Wie Sie Ihre Berichterstattung gewichten, hat viel Einfluss auf die Nachrichtenlage des ganzen Landes. Nach welchen Kriterien wählt die Nachrichtenagentur APA aus, was berichtet wird?
Als Journalisten haben wir den Anspruch, Relevanz zu definieren. Ansonsten gilt: Neuigkeitswert und Aktualität sind Kernkriterien für unsere Arbeit. Im Prinzip erfüllen wir als unabhängige Nachrichtenagentur (die APA ist eine Genossenschaft österreichischer Zeitungen und des ORF, Anm.) in privatem Auftrag eine öffentlichen Mission. Von daher müssen natürlich auch Themen behandeln, die wir auf Basis eines demokratischen Grundkonsens für wichtig halten, etwa Minderheitenthemen.
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Immer mehr Menschen wenden sich von Nachrichten ab. Es gibt dazu einen eigenen Begriff, die News Avoidance. Was ist Ihre These dazu?
Es gibt offensichtlich eine Diskrepanz zwischen dem, was wir als Redaktionen relevant finden, und dem, was unsere UserInnen und User relevant finden - das sieht man unter anderem auf Social Media. Und es hat viel mit dem aus meiner Sicht größten Problem des Journalismus zu tun: Dem Mangel an guten Nachrichten. Ich muss gestehen: Sie sind auch nicht immer leicht zu finden.
Früher war die Aufgabe von Chefredaktionen, zu antizipieren, was die Leser lesen wollen. Heute sind die Zugriffe auf die Meldungen in Echtzeit messbar und wir sehen: Nicht alles, was wir für wichtig halten, stößt auf Resonanz. Wie findet man in diesem diesem Anspruch den richtigen Weg?
Früher haben die Menschen vereinfacht gesagt das gelesen, was in der Zeitung stand. Das heißt, der Chefredakteur hat mehr oder weniger entschieden, was die Leser lesen wollen. Mittlerweile haben wir Daten, die uns genau sagen, was die Menschen wie interessiert. Das ist eine Riesenchance, in Dialog mit den zu Lesern treten - auf Basis einer Datenanalyse.
Welche Rolle kommt hier einer Nachrichtenagentur zu?
Wir schildern in unserer Datenerfassung zu unseren Meldungen aus, für welches Bedürfnis der Nachrichtennutzung bestimmter Content vermutlich geeignet ist. Denn: Nutzerinnen und Nutzer wollen nicht immer nur ein Update haben. Manchmal wollen sie Kontext bekommen, ihr Verständnis vertiefen, manchmal wollen sie emotional angesprochen werden oder wollen sie Meinungen, Perspektive und Argumente hören.
Wie vermeiden Redaktionen, nur mehr die Zahlen sprechen zu lassen? Es widerspricht dem journalistischen Ethos, die Masse abstimmen zu lassen.
Nur noch über die besten Ausflugsgasthöfe im Wienerwald zu schreiben, weil das gut funktioniert, ist für unser Berufsethos sicher zu wenig. Deshalb: Wenn demokratiepolitisch relevante Themen nicht angenommen werden, muss ich mir die Mühe machen, sie mit neuen Zugängen aufzubereiten.
Man könnte auch sagen: Die User haben also immer recht.
Ob sie recht haben oder nicht, ist letztlich egal. Sie sitzen aber am längeren Ast.
Vor wenigen Tagen ist ein Spital in Gaza von einer Rakete getroffen worden. Das ging über die APA als Eilmeldung mit der Ansage, es gäbe mehrere hundert Tote. In Folge stand Aussage gegen Aussage: Wer hat das Spital getroffen? Die Israelis sagen, es war die Hamas, die Hamas sagt, es waren die Israelis.
Und die Frage tauchte auch auf: Wurde es überhaupt getroffen?
Ein hochkomplexer Fall mit unsicheren Quellen und klaren Propagandazielen. Wann kommt man da zu dem endgültigen Bild darüber, was wirklich passiert ist?
Wir sind hier in einer nachgeordneten Rolle, weil wir hier selbst auf die internationalen Nachrichtenagenturen angewiesen sind. Die großen Nachrichtenorganisationen haben die Angaben der Hamas sicher zu wenig kritisch übernommen. Einige haben sich auch schon dafür entschuldigt. Der Umgang mit Quellen bedeutet auch für die internationale Medienlandschaft immer wieder steile Lernkurven. Man muss aber auch sagen: Die Wahrheit ist die Erste, was in so einem Konflikt auf der Strecke bleibt. Berichterstattung kann immer nur eine Annäherung sein.
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Wie oft läutet das Telefon in der APA-Chefredaktion, wenn sich ein Pressesprecher der Regierung beschweren will?
Nicht sehr oft. Die Frage ist immer: Bleibt der Anruf in der Chefredaktion oder wird er in den Newsroom weitergegeben? Und das ist, was eine Intervention. letztlich problematisch macht. Es ist meine Aufgabe, die Sackgasse solcher Anrufe zu sein, wenn sie unberechtigt sind.
Ihr Werdegang zu Chefredakteurin ist ungewöhnlich: Sie waren Kulturjournalistin. Welche Aspekte dieser Arbeit nahmen Sie in die Führung der APA mit?
Was ich mir aus dem Feuilleton mitnehme: Wir dürfen unseren Leserinnen und Lesern auch ein angenehmer Zeitvertreib sein. Es sollte etwas sein, was wir gerne konsumieren. Ich glaube, das täte auch der politischen, wirtschaftlichen, oder Klima-Berichterstattung ganz gut. Man soll es gerne lesen.
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