Martina Ebm: "Es ist wichtig, dass Frauen zu Frauen stehen"

Martina Ebm: "Es ist wichtig, dass Frauen zu Frauen stehen"
Die ROMY-nominierte Schauspielerin über „Vorstadtweiber“, Karriere und die #MeToo-Debatte.

KURIER: Sie spielen die Caro in den „Vorstadtweibern“. Wo kommt die her, wenn Sie eine neue Staffel drehen, muss man die irgendwie lebendig halten?

Martina Ebm: Ich habe mir in der ersten Staffel doch schwer getan, sie zu finden, die Caro zu fassen. Bei der vierten Staffel wusste ich schon genau, wie sie geht, wie sie denkt, warum sie die Dinge macht. Ich habe sie so entwickelt, dass ich mir keine große Gedanken mehr machen musste. Sie ist für mich so klar wie eine Freundin, die man gut kennt.

Aber wohl eine schwierige Freundin!

Die Caro gehört zu den Freundinnen, die einen faszinieren, weil ihr Leben so anders verläuft als meines. Wenn Menschen so gegenteilig zu einem selbst sind, dann hat man das Gefühl, an einem anderen Leben teilzuhaben.

Mit den Entscheidungen echter Freunde ist man schon auch mal unzufrieden.

Ja, das ist ein Unterschied: Meiner Freundin kann ich etwas sagen, der Caro weniger (lacht). Aber das macht es auch spannend. Ich habe bei Caro die Möglichkeit, ein Verhalten auszuleben, das ich sonst nicht ausleben würde, auch wenn ich es vielleicht wollte! Aber es eben nicht mache. Vielleicht schlummert die Caro auch in mir, obwohl mein moralisches Empfinden es nicht zulässt. Hier beuge ich mich dem Drehbuch. 

Martina Ebm: "Es ist wichtig, dass Frauen zu Frauen stehen"

Muss man Verständnis haben für Figuren, die man spielt?

Ja, das sollte man. In „Vor Sonnenuntergang“ (im Theater in der Josefstadt, Anm.) habe ich sehr für die weibliche Figur gekämpft, obwohl es eigentlich gar nicht mein Verständnis von Moral ist. Eine junge Frau kommt und nimmt sich einen älteren Mann. Die Kinder des Mannes glauben, dass sie eine reine Erbschleicherin ist. Aber sie liebt ihn. Ist es nicht ok, wenn sie an seinem Lebensstil mitnascht, wenn sie ihn liebt? Wenn man etwas von der anderen Seite betrachtet, findet man immer wieder Aspekte, für die man Verständnis entwickeln kann.

Das ist dann auch das Angebot ans Publikum: Den Menschen Regungen näherzubringen.

Es ist schon ein Gewinn, wenn sich Zuschauer denken: Siehst du, so hab ich das noch gar nicht gesehen, eigentlich versteh’ ich den. Umpolen kann man die Menschen nicht, aber vielleicht etwas Verständnis erzeugen, sodass sie Empathie empfinden.

Aber erfüllt die Kultur diese Aufgabe ausreichend? Ich habe schon die Hoffnung, dass ich mit meinem Beruf etwas dazu beitragen kann. Aber ich weiß nicht, ob es reicht. Ich versuche es in meinem Rahmen der Möglichkeiten. Ich bin ein Mensch, der am besten lernt, am besten reflektiert, wenn er etwas persönlich erlebt und empfindet. Deswegen bemühe ich mich, das Publikum dazu zu bringen, Emotionen zu entwickeln. Emotionen öffnen etwas in einem Menschen. Je mehr man die Menschen berührt, desto besser können sie sich öffnen.

Wenn man eine Schauspielerkarriere einschlägt, geht man in punkto Lebensplanbarkeit mal ordentlich ins Minus.

(lacht) Das ist wahr.

Ist dann ein Erfolg wie „Vorstadtweiber“ so etwas wie eine Versicherung, die Planbarkeit auf ein paar Jahre ermöglicht?

Ich komme aus dem Off-Theater-Bereich. Ich habe zunächst wenig bis nichts verdient und habe Tag und Nacht gearbeitet. Denn es hat so viel Spaß gemacht! Wir konnten selbst bestimmen, was wir machen. Das war ein enorm kreativer Prozess. Im Rückblick bin ich froh, das alles erlebt zu haben. Heute ist meine Situation viel stabiler. Aber ich nehme nichts als gegeben hin. Ich ahne, wie schnell es gehen kann, dass man auf einmal keine Rollenangebote mehr bekommt. Daher frage ich mich oft, ob ich den richtigen Weg gehe und wie es weitergeht.

Die Unsicherheit bleibt, auch in Zeiten des Erfolgs?

Ja, eine gewisse Unsicherheit bleibt.

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Wie definiert man dann Erfolg?

Seit ich Kinder habe, sage ich, Erfolg ist ein glückliches Leben. Früher hätte ich Erfolg wahrscheinlich ausschließlich mit dem Beruflichen gleichgesetzt. Heute erfüllen mich Privatleben und Beruf gleichermaßen. Ich bin froh, dass ich in der Früh aufstehen kann und mir weniger Existenzsorgen machen muss. Aber dann schreit eines meiner Kinder – und ich mache mir augenblicklich Sorgen. Es ist ein Auf und Ab.

Hat es einen Plan B zum Schauspielen gegeben? Judo?

(lacht) Das ist doch schon so lange her! Und ich werde immer danach gefragt. Nein, Judo war keine berufliche Option.

Es steht in jedem Lebenslauf!

Ich weiß. Ich wollte während meiner Gymnasialzeit in den Judo-Leistungssport wechseln. Aber ich habe mich dann doch für den musischen Zweig entschieden.

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Glauben Sie, dass sich die Missstände im Kulturbereich, vor allem im Bereich Machtmissbrauch durch mächtige Männer, dank #MeToo ändern?

Ich hoffe, dass sich das bessert. Wenn sich so viele Frauen solidarisieren, dann ist etwas da, das aufgearbeitet und beseitigt werden muss. Ein erster Schritt ist allein schon dadurch getan, dass man darüber spricht. Früher haben es Frauen oft mit sich selbst ausgemacht, weil sie Angst hatten oder abhängig waren. Es ist wichtig, dass Frauen zu Frauen stehen, und sich auch Männer damit solidarisieren. Ich hoffe, dass das noch stärker wird. Es geht um Gleichberechtigung. Warum sollen Frauen, weil sie Frauen sind, Diskriminierung erfahren?

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