AK-Wahl im ORF: "Ein bisserl weniger blau und ein bisserl mehr grün"

Die Arbeiterkammer-Wahlen sind zwar schon Monate vorbei. Ihr Ergebnis war auch nicht so überraschend, dass es über Tage hinweg publizistisch ein Thema gewesen wäre. Doch jetzt rücken die Nationalratswahlen am 29. September immer näher. Und man beginnt sich für das AK-Ergebnis des „ORF“ in Wien zu interessieren – in verschiedenen Parteien zirkuliert es ...
Auch KURIER-Leser M. Z. ist einer, der Wahl-Sprengel-Ergebnisse bekommt - und liest. In diesem Fall muss man sich sogar drei verschiedene zusammensuchen, um auf ein Ergebnis zum „ORF“ in Wien zu kommen. Sein Befund in einem Leserbrief: „84% der Arbeitnehmer stimmten für die Linken, bestehend aus Sozialdemokraten, grünen Listen und Kommunisten. Gerade noch 6% konnten die Schwarzen und 1,6% die Freiheitlichen einheimsen - der Rest Splittergruppen.“ Sein Schluss: „Da wird man als Staatsbürger nachdenklich und wundert sich nicht mehr über so manche tendenziöse Berichterstattung.“
Alles klar.
Alles klar?
Für ORF-Zentralbetriebsratsobmann Werner Ertl ist grundsätzlich sehr fraglich, wieweit eine überbetriebliche Arbeitnehmer-Vertretungswahl überhaupt einen Rückschluss zulässt auf die politische Gesinnung oder gar Nationalratswahlen. „Wenn es so wäre, dann würde ja aufgrund des AK-Ergebnisses Österreichs Bundeskanzler Andreas Babler heißen, was bekanntlich nicht der Fall ist“, meint der ORF-Techniker. In Wien kam die sozialdemokratische Liste „Renate Anderl - Team FSG“ auf ein Gesamtergebnis von 57,2 Prozent, FA-FPÖ auf 8,3 Prozent und FCG-ÖAAB Wien auf 6,8 Prozent.

Werner Ertl ist seit 2023 Zentralbetriebsratsobmann im ORF
Info-Journalisten nur ein kleiner Teil
Eingesprengelt, so heißt das, waren im „ORF“ etwa 3.150 Personen. „Journalisten der ORF-Information sind da nur ein Bruchteil davon“, sagt der Zentralbetriebsratsobmann. Etwa 360 werden derzeit dem Newsroom, dem Herzstück der ORF-Information, zugeordnet. Zum Vergleich: Die ORF-Technik, aus der der Sozialdemokrat Ertl kommt, hatte bei der letzten Betriebsratswahl gut 1200 Wahlberechtigte, davon etwas über 700 Angestellte.
Aufgrund anderer Dienstorte wählen aber viele ORF-Mitarbeiter gar nicht im Betrieb (sondern im allgemeinen Sprengel oder per Wahlkarte) und scheinen daher im ORF-Ergebnis gar nicht auf, erläutert Ertl. Dafür würden wiederum im ORF-Sprengel auch Mitarbeiter anderer Firmen, die mit Arbeiten im ORF-Zentrum beauftragt sind, ihre Stimme abgeben.
Durchschnittlicher ORF
„Das Sprengelergebnis im ORF unterscheidet sich nicht signifikant von anderen Betriebswahlergebnissen oder dem des Allgemeinen Sprengels“ resümiert Ertl, seit Februar 2023 Zentralbetriebsratsvorsitzender, „und das ist gut so, alles andere wäre viel bemerkenswerter.“ Wie in den anderen Kunst-, Kultur-, und Medienbetrieben gäbe es lediglich „ein bisserl weniger blau und ein bisserl mehr grün.“ Wobei bei Letzteren eine Liste der Gewinner war, die nichts mit der Bundespartei zu tun hat - aber den eingängigeren Namen hat: „GRÜNE Arbeitnehmer in der AK Wien (GA)“. Die Wahlbeteiligung im Sprengel ORF betrug übrigens 55,1 Prozent - gegenüber 40,2 Prozent in gesamten Wien.
Werner Ertl, Jahrgang 1970, ist Personalvertreter in der „roten“ ORF-Technik und seit Februar 2023 Vorsitzender des ORF-Zentralbetriebsrats. Die ORF-Technik ist auch der größte Betriebsratsbereich im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Bis zu seiner BR-Freistellung 2011 war er als Betriebsleiter tätig.
Ertl war bis 2023 SPÖ-Gemeinderat in Enzersfeld (etwa 1500 Einwohner). Er darf wegen der Politikerklausel für ORF-Stiftungsräte nicht, wie für Zentralbetriebsratschefs üblich, die Mitarbeiter im obersten ORF-Gremium vertreten, obwohl er nach seiner Wahl zum ZBR-Vorsitz sein Gemeinderatsmandat geordnet zurückgelegt hat.
Was Ertl aber einräumt ist seine „Langzeit-Beobachtung, dass Bundesfraktionen, die dem Medienstandort Österreich im Allgemeinen und dem ORF im speziellen negativ gegenüberstehen oder die ein eingeschränktes Kulturverständnis haben, im Sprengel schlechtere Ergebnisse einfahren.“
Wer Glaubwürdigkeit fürchten muss, versucht sie zu zerstören
Trotzdem ist der Zentralbetriebsratschef überzeugt: „Man kann aus einem Sprengel-Ergebnisse nichts rauslesen.“ Deshalb interessiere sich ja auch niemand für die Ergebnisse von Post, REWE oder Diözese Wien.
Weshalb das Thema nun anzieht, liegt für den Ertl aber auf der Hand: „In Vorwahlzeiten wird halt immer mit allen Mitteln versucht, dem ORF eine inhaltliche Schlagseite zu unterstellen, präventiv in möglicherweise begründeter Sorge vor Berichterstattung über das eigene Tun. Wer Glaubwürdigkeit fürchten muss, versucht sie eben zu zerstören.“
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