"Keine Intendanten-Festspiele"

Fast minütlich kommt ein Glückwunsch-SMS auf sein Handy, jeder zweite Besucher im Kaffeehaus bleibt kurz stehen und sagt ein paar freundliche Worte, von unzähligen wesentlichen Medien gibt es Interviewanfragen. Wie geht Markus Hinterhäuser, der am Mittwoch zum Intendanten der Salzburger Festspiele ab 1. Oktober 2016 bestellt wurde, damit um, plötzlich derart im Zentrum des Interesses zu stehen?
„Ich freue mich sehr darüber“, erzählt er im Gespräch mit dem KURIER. „Aber ich finde es auch gut, dass es bald wieder eine Verlagerung der Themen gibt: Noch nie war mir eine Nationalratswahl so willkommen.“
KURIER: Der Chefsessel bei den Salzburger
Festspielen war zuletzt der größte Schleudersitz im Kulturbereich. Warum sollte nun mit Ihnen Kontinuität einkehren?
Hinterhäuser: Lassen Sie mich kurz nachdenken ... Ja, also, der Wunsch nach Kontinuität ist greifbar und verständlich, der Wunsch nach produktivster Ruhe. Aber das bedeutet nicht ein Selbstverständnis, dass es von alleine geht. Man braucht in diesem Job eine produktive Gelassenheit, die der Sache dient und nicht Profilambitionen, im schlimmsten Fall sogar Profilneurosen.
Gerade in
Salzburg gab es ja zuletzt immer wieder Streit abseits der Kunst ...
Ein Riesenkomplex wie die Salzburger Festspiele hat Reibungsflächen, es können immer wieder unvorhergesehene Situationen passieren, die äußere und innere Bewältigung ist kompliziert. Wenn man fünf Jahre als Intendant dieses Festival mitgestalten kann, ist das jedenfalls kein Abschnitt eines Lebens, den man unter die Rubrik Karriere einordnen kann. Das ist kein Schritt zu etwas anderem, sondern ein Ziel.
Wie sehen Ihre Vorstellungen für die
Festspiele aus?
Die künstlerische Ausrichtung eines solchen Festivals ist natürlich stark von den Vorstellungen des Intendanten geprägt. Aber das sind keine Intendanten-Festspiele. Viel wichtiger ist doch: Wie geht man mit den Festspielen um? Wo möchte ich sie gerne sehen?
Und wo?
Es ist ein Festival der Kunst und für die Kunst. Die berühmte Umwegrentabilität wird sich dann ergeben. Es geht um Fragen und mögliche Antworten in einer sich ständig rascher verändernden Welt. Das Tempo ist mit den 20er-Jahren, in denen die Festspiele gegründet wurden, nicht mehr vergleichbar. Sie müssen heute auf dieses Tempo nicht unbedingt reagieren, aber zumindest eine Haltung dazu einnehmen. Für mich sind Festspiele nicht eine additive Aneinanderreihung von Veranstaltungen, sie müssen einer Idee folgen. Ein gelungenes Fest folgt einer Idee. Ein Spiel, selbst eines von Kindern, folgt auch einer Idee. Es geht um die Freude an diesen Ideen.
Sie hatten sich schon 2009 für die Leitung der
Festspiele beworben. Nun wurden Sie gekürt. Was war diesmal anders und hat zum Erfolg geführt?
Ich bin ganz gut darin, mit Dingen abzuschließen und bin nicht nachtragend. Ich verhehle nicht, dass mich der Vorgang im Jahr 2009 getroffen hat. Aber ich werde keine bittere Analyse von damals erstellen. Vielleicht ist es jetzt einfach richtiger.
Ehe Sie wieder nach
Salzburg wechseln, sind Sie drei Jahre Intendant der
Wiener Festwochen. Wie geht sich das rein zeitlich mit der Vorbereitung aus?
In Wien gab es die politische Entscheidung, dass die Intendanz der Festwochen alle drei Jahre wechseln soll. Auf Basis dieser Entscheidung haben wir einen Vertrag bis 30. 6. 2016 geschlossen. Ich werde die Aufgabe, die Festwochen in Wien drei Jahre mitzugestalten, mit ganzem Herzen erfüllen. Ich wurde in Wien auf die schönste Weise aufgenommen – das hätte nicht liebenswürdiger sein können. Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass sich das mit Wien und danach mit Salzburg gut ausgeht. Bei solchen Jobs sind Überschneidungen ganz normal. Kein Intendant, der infrage kommt, geht den ganzen Tag auf den Champs-Élysées spazieren. Es ist nur eine Frage der eigenen und der inneren Organisation.
Sie kommen aus dem Musikbereich und haben in
Wien für das Schauspiel mit Frie Leysen eine kompetente Partnerin. Was die Intendanz in
Salzburg betrifft, wurden von Kritikern Befürchtungen geäußert, Sie seien zu wenig Opernexperte. Ihr Kommentar dazu?
Ich bin immer wieder festgelegt worden. Als Pianist zunächst auf den reinen Liedbegleiter, dann auf die Neue Musik. Aber ich habe ein lebenslanges vitales Interesse an den Dingen, selbstverständlich sehr an der Oper. Ich kenne auch die Opernliteratur gut und glaube, von Stimmen einiges zu verstehen. Das Musiktheater ist natürlich das Aushängeschild der Festspiele, nach dem sich alles richtet. Aber für mich gehen Festspiele noch ein Stück weiter. Es geht um die Identität, auch um die Vernetzung mit dem Schauspiel. Ich werde für alles exzellente Mitarbeiter finden.
Wer wird Ihr Schauspielchef?
Ich habe schon Namen im Kopf. Aber es darf sich nicht immer alles nur um Namen drehen. Ich will etwa die Felsenreitschule, das eindrucksvollste und schönste Theater in Salzburg, für das Schauspiel wieder öffnen. Aber da muss man zuerst wissen: Was soll dort passieren? Was ist dort richtig? Das Ziel ist es, mit einem bestimmten Stück an einem bestimmten Ort die richtige Aura zu erzeugen.
Werden Sie auch bildende Künstler einbeziehen?
Natürlich geht es um die Einbindung von großartigen Künstlern, das hat in Salzburg ja Tradition. Man muss diese Leute für Salzburg gewinnen. Aber es geht auch um andere Medien wie Film.
Planen Sie Uraufführungen?
Sicher. Aber nicht, weil mich die statistische Erotik von Uraufführungen interessiert. Neuen Opern muss man das Weiterleben garantieren, etwa mit Koproduktionen. Sonst sind sie nach vier Aufführungen wieder weg.
Was sind Ihre ersten persönlichen Erinnerungen an die
Festspiele?
Als ich vor vielen Jahren in Salzburg Klavier studiert habe, sind wir mit Freunden immer um das Festspielhaus herumgeschlichen. Das war damals für uns eine uneinnehmbare, nicht zugängliche Festung. Wir haben auch in den Büros der Plattenfirmen manchmal Neuerscheinungen abgestaubt. Aber das eigentliche Ziel waren Karten für Generalproben. Die erste Oper, die ich so in Salzburg gesehen habe, war ein „Don Carlo“ mit Karajan. Im Konzertbereich erinnere ich mich etwa an die Fünfte Mahler-Symphonie mit Bernstein. Das sind Erlebnisse, die werde ich nie vergessen.
Markus Hinterhäuser wurde am 30. März 1959 in La Spezia/Italien geboren. Er studierte Klavier in Wien und in Salzburg. Als Solist und Liedbegleiter war er enorm gefragt. Sein besonderes Engagement galt stets der zeitgenössischen Musik.
Von 1993 bis 2001 betreute er bei den Salzburger Festspielen unter der Intendanz von Gérard Mortier zusammen mit Tomas Zierhofer-Kin die Neue-Musik-Schiene „Zeitfluss“. Unter dem Titel „zeit_zone“ setzten die beiden danach ihre Arbeit im Rahmen der Wiener Festwochen fort. 2006 wurde Hinterhäuser Salzburger Konzertchef unter Jürgen Flimm. 2009 scheiterte er bei seiner Bewerbung für die Intendanz, übernahm das Festival aber 2011 interimistisch. Von 2014 bis 2016 leitet er die Wiener Festwochen, ehe er für fünf Jahre Intendant in Salzburg wird.
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