Ist der zweite Film mit dem gefürchteten zweiten Album vergleichbar?
Ja, wahrscheinlich. Es ist ein bisschen schwieriger, zumindest habe ich mir das in der Vorbereitung gedacht. Es ist das zweite Mal, man hat etwas zu verlieren, weil der erste nicht so schlecht geworden ist. Es ist ein bisschen die Unbekümmertheit weg. Aber ab Drehbeginn ist man in einem ganz anderen Modus. Da freut man sich jeden Tag, dass man der Birgit bei der Arbeit zuschauen darf und dafür auch noch bezahlt bekommt.
Wie ist die Idee zur Geschichte entstanden?
Nach dem ersten Film über diese Blase von Stadtbewohnern wollte ich einen Film über das zweite Biotop machen, das ich auch ziemlich gut kenne, nämlich über die Gesellschaft am Land. Ich wollte eine Komödie machen, aber erst, nachdem etwas ganz Tragisches passiert ist. Meine Vermutung ist, dass der Witz vielleicht mehr kann, wenn er aus einer tragischen Situation heraus kommt. Und es war mir klar, dass ich nicht die Hauptrolle spielen möchte, sondern eine andere Rolle, wo ich viele Drehtage als Regisseur arbeiten kann.
Warum?
Ich hab das bei der "Wilden Maus" ausprobiert und ich würde auch nicht sagen, dass das so schlecht gelaufen ist, aber man hat doch ein starkes Augenmerk auf die eigene Figur. Dadurch fehlt ein bisschen der Blick aufs Ganze. Und ich habe mir gedacht, wenn ich als Regisseur besser werden möchte, dann muss ich auch mehr Zeit in diese Arbeit investieren.
Wollen Sie nur Regie führen, wenn Sie auch das Drehbuch geschrieben haben?
Ich kann nur Regie führen, wenn ich das Drehbuch geschrieben habe. Ich bin so ein Anfängerregisseur, der mit über 50 den ersten Film gemacht hat. Da lernt man’s nimmer so, dass man das aus dem Handgelenk kann. Da muss man sich quasi von der ersten Drehbuchfassung bis zu den Dreharbeiten jahrelang in den Stoff hineinschrauben. Dann hat man den so intus und weiß genau, was man will. Wenn ich das mit einem fremden Stoff machen würde, würde ich mit Sicherheit scheitern.
Sie sind Drehbuchautor, Regisseur, Darsteller. Haben Sie ein Korrektiv, jemanden, den Sie um Rat fragen?
Ich habe von der ersten Fassung an Leute, die mir helfen, den Stoff weiterzuentwickeln. Man braucht nach jeder Fassung Menschen, die einem was sagen. Dann kommen die Schauspieler dazu. Die Birgit ist geradezu ein Seismograf dafür, wenn Dialoge nicht stimmen.
Im Mittelpunkt steht wieder ein Dilemma. Interessieren Sie sich speziell dafür?
Ich interessiere mich sehr für Menschen, die Dinge nicht aussprechen können, und für Schuld. Ich glaube, ich habe auch ein bisschen einen Hau in der Richtung. Vielleicht mach ich gern Filme über Leute, die meine eigenen Fehler reproduzieren.
Hauptfigur ist Andrea, die sich scheiden lässt und vom Dorf schief angeschaut wird. Warum?
Es kommt einiges zusammen. Eine Frau wird Polizistin, bleibt aber in der Gegend, aus der sie stammt. Sie ist eine sehr korrekte Polizistin und straft Einheimische genauso wie Fremde. Und sie ist in Scheidung. Wenn ein paar solcher Faktoren zusammenkommen, hat man schnell einen Ruf, dass man nicht dem Frauenbild entspricht, wie es noch immer am Land erwartet wird.
Sie spielen den Religionslehrer Franz. Hat er Ähnlichkeit mit Ihrer Figur in der "Wilden Maus"?
Nein. Der Franz wurde sehr katholisch erzogen und hat beschlossen, sich nicht von dieser Erziehung zu befreien, sondern sogar Religionslehrer zu werden. Und dann ist ihm passiert, was so manchen Lehrern passiert: Dass er mit der Zeit immer frustrierter geworden ist von seiner Arbeit. Am Anfang hat er den Kontakt zu den Schülern gut hinbekommen, aber dann immer weniger. Irgendwann hat er dann ein bisschen Trost im Alkohol gesucht. In dieser Situation kommt es zu einem einschneidenden Erlebnis, er glaubt, er ist schuld am Tod eines Menschen. Und überraschenderweise gibt ihm das geradezu Auftrieb. Überspitzt formuliert könnte man sagen, dass Katholiken manchmal Schuld auch genießen.
Sie wollten selbst Lehrer werden. Ist der Film auch ein „Was wäre, wenn ich diesen anderen Weg eingeschlagen hätte“?
Ich wollte kein Religionslehrer werden, sondern so ein flotter Lehrer für Geschichte und Deutsch, der viel Theater spielt mit den Schülern. Ich glaube auch nicht, dass ich ein unglücklicher Lehrer geworden wäre. Aber jetzt hätte ich mich schon auf die Pension gefreut, weil man immer weniger Freiraum hat. Man muss sich zum Beispiel bei der Matura an irgendwelche blöden Vorgaben halten, damit alle genau die gleiche Matura machen können, was ich als Lehrer wahrscheinlich ziemlich unsinnig gefunden hätte.
In der "Wilden Maus" haben Sie einen Journalisten gespielt. Auch ein Job, den Sie mal machen wollten.
Ja, aber das hat auch nicht so sehr mit dem eigenen Schicksal zu tun. Ich habe mich gefragt, welche Berufsgruppe gerade besonders am absteigenden Ast ist. Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, ist es halt so, dass der Printjournalismus nicht zu den Gewinnern der letzten 20 Jahre gehört. Da wird abgebaut und deswegen habe ich den Beruf genommen. Ich wäre als Journalist sicher alles mögliche geworden, aber kein Kulturjournalist und sicher kein Kritiker. Das hätte ich nie gemacht.
Warum nicht?
Weil ich das witzlos finde. Ich fälle ungern Urteile. Ich wäre auch ein Lehrer geworden, der extrem locker benotet hätte. Ich hätte nicht gerne mit Noten über Schicksale entschieden, und auch nicht mit Kritiken. Ich bewundere Kritiker, die nicht urteilen, sondern beobachten. Und in ihre Beobachtungen ein gewisses Urteil einfließen lassen, ohne den Daumen hoch oder runter zu geben. Aber meine Arbeit wäre das nicht gewesen. Ich hätte mich eher für Außenpolitik interessiert. Innenpolitik eher nicht, da wär ich nach einiger Zeit genauso depressiv geworden wie als Religionslehrer. Da geht einiges in die falsche Richtung in den beiden Bereichen. (lacht)
Und jetzt sind Sie Regisseur …
Aber Gott sei Dank nicht hauptberuflich, da würde ich auch depressiv werden. (lacht)
Wie war es, sich nach dem Film über die Stadt dem Landleben zu nähern?
Ich komme von dort. Da weiß man, wie die Menschen ticken. Wenn ich mir die Bauern anschaue von dort, wo ich herkomme, und mit denen meiner Kindheit vergleiche, dann sind die Traktoren größer geworden, aber die Menschen, die draufsitzen, sind nicht so viel anders. Ich habe nicht diesen Blick auf die Landbewohner, den manche Regisseure aus der Stadt haben. Das ist oft kein sensibler Blick. Im Grund stecken wir alle in irgendeiner Blase und tun uns schwer, die in der anderen Blase zu verstehen.
Sie hatten beim Schreiben des Drehbuchs schon Birgit Minichmayr im Kopf. Warum?
Ich möchte, dass es keine aufgesetzte Komödie wird, sondern alles aus einer glaubhaften Situation entsteht, das Komische und das Tragische. Die Birgit würde nie eine Situation an einen Effekt verraten und etwas künstlich lustig machen. Und sie kommt auch vom Land, dadurch trifft sie genau den Ton. Zum Beispiel, wie man sich als Frau in einer männerdominierten Umgebung durchsetzt, welche Strategien man da entwickelt. Das bekommt man schon von der Jugend an mit und ich glaube, da können Schauspieler aus der Stadt zwei Monate arbeiten, mit allen Techniken – sie werden es nicht erlernen. Die Birgit ist die Idealbesetzung. Alle Szenen gewinnen, weil sie das spielt. Man hat immer Angst, dass etwas schief geht, aber dann die Freude, dass es meistens besser geworden ist, als man es sich vorgestellt hat.
Auf den Fahrten zu den Drehorten besprechen Sie mit Birgit Minichmayr noch mal alles.
Genau, die Birgit und ich fahren in der Früh gemeinsam weg und können über die Szenen vom Tag reden. Man bekommt von Drehtag zu Drehtag eine bessere Sicht auf die Figuren und kennt sie besser. Plötzlich ist ein Dialog, den wir zuerst lustig gefunden haben und auf den sich alle gefreut haben, nicht mehr passend. Und wir erfinden etwas neues.
Der Film soll erst 2024 in die Kinos kommen. Warum?
Ich mache beim Schneiden gerne Pausen, in denen ich mich einmal ein paar Wochen nicht damit beschäftige. Die Methode hat bei der "Wilden Maus" gut funktioniert und deshalb will ich lieber nicht in so einen Stress kommen: Der Film muss dann und dann rauskommen und ich muss schnell irgendwas fertig haben. Wenn man so unerfahren ist wie ich, ist die Zeit eine große Hilfe.
Wird es einen dritten Film geben?
Das weiß ich noch nicht. Wenn ich den nicht versemmle, hätte ich wahrscheinlich eine Chance, aber das muss man abwarten.
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