein Grund für diesen Umzug war der Schallplattenladen Hardwax, in dem man sie die damals raren Techno-Platten aus den USA kaufen konnte. Dem Hardwax, in dem Electric Indigo auch gearbeitet hat, habe sie viel zu verdanken. „Der Plattenladen und deren Betreiber waren für meine Identität und Entwicklung extrem wichtig. Ich bin nach wie vor sehr gerne dort.“

Wie unterscheidet sich das Berlin der 90er-Jahre vom heutigen? „Es gab damals eine schier endlose Möglichkeit an leer stehenden Gebäuden. Überall in der Stadt konnte man Partys organisieren. Das war auch der Grund, warum dort die Techno- und Clubkultur so eine Ausprägung bekam. Leider sind diese Räume der Entwicklung, dem Wachstum der Stadt, den Mietpreisspekulationen zum Opfer gefallen. Das, was Berlin lange Zeit so speziell gemacht hat, wird langsam, aber doch abgeschafft.“

Herausforderung

Für die Techno-Globetrotterin ist Letztenendes Wien wieder zur Homebase geworden. Von hier aus setzt sie sich nicht nur für die Vernetzung von Frauen im Bereich elektronischer Musik ein, sondern arbeitet auch beständig an ihrem Sound. Denn: „Man muss am Laufenden bleiben, darf sich Veränderungen und Neuheiten nicht verschließen. Eine Herausforderung, die mir zwar viel Spaß macht, aber es lenkt auch oft von dem ab, was man eigentlich machen sollte – nämlich leiwande Tracks.“ (lacht).

Tipp: Electric Indigo tritt am Mittwoch (9. Mai) im Rahmen des Red Bull Music Festivals im Wiener Prater auf.

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