Max Reinhardt Seminar: Die Vorwürfe waren grosso modo berechtigt

Will Schaden abwenden - und hält daher den Bericht unter Verschluss: Rektorin Ulrike Sych
Trenklers Tratsch: Eine Expertinnengruppe bestätigt mit ihren Empfehlungen, dass strukturell vieles im Argen lag

Es ist durchaus verständlich, wenn Ulrike Sych, die Rektorin der Universität für Musik und darstellende Kunst, nachhaltigen Schaden vom Max Reinhardt Seminar abwenden möchte. Die Reputation der Schauspielschule hat ohnedies enorm gelitten – durch einen offenen Brief von Studierenden, dessen Existenz sie anfangs sogar bezweifelt hatte.

Sych veröffentlichte daher am Mittwoch nur ein knappes Pressekommuniqué über den Bericht eines internen Expertinnenteams, das die angeprangerten Vorfälle tatsächlich peinlichst genau (auf mehr als 100 Seiten) untersucht hat: Die „wesentlichen Vorwürfe“ gegen Maria Happel, die im Sommer zurückgetretene Institutsleiterin, und deren Stellvertreterin Annett Matzke betreffend Machtmissbrauch, MeToo-Fällen, „Stellenbesetzungen, Hausver- bot und Polizeieinsatz sowie Unterricht außerhalb geschützter Räume“ hätten sich „nicht bestätigt“. Aus „rechtlichen Gründen“ – sprich: Datenschutz – werde man keine weiteren Stellungnahmen zum Inhalt des Berichts abgeben. Und diesen nicht veröffentlichen – nicht einmal in einer geschwärzten Fassung.

Wenige Stunden vor dieser Presseerklärung aber informierte Sych samt Expertinnen den Lehrkörper und die Studierenden des Seminars. Da klang das Ganze ein wenig anders. Und weit dramatischer. Sych sprach mehrere Male von einer „Krise“, die es zu überwinden gelte. Und sie bat, nichts nach außen zu tragen.

„Toxische Lehratmosphäre“

Man wird Sych nicht unterstellen können, in der Presseerklärung etwas Falsches behauptet zu haben. In der Tat sind die von den Studierenden aufgelisteten Verfehlungen zum Gutteil nicht Happel anzulasten. Manche der Vorkommnisse liegen zudem mehrere Jahre zurück. Aber in den Erklärungen der Expertinnen wurde schon deutlich, dass es massive Probleme gab – nicht nur in der Kommunikation und im Workflow.

Unter den Studierenden dürfte es zum Beispiel einen Psychopathen gegeben haben. Er meldete sich aufgrund von Vorfällen vom Seminar ab (große Erleichterung), kündigte dann aber in einem Audiofile sein Erscheinen bei einer Diplominszenierung an (große Panik unter den vor der Premiere nervösen Studierenden). Die Leitung unternahm aber nichts im Vorfeld (größtmögliche Irritation), sondern reagierte erst, als der Eindringling bei der Vorstellung ausfällig geworden war.

Natürlich gab es „ostdeutschen Drill“ und eine „toxische Lehratmosphäre“. Und zumindest einen MeToo-Fall. Peinlicherweise wurde das Opfer, eine junge Schauspielerin, von einer Frau am Podium namentlich geoutet. Dies müsste eigentlich Sanktionen nach sich ziehen.

Das Resümee jedenfalls: Die Expertinnen stellten „die Notwendigkeit von strukturellen Verbesserungen“ fest und formulierten eine Liste an Empfehlungen. Laut Sychs Kommuniqué zählen dazu „bessere Kommunikation und Informationsweitergabe sowie bessere Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen der Institutsleitung“. Stimmt zwar, aber auch das ist nur die halbe Wahrheit.

Warum Sych nicht einmal die Liste der Empfehlungen veröffentlicht, liegt auf der Hand: Sie beweisen indirekt, dass die Vorwürfe der Studierenden, die lange kein Gehör gefunden hatten (und daher, als letzten Ausweg, den offenen Brief formulierten) grosso modo stimmen. Denn eine Empfehlung lautet, Beschwerden umgehend zu prüfen. Eine andere, dass mit unzufriedenen Studierenden in Dialog getreten werden müsse. Zudem sollten Nähe-Distanz-Richtlinien ausgearbeitet werden (damit es nicht zu Übergriffen kommt). Und die Institutsleitung müsse ausreichend Zeit haben, um den Laden schupfen zu können. Also nebenbei ein Festival leiten und auf der Bühne der Burg stehen: Das geht eben nicht, wenn man das Max Reinhardt Seminar leiten will. Tamara Metelka und Alexandra Althoff werden das Institut interimistisch bis zum Sommer 2024 leiten. Zeit genug für neue Strukturen.

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