Die 5 explosivsten Momente in "The Crown"
Die Debatte um den Wahrheitsgehalt in „The Crown“ wurde vor der fünften Staffel besonders hart geführt. Zwei britische Ex-Premiers meldeten sich zu Wort, und klassifizierten die Serie als Unsinn. Dass neben historischen Fakten auch fiktionalisierte Gespräche gezeigt werden, die hinter verschlossenen Türen stattfinden, sei irreführend, so die Kritik. Auch Schauspielerin Judi Dench forderte eine deutliche Kennzeichnung als „Fiktion“.
Des Weiteren wurde ins Treffen geführt, dass die Serie nur zwei Monate nach dem Tod von Queen Elizabeth II Gefühle verletzen könnten. Und der neue König, Charles III könnte dadurch, dass in Staffel fünf die bittersten Jahre seines Lebens gezeigt werden, in seinem Bestreben gestört werden, die nötige Reputation als Monarch aufzubauen.
Der Schöpfer der Serie, Peter Morgan, sagte hingegen: „Ich denke, wir müssen alle akzeptieren, dass die 1990er eine schwierige Zeit für die Royal Family waren.“ Er habe „enorme Sympathie“ für Charles und sei sich absolut sicher, dass die Serie nicht unfreundlich ihm und seiner Familie gegenüber ist.
Nun wird es auch am Publikum liegen, wie es die Lage einschätzt. Wir haben hier die wesentlichsten Situationen aus der neuen Staffel zusammengefasst, um einen Eindruck zu geben, wie die handelnden Personen dargestellt werden.
Charles als Umfragekönig
Bereits in Folge 1 wird die Königin als „irrelevant, alt, teuer und realitätsfremd“ beschrieben. Charles hingegen als „jung, energetisch, modern, einfühlsam“. Das seien die Ergebnisse einer Umfrage für die Sunday Times, wie Charles (Dominic West) von einem Hofsekretär erfährt. Tatsächlich wurde eine solche Umfrage im Jänner 1990 von der Zeitung veröffentlicht - unter dem Titel „Königin-Victoria-Syndrom“. Rund die Hälfte der Befragten stimmte der Aussage zu, die Queen sollte an irgendeinem Zeitpunkt abdanken. Anders, als in der Serie beschrieben, war in dieser Umfrage die allgemeine Stimmung zur Monarchie noch überwiegend freundlich.
Charles muss aber auch erkennen, dass seine Popularität viel mit seiner Noch-Ehefrau, Prinzessin Diana, zu tun hat. Die Presse betrachtet ihren gemeinsamen Familienurlaub in Italien als „zweite Flitterwochen“. Die Realität sieht aber anders aus, wie auch „The Crown“ zeigt. Charles bricht den Jachturlaub zum Entsetzen von Diana (Elizabeth Debicki) ab, um nach London zurückzukehren und Kapital aus der Umfrage zu schlagen. Es wird eine Konversation von ihm und dem damaligen Premier John Major (Jonny Lee Miller) in Highgrove beschrieben, in der Charles den Konservativen umschmeichelt und auf ziemlich eitle Art die Umfragedaten besprechen will. Offenbar erwartet er sich, dass Major auf den Zug aufspringt und ein Abdanken der Queen populär macht. Dieser sagt aber: „Es ist nur eine Umfrage“ und zeigt sich eher reserviert.
Major ereiferte sich dennoch im Vorfeld über die Szene und verwies die Darstellung in den Bereich der Erfindung.
Bekannt ist allerdings, dass Charles die Monarchie erneuern wollte und einen gewissen Tatendrang in diese Richtung besaß. Das sollte durch die Szene wohl zum Ausdruck gebracht werden. Dass ihm hier ernsthafte Pläne für eine Palastrevolte unterstellt würden, lässt sich nicht sagen.
Amüsant ist, wie gezeigt wird, das just die Sunday Times vor der Queen (Imelda Staunton) versteckt wird, als sie gerade auf ihrer Jacht Britannia die Morgenlektüre beginnen möchte. Wir haben es eben mit einer Serie zu tun, die auch unterhalten will
Philip auf dem Kutschbock
In Folge 2 nimmt Philip (Jonathan Pryce) Kontakt zur Familienangehörigen Penny Knatchbull, gespielt von Natascha McElhone, auf. Ihre Tochter Leonard ist mit fünf Jahren an Krebs gestorben. Der Prinzgemahl kümmert sich rührend um die Verwandte, auch bekannt als Lady Romsey, und bringt ihr sein neues Hobby, das Kutschenfahren, näher.
Aufgrund dieser Treffen rankten sich Gerüchte und Spekulationen um eine Affäre Philips. Ziemlich sicher werden diese nun wieder diskutiert werden. Die Serie vermittelt eher das Gefühl, Philip hier in Schutz zu nehmen. Er sagt dazu "Kameradschaft". In einer Szene spricht seine Ehefrau, die Queen, mit ihm über Geheimnisse in der Ehe und einen allwissenden Gott. Philip antwortet, etwas verschmitzt: „Ich glaube, Gott hat ab und zu frei.“
Konkret gezeigt wird die Vorgeschichte zur berühmten Skandalbiografie „Diana - Her True Story“ von Andrew Morton. Als Mittelsmann zwischen dem Royals-Reporter und der Princess of Wales war der irische Arzt Dr. James Colthurst. Er überzeugt Diana mit der Aussicht, endlich ihre Geschichte erzählen zu können. Sie müsse den Journalisten gar nicht persönlich treffen, was die Geheimhaltung gefährden würde. In Folge spricht sie ihre Antworten zu Bulimie, Selbstmordversuchen und Problemen mit der königlichen Familie auf Band und Colthurst spielt den Fahrradboten. Elizabeth Debicki zeigt hier erstmals, wie eindringlich sie die seelischen Abgründe Dianas darstellen kann.
Ein bisschen etwas von einer Verschwörungsstory hat das Ganze auch. Diana fühlt sich beobachtet, weil Colthurst von einem Lieferwagen angefahren wird und bei Morton eingebrochen wird, und dann hört sie auch noch ein „Klick“ in der Telefonleitung. Das führt uns gewissermaßen zur …
… "Tampon"-Situation
Das „Annus Horribilis“ 1992, das die Queen durch Ehekrisen ihrer Kinder und einen verheerenden Brand in Windsor Castle an die Grenzen ihrer Leidensfähigkeit brachte, wird in Folge 5 eindrücklich geschildert.
Gerade einmal zwei Monate nach dem Feuer in dem symbolreichen Anwesen der Windsors zündete die britische Klatschpresse im Jänner 1993 die nächste Bombe. Ein 1989 abgehörtes Telefongespräch zwischen Charles und Camilla Parker Bowles wurde damals veröffentlicht. Der Grund: Die „Waleses“ hatten gerade verkündet, ab nun getrennt leben zu wollen. Davor schien es der Zeitung nicht angebracht, das Material zu verwenden. Aber nun, wenn schon alles in Scherben liegt …
Dominic West und Olivia Williams spielen in Folge 6 dieses Telefonat nach - nur zwei Monate nach dem Tod der Queen. Auch diese kurze Frist hatte „The Crown“-Kritiker wie Judi Dench verärgert. Ironischerweise ist aber gerade diese Szene durch die Aufnahmen verbürgt. Dennoch wurde auch hier das Ganze zusätzlich dramatisiert. Dass Camillas Ehemann den Anruf Charles ursprünglich entgegengenommen hat, stimmt nachweislich nicht. Camillas Kinder dürften aber tatsächlich gerade bei ihr zuhause gewesen sein, während Charles mit ihr schmutzige Fantasien besprach. Er scherzte, er würde am Liebsten in ihrer Hose wohnen und stellte sich vor, ein Tampon zu sein.
Die Folge ist zentral auf Charles ausgerichtet. Die Reaktion seines Vaters Philip auf „Tampon“-Gate ist denkbar brutal. Er lässt ihn in einer Krisensitzung das Motto seiner walisischen Militäreinheit zitieren: "Lieber den Tod als die Schande".
Die halbherzigen Beschlüsse einer als Reaktion gegründeten „The Way Ahead“-Kommission bespricht Charles dann mit Camilla – die beiden machen sich darüber lustig: „Vive la Révolution!“
Der Kronprinz wird als innovativer Reformer beschrieben, dem allerdings die Hände gebunden sind. Durch „das System“, das Philip bereits in Folge 2 im Gespräch mit Diana beschrieb. Man könne sich in dem System viel erlauben, aber in der Öffentlichkeit solle man sich dazu loyal verhalten, sagt Jonathan Pryce als Philip, der ja selbst vom „System“ eingefangen wurde.
Ein Interview mit Sprengkraft
„Remember, remember … the 5th of November“ – just am Guy-Fawkes-Day, wo im ganzen Land des berühmten Sprengstoff-Attentatversuchs von 1605 gedacht wird und die abendlichen „Bonfires“ entzündet werden, gab Diana im Jahr 1995 ihr berühmtes Interview mit der BBC. Folge 7 und 8 schildern den Weg zu dem wahrhaft explosiven Interview als geheime Kommandoaktion – und damit ist „The Crown“ nicht gar so weit entfernt von der Realität. Wie erst im Vorjahr im sogenannten Dyson-Bericht endgültig bestätigt wurde, setzte der BBC-„Panorama“-Journalist Martin Bashir äußerst unlautere Mittel ein, um sich das Vertrauen Dianas zu erschleichen und einen gestiegenen Handlungsbedarf zu signalisieren. Er legte ihrem Bruder James Spencer gefälschte Schmiergeldrechnungen vor, die untermauern sollten, dass Leute in Dianas engstem Umfeld gekauft worden seien, um sie auszuspionieren.
Ausgerechnet das Mutterschiff der journalistischen Integrität, „Tantchen“ BBC, wurde somit letztlich zum auslösenden Moment der Scheidung von Charles und Diana im August 1996. Bashir täuschte damit auch Kollegen und Vorgesetzte im eigenen Haus und stürzte damit die BBC schließlich in eine Krise. „The Crown“ zeigt die geheimen Treffen, die zum Interview führten, zum Teil wie in einem Spionage-Thriller. Dass dabei an Dianas Cabrio plötzlich die Bremsen versagen und sie einen schweren Crash nur knapp verhindern kann, ist dann etwas zu viel des Guten. Wenn man die Erzähltechniken der Serie heranzieht, ließe sich aus der Szene ableiten, dass damit auch der tödliche Unfall von Paris motivisch vorbereitet wird – mit möglichen Verschwörungsvorwürfen. Jedenfalls erhöht der fiktive Vorfall in der Folge die Paranoia der Prinzessin. Im echten Leben soll es im Jahr 1995 eine Notiz von ihr an ihren Anwalt gegeben haben, dass Diana von „verlässlichen Quellen“ mitgeteilt worden sei, dass man sie auf diese Weise „loswerden“ wolle.
Die Schilderung der Umstände des Interviews liefert in „The Crown“ auch eine Folie, um Umbrüche in der Medienwelt zu beschreiben. Die Queen informiert sich in der Serie über die Palastberichterstattung fast ausschließlich in Zeitungen. Wenn sie Fernsehen konsumiert, dann nur im alten Röhrenfernseher, bei dem Prinz William (er geht mittlerweile in Eton in die Schule) ihr immer wieder das Bild einrichten muss. Nun gibt sie aber doch nach, und lässt Satellitenschüsseln (wenn auch versteckt) auf dem Palast montieren. Auch die Rolle des immer bedeutender werdenden Privatfernsehens wird damit gestreift.
Bei der BBC war damals noch der monarchietreue Vorsitzende Marmaduke „Dukey“ Hussey am Werk. Seine Frau war eine Hofdame. Hussey wird im Widerstreit mit dem damaligen Generaldirektor John Birt gezeigt. Birt erteilte letztlich aus Trotz Bashir die Freigabe, das hochexplosive Interview zu veröffentlichen – so die Lesart in „The Crown“. Auch Birt hatte demnach Zweifel, warum Diana nicht mit irgendeinem US-Sender sprach (z.B. mit Oprah Winfrey), sondern mit der BBC.
Der Rückzug Husseys nach Veröffentlichung des Interviews, von dem er nichts gewusst hatte, wirkt hier wie der Untergang einer alten (Medien-)Welt.
Diana wird gezeigt, wie sie die Queen immerhin noch vorwarnt, was auf sie zukommt. Elizabeth II wird dabei die Rolle einer sich sorgenden Schwiegermutter zugewiesen, die angibt, stets nur das Beste für Diana gewollt zu haben.
Das Interview kann sie mit den sanften Worten nicht verhindern, und so geht auch dieser legendäre Satz auf Sendung: "Wir waren zu dritt in dieser Ehe, deswegen war es ein bisschen eng."
Umbrüche: Von Major zu Blair
Mit den letzten beiden Folgen der Staffel verscherzen es sich die Macher von „The Crown“ erneut mit John Major – und sogar mit einem zweiten Ex-Premier.
Folge 9, „Ehepaar 31“, ist wieder einmal raffiniert aufgebaut. Zwischendurch sieht man ganz normale Paare, zum Teil aus der Arbeiterklasse, die geschieden werden. Der Scheidungsrichter sagt immer wieder die selbe Formel, um Verfahren zu beenden. Unweigerlich arbeitet er sich in Richtung Ehepaar 31 vor. Es ist nicht schwer zu erraten, wer das sein wird.
Angesichts der schwierigen Verhältnisse in den vier Jahren nach der Trennung der beiden (Charles gab bereits 1993 ein Interview, um nach „Tampon-Gate“ Punkte zu sammeln), erscheint auch die Scheidung als schwieriges Unterfangen. In „The Crown“ wendet sich die Queen an Premier Major. „Sie sind eine seltene Mischung. Jemand, den man sofort mögen kann und dem man vertrauen kann.“ Nachdem sie seine Arbeit im Nordirlandkonflikt lobt, bittet sie Major, zwischen Charles und Diana zu vermitteln – als eine Art Schiedsrichter („Umpire“ wie im Tennis). Der fiktive Major fühlt sich geschmeichelt und nimmt die Aufgabe an.
Nun ist der Vergleich eines Jahrzehnte dauernden religiösen, bewaffneten Konflikts mit einer Ehescheidung ein etwas süffisanter Vergleich. Das größere Problem scheint aber wieder einmal zu sein, dass das Tatsachensubstrat hier äußerst dünn ist. Vielleicht erklärt auch das die rüde Wortwahl Majors im Vorfeld: „Eine volle Ladung Unsinn, mit der hier aus keinem anderen Grund hausiert wird, als eine maximale – und völlig falsche – dramatische Wirkung zu erzielen.“
In Folge 10 tritt dann wieder Dodi Al-Fayed auf – allerdings noch immer nicht als Liebhaber Dianas. Dodi, der als Filmproduzent in Los Angeles arbeitet, bringt seine Verlobte Kelly Fisher mit nach London, um sie seinem Vater, Mohamed Al-Fayed, vorzustellen. Dieser empfindet das US- Model als Schwiegertochter als nicht besonders standesgemäß.
Erzählerisch wird der Harrods-Besitzer, der die Nähe zu den Royals suchte, hier parallel zu Elizabeth II gesetzt, die in der Serie ja zum Beispiel auch bei ihrer Schwester Margaret die Spielverderberin spielte, was Liebesdinge angeht.
Charles darf indes Historisches erleben, es handelt sich um unangenehme Dinge. Einerseits begleitet er die offizielle Übergabe Hongkongs an China und andererseits absolviert er dabei die letzte Dienstfahrt der Britannia. Die königliche Jacht bildet eine Klammer in der Staffel, denn in Folge wird die emotionale Bedeutung des Schiffs für Elizabeth ausführlich erklärt. Die Absicht der Regierung, diese Ausgaben, die die Royals nicht selbst tragen wollten, einzusparen. illustriert auch das komplexer gewordene Verhältnis zum Königshaus und den drohenden Bedeutungsverlust.
Labour-Chef Tony Blair hatte die Unterhauswahl 1997 gegen John Majors Tories haushoch gewonnen, und nun wird es auch eng für die Britannia. Dass Blair anbot, die Jacht in „New Britain“ umzubenennen, dürfte eher ein netter Gag sein. In der Serie zeigt sich die königliche Familie jedenfalls pikiert, weil es sich bei dem vorgeschlagenen Namen um einen Wahlspruch Blairs handelt.
Vor der Küste Hongkongs kommt es laut „The Crown“ zu einem Gespräch zwischen Carles und Blair. Erneut versucht der Thronfolger, ein Bündnis zu schmieden. Er verweist auf die Millionen Meilen, die die Britannia hinter sich habe und vergleicht diese Tatsache mit seiner Mutter und deren „grauhaarigen“ Beratern. Zugleich macht er beim neuen Premier Stimmung für eine Wiederverheiratung mit Camilla. Man sieht dann Blair im Flugzeug, wie er vor seiner Frau Cherie Blair Verständnis für Charles äußert und dessen „Energie und Verstand“ lobt.
In einem Statement gegenüber dem Telegraph Anfang November sagte Blair zu der Darstellung: „Es sollte nicht überraschen, dass dies kompletter Müll ist.“
Es scheint, als ob die Macher sich dem Problem ausgesetzt sahen, dass die Neunziger Jahre des britischen Königshauses aufgrund der vielen allseits bekannten Vorkommnisse ohnehin schon eines der bestdokumentierten Jahrzehnte sind. Offenbar sah man sich dazu genötigt, hier noch angebliche Überraschungen einzuflechten, die dann zum Teil tatsächlich irreführend sind.
Wenn man dies alles im Auge behält, bietet „The Crown“ aber allemal noch genug Vergnügen mit viel Wiedererkennungswert.
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