Hinterhäuser: "Es wird weniger werden"

Ein Mann spricht während einer Pressekonferenz in ein rotes Mikrofon.
Markus Hinterhäuser wird neuer Salzburg-Intendant. Seine Vorstellungen für die Festspiele ab 2017.

Der KURIER brachte die Meldung online als erstes Medium am Mittwoch um 13.20 Uhr: Markus Hinterhäuser wird neuer Intendant der Salzburger Festspiele.

Um 14.50 Uhr folgte die Bestätigung durch das Festival selbst: Der Kulturmanager und Pianist übernimmt ab 1. Oktober 2016 und bis inklusive 2021 die Leitung der Festspiele; und der Vertrag von Präsidentin Helga Rabl-Stadler wurde bis Ende September 2017 verlängert.

Um 15.30 Uhr trat dann das gesamte Festspiel-Kuratorium – Vorsitzende Andrea Ecker (Kulturministerium), Peter Radel (Finanzministerium), Landeshauptmann Wilfried Haslauer, Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden und Hans Scharfetter (Fremdenverkehrsförderungsfonds) – gemeinsam mit Hinterhäuser und Rabl-Stadler vor die Presse und verkündete weißen Rauch: Habemus Intendantem!

Der Autor dieser Zeilen hatte bereits am Dienstag an dieser Stelle die Prognose gewagt: Damit wird in Salzburg alles besser!

Aller guten Dinge sind zwei

Ein Mann hört aufmerksam zu, während eine Frau im Vordergrund spricht.
APA14820934 - 25092013 - SALZBURG - ÖSTERREICH: ZU APA 437 KI - Der Pianist Markus Hinterhäuser und die Präsidentin der Salzburger Festspiele Helga Rabl-Stadler während einer Pressekonferenz des Kuratoriums der "Salzburger Festspiele 2010" am Mittwoch, 25. September 2013, in Salzburg. Hinterhäuser wird der neue Intendant der Salzburger Festspiele ab der Saison 2017. APA-FOTO: NEUMAYR
Hinterhäuser sprach von einer „Herzensangelegenheit“ und einem „schönen, bewegenden Moment“. Und er sagte: Ein drittes Mal hätte er sich einem Bewerbungsverfahren nicht gestellt. Im Jahr 2009 hatte er es nicht auf den Dreiervorschlag der Findungskommission geschafft – somit konnte sich Alexander Pereira als Intendant durchsetzen. Nun wird Hinterhäuser selbst Chef in Salzburg – nach einem Interimsjahr 2011. Die Festspiele hätten es also sich – und auch Hinterhäuser – bedeutend leichter machen können, wenn sie ihn schon damals bestellt hätten.

So ist Hinterhäuser in den Jahren 2014, 2015 und 2016 Intendant der Wiener Festwochen, ehe er wieder in die Stadt wechselt, der er „alles in meinem Leben zu verdanken hat“. Sein größter Förderer war der vergangene Woche verstorbene Musikmanager Hans Landesmann – dass Hinterhäuser nun in Salzburg inthronisiert wurde, ist auch dessen Vermächtnis.

„Ich betreibe kein Job-Hopping und werde den Festwochen gegenüber sicher nicht untreu“, sagte Hinterhäuser. Er werde in Wien seinen Vertrag bis zum letzten Tag erfüllen.

Seine erste inhaltlichen Erklärungen für Salzburg klingen sehr klug. „Es wird sicher weniger werden“, kündigte er an. Damit meint er eine Reduktion der Veranstaltungen, eine Redimensionierung der Festspiele. Dem amtierenden Intendanten Alexander Pereira wird immer vorgeworfen, er lege zu großen Wert auf Quantität.

Hinterhäuser betonte, er sei auch – im Gegensatz zu Pereira – „ein großer Anhänger von Wiederaufnahmen“, wenn sich Produktionen weiterentwickeln können. Neue Musik werde eine große Rolle spielen, Schwerpunkte auf den Werken von Mozart und Richard Strauss liegen. Für Mozart wolle er neue Formen „über die festgeschriebene Aufführungspraxis hinaus“ entwickeln.

Schauspiel und Musik sollen besser vernetzt werden, für die Position des Schauspielchefs hat er „schon Kandidaten im Kopf“. Die Felsenreitschule wird er wieder „für das Schauspiel öffnen“.

Die Ouvertüre spirituelle hält er für eine gute Idee, will sie aber besser mit dem eigentlichen Start, der ersten Opernpremiere, verbinden. Und zum Festspielball sagt er: „Ich bin ein Ballmuffel und war nicht einmal in der Tanzschule. Meine Prioritäten liegen woanders.“

All das garantiert Salzburg eine intellektuellere, inhaltlich klarere Ausrichtung. Salzburg hat eine gute Wahl getroffen, vier Jahre zu spät.

Geboren wurde Markus Hinterhäuser 1959 in La Spezia (Italien). Er studierte Klavier am Salzburger Mozarteum. Vor allem mit Interpretationen zeitgenössischer Werke (etwa von Galina Ustwolskaja, Morton Feldman oder John Cage) setzte er Maßstäbe. Nun bekommt er den wahrscheinlich begehrtesten Management-Job in der Kulturbranche.

„Ich bin immer noch aufgeregt“, sagte er eine Stunde nach seiner Präsentation zum KURIER. „Ich habe seither schon mindestens 80 SMS bekommen. Wahrscheinlich in erster Linie mit Glückwünschen. Ich hatte noch keine Zeit sie zu lesen.“

Weitere O-Töne von Hinterhäuser:

– Über das Profil eines Künstler-Intendanten: „Es gibt immer Diskussionen, ob ein Manager oder ein Künstler ein Festival leiten soll. Ich bin ein Vertreter der Spezies Künstler-Intendant. Und ich stehe dazu. Die Festspiele wurden ja auch von Künstlern gegründet. Manche vermuten, Künstler verstehen nichts von Geld. Umgekehrt würde das bedeuten, wer von Geld etwas versteht, versteht nichts von Kunst.“

– Über sein Konzept: „Ich bin ja kein Novize in Salzburg. Man kennt meine Handschrift seit vielen Jahren. Die wird sich sicher nicht ändern. Ich beginne jetzt nicht mit links zu schreiben. Bei mir wird die Moderne ihren selbstverständlichen Platz in der Festspiel-Programmierung haben. In meinem Konzept ging es auch um die Fragen: Was kann Kunst bewirken in einer Zeit, in der so viele Menschen ratlos sind? Was sind Festspiele heute? Festspiele sind ja nicht eine bloße Aneinanderreihung von Veranstaltungen.“

– Über konkrete Pläne: „Dafür ist es noch viel zu früh. Wir werden als erstes eine profunde Analyse, keine Kritik, der letzten Jahre machen. Ich finde, das Limit der Machbarkeit wurde überschritten.“

– Über den Festspiel-Ball: „Da kann ich noch nichts Genaues sagen. Ich selbst bin jedenfalls ein Ballmuffel und war nicht einmal in der Tanzschule. Meine Prioritäten liegen sicher woanders.“

Alexander Pereira ist noch 2014 Intendant der Salzburger Festspiele. Sven-Eric Bechtolf leitet das Festival – mit Helga Rabl-Stadler – 2015 und ’16. Dann übernimmt Markus Hinterhäuser. „Eine historisch einmalige Situation“, sagt Rabl-Stadler. „Ich werde allen drei Intendanten helfen, ihre Ideen zu verwirklichen.“

Auch Markus Hinterhäuser hofft auf eine „freundschaftliche“ Übergangszeit und will sich „nicht störend oder profilneurotisch einmischen“.

Kuratoriumsvorsitzende Andrea Ecker: Hinterhäusers Verbundenheit mit Salzburg „gewährleistet eine längere Perspektive“. Der künftige Intendant habe ein „eindrucksvolles künstlerisches Konzept“ vorgelegt.

Landeshauptmann Wilfried Haslauer wünscht sich Langfristigkeit und denkt sogar schon über 2021 hinaus.

Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny begrüßte die rasche und klare Entscheidung. „Zunächst freue ich mich natürlich auf die kommenden drei Jahre mit Markus Hinterhäuser bei den Wiener Festwochen.“

Ex-Opernchef Ioan Holender ist gewohnt kritisch: Hinterhäuser müsse „zeigen, dass er sich von der provinziellen Entourage freispielen wird“ und das tun, „was er kann und nicht, was die Unkundigen, die ihn gewählt haben, von ihm erwarten“.

Understatement scheint zu den herausragenden Eigenschaften von Markus Hinterhäuser zu gehören. "Ob ich Intendant oder künstlerischer Leiter genannt werde, ist für mich ein völlig nebensächliches Problem", kommentierte er 2009 in den Wirren des Flimm-Abgangs seine Beförderung vom Konzertchef an die Spitze der Salzburger Festspiele. Von 1. Oktober 2010 bis 1. Oktober 2011 hatte er die Übergangsleitung an der Salzach inne, bis Alexander Pereira übernahm. Nicht zuletzt dank seiner durchweg hochgelobten Interimssaison gilt der 54-Jährige nun als Topfavorit für eine dauerhaftere Anstellung, wenn am Mittwoch das Kuratorium zur Entscheidungsfindung zusammentritt. Vor einem etwaigen Amtsantritt 2017 leitet Hinterhäuser aber drei Jahre lang die Wiener Festwochen. Dabei wäre das Pendeln zwischen Festwochen und Festspielen für Hinterhäuser nichts Neues.

Geboren wurde Markus Hinterhäuser am 30. März 1959 in La Spezia, der Heimatstadt seiner italienischen Mutter. Er studierte Klavier an der Hochschule für Musik in Wien, am Mozarteum in Salzburg sowie in Meisterkursen. Als Solist und Liedbegleiter musizierte Hinterhäuser im Zuge seiner Karriere in den bedeutendsten Konzertsälen der Welt und arbeitete mit den renommiertesten Künstlern. Sein besonderes Engagement galt stets der zeitgenössischen Musik, insbesondere für das Werk von Luigi Nono, Karlheinz Stockhausen, Morton Feldman, György Ligeti, Giacinto Scelsi und Galina Ustwolskaja.

"Zeitfluss" unter Mortier

Im Rahmen der Salzburger Festspiele betreute Hinterhäuser von 1993 bis 2001 unter der Intendanz von Gerard Mortier zusammen mit Tomas Zierhofer-Kin die Neue-Musik-Schiene "Zeitfluss", die große Beachtung fand. Die "Zeitfluss"-Festivals zu Themen wie Grenzzuständen der Wahrnehmung oder Religiosität und Ritual boten ein Spektrum von Klassikern der zeitgenössischen Musik bis zu den "Einstürzenden Neubauten". Unter dem Titel "zeit_zone" setzten Hinterhäuser und Zierhofer-Kin 2002 bis 2004 ihre Arbeit im Rahmen der Wiener Festwochen fort, wobei ein stärkeres Gewicht auf (Musik-)Theater und künstlerische Zwischenbereiche gelegt wurde.

Konzertchef

2006 kehrte Hinterhäuser dann das erste Mal wieder zu den Salzburger Festspielen zurück, als er zum Konzertchef berufen wurde. Schon sein erstes Programm 2007 wurde gelobt, was sich auch 2008 fortsetzte. Die erfolgreiche Programmierung der wichtigen Konzertsparte, bei der er u.a. in der Reihe "Kontinente" Akzente setzte und klassische Musik mit moderner Musik verschränkte, brachte Hinterhäuser nach Ansicht vieler in die Pole Position für die Nachfolge von Intendant Jürgen Flimm.

Als 2009 jedoch Alexander Pereira als Intendant ab Herbst 2011 bestellt und klar wurde, dass Schauspiel- und Konzertleiter auch künftig nicht im Direktorium vertreten sein würden, zog Hinterhäuser die Konsequenzen und gab bekannt, "unter den ihm angebotenen Rahmenbedingungen den Salzburger Festspielen nach 2011 als Konzertchef nicht mehr zur Verfügung zu stehen". Der vorzeitige Abgang Flimms brachte Hinterhäuser dann unversehens doch für ein Jahr an die Spitze, wobei er die Pläne großteils von Flimm übernehmen musste. Dessen ungeachtet wurde dem Kulturmanager nicht zuletzt wegen seiner fachlichen Kompetenz und seines ruhigen, verbindlichen Führungs- und Kommunikationsstils allseits Lob zuteil.

Festwochen

Ab der Saison 2014 wird Hinterhäuser nun als Intendant der Wiener Festwochen die Bundeshauptstadt großflächig bespielen - und das mit einem Festival, das er auch von der Bühne aus bereits von zahlreichen Auftritten kennt. Gemeinsam mit Schauspieldirektorin Frie Leysen wird der Kulturmanager bis 2017 für das Programm verantwortlich zeichnen. Bevor er seinen neuen Job in Salzburg antritt.
(APA)

Die erfolgreiche Langzeitpräsidentin der Salzburger Festspiele bleibt bis einschließlich 2017 im Amt - Helga Rabl-Stadlers Vertrag wurde am Mittwoch vom Kuratorium der Festspiele erwartungsgemäß um drei Jahre verlängert. Damit entschied sich das Aufsichtsorgan für die Weiterführung eines wirtschaftlich und kulturpolitisch bewährten Kurses. Rabl-Stadler, Präsidentin seit 1995, steht für ein inniges Verhältnis von Kunst und Geld und gilt als Institution der Salzburger Festspiele.

Zehn Personen, drei Frauen und sieben Männer, haben sich für den ausgeschriebenen Posten des Festspielpräsidenten beworben. Wohl nur Formsache, denn Rabl-Stadler wurde bereits im Vorfeld gebeten, für eine Verlängerung zur Verfügung zu stehen und hatte dies auch zugesagt.

Begann als Journalistin

Die 65 Jahre alte Festspielpräsidentin ist die Tochter von Ex-ORF-General Gerd Bacher. Nach Studien in Publizistik und Rechtswissenschaft begann sie ihre Karriere als Journalistin, und zwar als Wirtschafts- und Innenpolitikredakteurin in den Zeitungen Die Presse, Wochenpresse und später im KURIER. Anfang der 80er Jahre übernahm sie Teile des Salzburger und Linzer Modehauses Resmann und ging 1983 für die ÖVP in den Nationalrat, wo sie sich bis 1990 für liberalere Ladenöffnungszeiten und die Verankerung von Sponsoring im Steuerrecht engagierte.

Zuvor aber stand die Salzburger Wirtschaftskammer auf dem Programm der karrierebewussten Powerfrau. Dort begann sie 1985 als Vizepräsidentin und stieg 1988 zur Präsidentin auf. An diesen Titel bereits gewöhnt, übersiedelte Rabl-Stadler 1995 in die Direktion der Salzburger Festspiele. "Außer dem Amt des Bundespräsidenten gibt es kein Amt, das ich lieber antreten würde als das Amt des Präsidenten der Salzburger Festspiele", sagte Helga Rabl-Stadler damals im Fernsehen.

Als ihre herausragende Leistung an der Spitze der Festspiele gilt die Akquise von Sponsoren. So hat die 1998 mit dem Goldenen Ehrenzeichen des Landes ausgezeichnete Festspiel-Repräsentantin allein im Jahr 2007 die Uhrenmanufaktur A. Lange & Söhne sowie den Pharmariesen Roche für die Festspiele gewonnen, den Projektsponsor Montblanc für ein zusätzliches Projekt verpflichtet sowie die Verträge mit den Hauptsponsoren Credit Suisse und Audi verlängert. Wie keine andere steht Rabl-Stadler als Vertreterin des alteingesessenen Salzburger Bildungsbürgertums für die Umarmung von Kunst und Geld ohne Berührungsängste.

Helga Rabl-Stadler hat sich in den 19 Jahren ihrer Präsidentschaft ihren Platz in der Salzburger Festspielgeschichte gesichert. Ihre Vertragsverlängerung war Voraussetzung für die Zwischenlösung in der Führung der Festspiele für die Jahre 2015 und 2016. Intendant Alexander Pereira wird Salzburg ja vorzeitig verlassen, um die Mailänder Scala zu leiten, in diesen beiden Jahren werden die Festspiele von Rabl-Stadler und Sven-Eric Bechtolf geführt. Ihr eventuell letztes und dann 23. Jahr als Präsidentin wird Rabl-Stadler dann an der Seite des ebenfalls heute bestellten Markus Hinterhäuser arbeiten.
(APA)

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