Aus dem Archiv: Sigi Bergmanns Pensionsantrittsmonolog im KURIER

++ ARCHIVBILD ++ SPORTJOURNALISTEN-LEGENDE SIGI BERGMANN 84-JÄHRIG GESTORBEN
KURIER-Redakteur Guido Tartarotti traf Sigi Bergmann 1998 zum Interview. Es wurde ein Monolog.
Am 28. 2. 1998 ging Sigi Bergmann in Gleitpension. Guido Tartarotti traf ihn zum Abschiedsinterview - das wurde zum Monolog.
 
"Ich hab keinen Pensionsschock. Den hatte ich, als sie mir die Rübe runtergehaut haben bei ,Sport am Montag'. Ich habe keine Angst, seelisch-geistig zu verelenden. Hätten sie mir mit 25 gesagt, du wirst Sportreporter, ich hätte gelacht. Ich war darauf ausgerichtet, Opernsänger zu werden. Aber es war ein gutes Substitut. Eine Stärke von ,Sport am Montag' waren ja die Musiken. Auch wenn der Generalintendant Gerd Bacher gesagt hat ,Ihr musikalischer Manierismus geht mir auf die Nerven'.
 
Ich habe immer gekämpft, daß der Sport eine größere Anerkennung hat. Daher habe ich versucht, Kunst und Sport auf einen Nenner zu kriegen. Ich wußte, daß ich damit die Kulturschickeria, die ich verachte, provoziere. Ich bin überzeugt, daß der Herr Pavarotti nicht viel intelligenter ist als der Herr Maradona. Das sind einfache Menschen, der eine hat sein Kapital in der Kehle, der andere in der Kniekehle.
Ich war von Beginn an auf der Seite der Verlierer. Ohne die gibt es keine Sieger. Der Sieger braucht gar keinen Sportreporter, der wird eh durch den Zielraum getragen. Mein erster ,Sport am Montag' war schon programmatisch. Es war einem Bobfahrer gewidmet, der ein Bein verloren hat.
 
Ich möchte nicht so weit gehen wie die Jelinek mit ihrem ,Sportstück', aber sie hat mit einigen Sachen recht. Aber wenn sie meint, jeder Trottel kann eine sportliche Leistung bringen, dann bin ich die Frau Anti-Jelinek.
 
Für eine Geschichte ,Angst im Sport' bin ich ohne Training allein mit dem Fallschirm abgesprungen. Ich wollte zeigen: Der Reporter quatscht nicht nur. Ich wollte den Geist im Sport einführen. In meiner Jugend hat man nur Bizeps, Trizeps, Quatrizeps trainiert. In jeder Sportart gibt es 100 bis 200 Leute, die etwa gleich sind. Ob du erster oder 200. bist, entscheidet der Kopf. Darum bin ich über Feuer gegangen und habe mir Nadeln durchs Gesicht gestoßen.
 
Ich habe immer Typen getroffen, die es wert waren. Der Orsolics, ein ganz lieber, weicher Typ. Der war Pflichtprogramm für alle Promis. Als er dann von allen verlassen war, der arme Bua, da habe ich es als Aufgabe gesehen, etwas zu tun, obwohl es keine Sensation gab. Boxen war immer mein Lieblingssport. Weil ich es reichlich schlecht probiert habe. Mit Schnelligkeit kann man Kraft ad absurdum führen. Der Ali hat Leute besiegt, die ihn hätten erschlagen müssen.
 
Das hat mir Berge gegeben.
 
Meine allererste ORF-Sendung war verunglückt. 1970, sie hieß "Sportmosaik". Ich mußte untrainiert einspringen. Der Bacher hat getobt.
 
Ich konnte meine zweite Liebe, die Kultur, nie öffentlich ausleben. Ich habe Musik studiert. Aber ein Sportreporter, der die ,Winterreise' singt, ist wie ein Kalb mit zwei Köpfen.
 
1980, als wir in der Olympiaabfahrt Gold und Silber gewonnen haben, hat es im Team einen Riesenwickel wegen der Aufstellung gegeben. Als die Österreicher feiern wollten, habe ich - vielleicht zu unroutiniert - eine kritische Sendung gemacht. Meine Tochter ist in der Schule beschimpft worden, mir haben's die Reifen aufgeschlitzt, ,Badehur' war das Freundlichste, was meine Frau am Telefon gehört hat. Seither habe ich eine Geheimnummer. Da war ich am Ende. Wie kann der Sport die Leute so fanatisieren? Da hat Frau Jelinek recht.
 
Die Sportdokumentation geht mit mir in Pension. Alles geht im Fernsehen zur Dokumentation, nur der Sport nicht. Aber vielleicht kommt das wieder. Mit Jüngeren.Ich weigere mich, in der Vergangenheit zu sprechen - es war schön. Ich glaub', es wird noch schön."
 

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