Matthias Hartmann: "Dankbar für diese Chance weiterzuleben"

die räuber
Hartmann inszeniert ein Theaterstück auf der Bühne in Echtzeit als TV-Drama

KURIER: Sie inszenieren am Salzburger Landestheater Schillers "Die Räuber" als Bühnenstück fürs Fernsehen. Das ist, abgesehen von der Wiederaufnahme der "Lady Macbeth von Mzensk" an der Wiener Staatsoper, Ihre erste Theaterarbeit in Österreich seit Ihrem unfreiwilligen Abschied vom Burgtheater. Wie fühlt sich diese Rückkehr für Sie an?

Matthias Hartmann: "Dankbar für diese Chance weiterzuleben"
ABD0025_20160812 - SALZBURG - ÖSTERREICH: ZU APA131KI VOM 12.8.2016 - Regisseur Matthias Hartmann im Interview mit der APA-Austria Presse Agentur, am Donnerstag 11. August 2016, anl. eines Fototermins bei den Probearbeiten zu Schillers "Die Räuber" in Salzburg. Premiere ist am 3.9.2016 im Salzburger Landestheater. - FOTO: APA/BARBARA GINDL
Matthias Hartmann: Das ist keine Rückkehr, ich habe ja immer am Theater gearbeitet und inszeniert, zuletzt in Dresden Dostojewskis "Idiot", in Genf "Fidelio" und in Turin "Carmen". Neu ist für mich nur, dass das jetzt das Komplizierteste ist, was ich je gemacht habe. Es kann bei diesen "Räubern" jederzeit passieren, dass sich bei der Liveübertragung ein Kabel verhakt, dass eine Kamera ausfällt, dass ich auf die Bühne muss, um die Aufführung zu unterbrechen. Allein der Versuch, diese Produktion zu machen, ist todesmutig. Das ist, wie mit einem Jumbojet in die Luft zu fliegen ohne zu wissen, wie man landet. Also die Hölle.

In Genf haben Sie Beethovens "Fidelio" inszeniert – und dabei den Bösewicht Don Pizarro optisch als den ehemaligen Kulturminister Josef Ostermayer, der Sie entlassen hat, gezeichnet. War das eine Form der Rache?

Ich wollte nicht das Klischee eines Bösewichts zeigen, sondern einen lächelnden Händeschüttler, einen politischer Schleimer. Die Leute im Publikum, die das verstanden haben, haben sehr gelacht.

Sie versuchen, mit den "Räubern" Theater und Fernsehen zu verschmelzen, also zwei Genres, die nicht zwingend zusammenpassen. Auf dem unteren Teil der Bühne spielen die Schauspieler, auf dem oberen Teil sieht man den Film, der live entsteht. Vorbereitete Einspielungen, etwa mit Tobias Moretti, Friedrich von Thun oder Harald Serafin, werden durch Live-Action vor dem Green Screen ergänzt. Ist das ein künstlerischer Akt für das Theater, um neue Formen zu suchen, oder einer für das Medium Fernsehen?

Natürlich für das Fernsehen. Und ich müsste jetzt auch eher mit Fernsehredakteuren darüber sprechen als mit Kulturleuten wie mit Ihnen. Fernsehen und Theater sind keine Geschwister. Und es hätte keinen Sinn, wieder so ein abgefilmtes Bühnenstück zu senden, also das, was wir alle hassen. Wir unternehmen den Versuch, die Schnittmenge zu finden und daraus etwas Spannendes für die TV-Seher zu machen. Nur an sie denke ich bei dieser Produktion. Das Theater werden wir dabei nicht neu erfinden. Aber es ist das erste Mal, das so etwas gemacht wird.

Katie Mitchell hat unter anderem bei den Salzburger Festspielen auch schon Film und Theater verschmolzen.

Aber das wurde nicht gebroadcastet. Hier entsteht ein Film, zusammengesetzt aus virtuellen Räumen, voraufgezeichneten Sequenzen, mit denen interaktiv gespielt wird. Die Schnitte sind wie bei einem echten Film. Manchmal so schnell wie bei einem Action-Movie.

Sie arbeiten nun für das Red Bull Media House. Was fasziniert Sie daran?

Ich bin Dietrich Mateschitz, einem großen Humanisten und gleichzeitig äußerst bescheidenen Menschen, unendlich dankbar für diese Chance, die er mir gegeben hat, weiterzuleben.

Weiterzuleben?

Zumindest beruflich. Ich war ja zeitlebens ein Fachidiot, habe mich nur mit dem Theater beschäftigt und nie etwas anderes ausprobiert. Wann bekommt man schon die Gelegenheit, ein solches neues Leben zu beginnen? In eine völlig neue Welt zu wechseln?

Fernsehen gilt schon lange nicht mehr zwingend als Hochkulturgut. Wie beurteilen Sie das?

Der Erfolg des Fernsehens liegt sicher auch in der Trivialisierung. Aber von ServusTV kann man zu Recht kulturelle Inhalte erwarten.

Ist Fernsehen jetzt nur eine Zwischenstation für Sie? Könnten Sie sich vorstellen, noch einmal ein Theater zu übernehmen?

Dieses Thema habe ich überhaupt nicht auf dem Schirm. Ich habe genügend Selbstbewusstsein zu sagen, dass ich drei Häuser erfolgreich geleitet habe. Jetzt genieße ich die andere Welt. Man kann das kaum miteinander vergleichen. Im Theater wird man als Besucher in einem Raum eingeschlossen und muss die ganze Aufführung hindurch ruhig in der 9. Reihe sitzen. Beim Fernsehen gibt es die Fernbedienung, nur einen Druck entfernt sieht man Bruce Willis oder einen Bericht über Flüchtlinge.

In den "Räubern" geht es um den verstoßenen Sohn Karl Moor, der das Gute will und das Böse schafft. Sehen Sie Parallelen zu Ihrem Fall am Burgtheater?

Überhaupt nicht. Ich bin ja nicht gewalttätig. Ich inszeniere als nächstes am Düsseldorfer Schauspielhaus "Michael Kohlhaas". Da könnte man auch interpretieren, dass es mir nur um Gerechtigkeit geht. Für mich sind "Die Räuber" kein Revolutionsdrama. Karl Moor will zu Beginn des Stückes nur nach Hause. Welcher Revolutionär will nach Hause? Es ist ein Schicksalsdrama, das aufgrund einiger Koinzidenzen zum Point of no return führt.

Warum haben Sie ausgerechnet "Die Räuber" für dieses Projekt ausgewählt?

Ich trage diese Idee schon ganz lange mit mir herum. Das war das erste Stück, das ich unter Claus Peymann am Burgtheater inszeniert habe. Mich hat die ambivalente Figur des Karl Moor immer mehr interessiert. Ich wollte diese Verschränkung mit Film schon mit Leo Kirch machen, der leider gestorben ist. Dann gab es ein zweites Aufbäumen mit der Bavaria Film, ich habe das also schon lange auf der Festplatte und auch einen Trailer dazu gedreht. Dietrich Mateschitz war davon begeistert und wollte das unbedingt machen. Nach der Burgtheater-Katastrophe hat er gefragt: "Und was passiert jetzt mit den ,Räubern‘?" Ich habe gesagt: Ich mache das gern, aber die Burg fällt als Koproduktionspartner aus. Jetzt machen wir das also trotzdem. Es ist das Stück, das mich überhaupt zu Mateschitz gebracht hat.

Danach wird es auch in Hamburg zu sehen sein. Wo noch?

In Wolfsburg zur Eröffnung des neuen Theaters. Und am Wiener Volkstheater (18. und 19. Oktober, Anm.). Ich freue mich sehr darauf. Es gibt ja, sowohl in Salzburg als auch in Wien, viele Leute, die mich auf der Straße ansprechen und sagen, wie leid ihnen das alles mit dem Burgtheater tut. Dass ich nicht mehr dort arbeite. Das hat für mich immer etwas Zweischneidiges: Einerseits tröstet es mich, andererseits ist es wie ein Messerstich.

Welche Inszenierungen werden von Ihnen nach den "Räubern" zu sehen sein?

Im Dezember "La Bohème" in Genf. Und im kommenden Jahr der "Freischütz" an der Mailänder Scala.

Wie ist der aktuelle juristische Stand rund um das Burgtheater?

Im Moment ist alles ruhend gestellt.

Wie kommentieren Sie die Vorfälle am Belvedere, wo Agnes Husslein als Direktorin Probleme mit den Compliance-Regeln hatte, sodass ihr Vertrag nicht verlängert wurde?

Agnes Husslein ist eine sensationelle Frau. Was sie geleistet hat, ist für Österreich unbeschreiblich wichtig. Zu den angeblichen Verfehlungen kann ich nichts sagen. Aber sie hätte Solidarität verdient.

Und Ihre eigenen Verfehlungen? Wie sehen Sie das heute?

Meinen Sie meine Verfehlungen, die angeblich durch Bücher belegt sind, von denen jeder sagt, dass sie nicht korrekt sind?

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