Mavis Gallant: Befreit aus der Bibliothek der ungelesenen Bücher

Mavis Gallant: Befreit aus der Bibliothek der ungelesenen Bücher
Der Verlag der Buchhändlerin Anna Jeller holt die kanadische Schriftstellerin aus der Vergessenheit.

Eines Tages las die Wiener Buchhändlerin Anna Jeller auf einem Literaturkalender folgenden Spruch:
„Ich wollte in Paris leben und nichts anderes als schreiben und wirklich frei sein ... und ich gab meinen Job auf und ging mit achtundzwanzig nach Paris. Ich hielt den Atem an und sprang. Ich hatte nicht darauf geachtet, ob Wasser im Pool war.“
Das hat Mavis Gallant (Bild oben) gesagt. Es stammt aus einem Interview 1999. Mavis Gallant?
Solcher Mut gefällt Anna Jeller. Das Foto der Schriftstellerin auf dem Kalenderblatt gefiel ihr auch. Sie  forschte in ihrer Privatbibliothek der ungelesenen Bücher, „ich fand tatsächlich einen Band von ihr und war sofort begeistert von den Themen und der stilistischen Meisterschaft.“

Band zwei

Um die gebürtige Kanadierin, die 2014 in Paris starb, aus der Vergessenheit zu holen, wurde ihr Roman „Grünes Wasser, grüner Himmel“ (1959; überarbeitet) Band zwei der Edition Anna Jeller.
Das erste Buch im Verlag der Buchhändlerin, im Vorjahr erschienen, war anspornender Erfolg gewesen: „Siebzehnter Sommer“ der Irin Maureen Daly ( 2006) – einer der ersten Romane, die extra für die Jugend geschrieben wurden, damals, 1942.
Jeller las diese Sommerliebesgeschichte, als sie 13, 14 war. Mit Angie, dem stillen Mädchen, das sich anders fühlte als die Schulkolleginnen, konnte sie sich identifizierten. „Siebzehnter Sommer“ gab Kraft.

Schöner Schein

Jetzt Mavis Gallant, gefeiert  seinerzeit für ihre Kurzgeschichten. Wie die kanadische Kollegin Alice Munro, die den Nobelpreis bekam (den man durchaus hätte teilen können).
 Jetzt Bonnie und Flor, Mutter und Tochter aus New York, die durch  Venedig und  Paris tingeln. Schöne Kulisse, schöner Schein, von dem die Tochter genug hat und sich zu lösen versucht. Ein ideales Paar, um zu beobachten, zu analysieren, zu sezieren.
Und ist die Mutter auch noch so dumm und böse: Über sie zu schreiben war für Mavis Gallant, wie das Schreiben immer, eine Liebesaffäre – „Der Anfang ist der beste Teil.“


Mavis Gallant: „Grünes Wasser,
grüner Himmel“ Übersetzt von Reinhild Böhnke.
Edition Anna Jeller.
158 Seiten.
21 Euro.

KURIER-Wertung: ****

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